Dienstag, 23. Juli 2019
Freitag, 12. Juli 2019
Julian Assange wird gefoltert
von Prof. Dr. Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter für Folter, anlässlich des Internationalen Tages zur Unterstützung von Folteropfern am 26. Juni 2019
ef. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, der Schweizer Nils Melzer, hat am 26. Juni einen Beitrag (Op-Ed) über den extremen Druck veröffentlicht, dem Julian Assange ausgesetzt ist – mit allen haltlosen Anschuldigungen gegen ihn. Assange befürchtet seine Auslieferung an die USA, wo ihm ein Prozess wegen Spionage und Geheimnisverrat droht (vgl. Zeit-Fragen Nr. 12 vom 21. Mai und Nr. 13 vom 4. Juni). Ein Auslieferungsgesuch der USA hat der britische Innenminister bereits bewilligt; letztlich wird jedoch noch ein Gericht darüber entscheiden. Melzers Beitrag wird bislang von führenden westlichen Medien ignoriert. Die Begründung hierfür reicht von, es läge nicht im Kernbereich ihres Interesses, bis hin zu, es stehe nicht hoch genug auf ihrer Nachrichtenagenda. Zwei Interviews, die Melzer am 31. Mai Sky News und der BBC gegeben hatte, wurden bislang nicht gesendet. Gegenüber Russia Today sagte Melzer zum Schweigen der Medien zu seinem Bericht: «Wenn es jedoch um einen ernsten Beitrag geht, der dieses Narrativ demaskieren und die Fakten aufzeigen will, dann haben sie daran kein Interesse». Im folgenden der Wortlaut seines Op-Ed:
Ich weiss, Sie denken vielleicht, dass ich mich irre. Wie könnte das Leben in einer Botschaft mit einer Katze und einem Skateboard jemals einer Folter gleichkommen? Das ist genau das, was ich auch dachte, als Assange zum ersten Mal um Unterstützung an mein Amt appellierte. Wie die meisten Bürger war ich unbewusst durch die unerbittliche Hetze vergiftet worden, die im Laufe der Jahre verbreitet wurde. Also bedurfte es eines zweiten Klopfens an meine Tür, um meine widerwillige Aufmerksamkeit zu erregen. Aber als ich mir die Fakten dieses Falles angesehen hatte, erfüllte mich das, was ich fand, mit Abscheu und Unglauben.
Natürlich, dachte ich, Assange muss ein Vergewaltiger sein! Aber was ich herausfand, ist, dass er nie wegen einer Sexualstraftat angeklagt wurde. Zwar machten zwei Frauen in Schweden Schlagzeilen, kurz nachdem die USA die Verbündeten ermutigt hatten, Gründe für die Verfolgung von Assange zu suchen. Eine von ihnen behauptete, er habe ein Kondom zerrissen, die andere, dass er es nicht getragen habe, in beiden Fällen beim einvernehmlichen Geschlechtsverkehr – nicht gerade Szenarien, die den Anschein von «Vergewaltigung» haben – ausser in Schweden. Allerdings hat jede Frau sogar ein Kondom als Beweis vorgelegt. Das erste, angeblich von Assange getragen und zerrissen, enthüllte keinerlei DNA – weder seine, noch ihre, noch die von jemand anderem. Denken Sie nach. Das zweite, benutzte, aber intakte, hat sich bei angeblich «ungeschütztem» Geschlechtsverkehr bewährt. Überlegen Sie noch einmal. Die Frauen haben sogar geschrieben, dass sie nie beabsichtigt hatten, ein Verbrechen anzuzeigen, sondern von der hartnäckig arbeitenden schwedischen Polizei dazu «gezwungen» wurden. Denken Sie nochmals nach. Seitdem haben sowohl Schweden als auch Grossbritannien alles getan, um Assange daran zu hindern, sich diesen Anschuldigungen zu stellen, ohne sich gleichzeitig der Auslieferung durch die USA und damit einem Schauprozess mit anschliessendem Leben im Gefängnis aussetzen zu müssen. Seine letzte Zuflucht war die ecuadorianische Botschaft.
In Ordnung, dachte ich, aber sicherlich muss Assange ein Hacker sein! Doch was ich herausgefunden habe, ist, dass alle seine Enthüllungen ihm frei zugänglich waren und dass niemand ihm vorwirft, einen einzigen Computer gehackt zu haben. Tatsächlich bezieht sich die einzig strittige Hacking-Anklage gegen ihn auf seinen angeblichen erfolglosen Versuch, ein Passwort zu knacken, das, wenn es erfolgreich gewesen wäre, seiner Quelle hätte helfen können, ihre Spuren zu verwischen. Kurz gesagt: eine eher isolierte, spekulative und unbedeutende Kette von Ereignissen; ein bisschen wie der Versuch, einen Fahrer zu verfolgen, der erfolglos versucht hat, die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, der aber scheiterte, weil sein Auto zu schwach war.
Nun denn, dachte ich, zumindest wissen wir sicher, dass Assange ein russischer Spion ist, sich in die US-Wahlen eingemischt und fahrlässig den Tod von Menschen verursacht hat! Aber alles, was ich herausgefunden habe, ist, dass er konsequent wahre Informationen von allgemeinem Interesse ohne Verletzung von Vertrauen, Pflicht oder Loyalität veröffentlicht hat. Ja, er hat Kriegsverbrechen, Korruption und Missbrauch aufgedeckt, aber wir sollten die nationale Sicherheit nicht mit staatlicher Straflosigkeit in einen Topf werfen. Ja, die von ihm offenbarten Fakten befähigten die US-Wähler, fundiertere Entscheidungen zu treffen, aber ist das nicht einfach Demokratie? Ja, es gibt ethische Diskussionen über die Legitimität von nicht freigegebenen Enthüllungen. Aber wenn ein echter Schaden wirklich verursacht worden wäre, warum sahen sich weder Assange noch WikiLeaks jemals mit entsprechenden Strafanzeigen oder Zivilklagen auf gerechte Entschädigung konfrontiert?
Aber sicherlich, so plädierte ich, muss Assange ein egoistischer Narzist sein, der durch die ecuadorianische Botschaft skatet und Fäkalien an die Wände schmiert? Nun, alles, was ich von den Mitarbeitern der Botschaft gehört habe, ist, dass die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten seiner Unterkunft in ihren Büros mit gegenseitigem Respekt und Rücksicht gehandhabt wurden. Das änderte sich erst nach der Wahl von Präsident Moreno, als sie plötzlich angewiesen wurden, Verleumdungen gegen Assange zu sammeln. Und wenn sie es nicht taten, wurden sie bald wieder abgelöst. Der Präsident hat es sogar auf sich genommen, die Welt mit seinem Gerede zu beglücken und Assange persönlich sein Asyl und seine Staatsbürgerschaft zu entziehen, ohne dass ein ordnungsgemässes Gerichtsverfahren durchgeführt wurde.
Am Ende dämmerte es mir schliesslich, dass ich durch Propaganda geblendet worden war und dass Assange systematisch verleumdet worden war, um die Aufmerksamkeit von den Verbrechen abzulenken, die er aufgedeckt hatte. Nachdem er durch Isolation, Spott und Scham entmenschlicht worden war, wie die Hexen, die wir auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben, war es leicht, ihm seine grundlegendsten Rechte zu entziehen, ohne die Öffentlichkeit weltweit zu empören. Und so wird ein rechtlicher Präzedenzfall geschaffen, durch die Hintertür unserer eigenen Selbstgefälligkeit, die in Zukunft ebenso gut auf die Enthüllungen von «The Guardian», der «New York Times» und ABC News angewendet werden kann und wird.
Nun gut, mögen Sie sagen, aber was hat Verleumdung mit Folter zu tun? Nun, das ist ein Argument der schiefen Ebene. Was in der öffentlichen Debatte wie blosses «Schlammschlachten» aussieht, wird schnell zum «Mobbing», wenn es gegen die Wehrlosen eingesetzt wird, und sogar zur «Verfolgung», wenn der Staat beteiligt ist. Fügen Sie jetzt nur noch Entschlossenheit und schweres Leiden hinzu, und was Sie bekommen, ist eine vollwertige psychologische Folter.
Ja, in einer Botschaft mit einer Katze und einem Skateboard zu leben, mag wie ein netter Deal erscheinen, wenn man dem Rest der Lügen glaubt. Aber wenn sich niemand an den Grund für den Hass erinnert, den du erleidest, wenn niemand die Wahrheit hören will, wenn weder die Gerichte noch die Medien die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen, dann ist deine Zuflucht wirklich nur ein Gummiboot in einem Haifisch-Pool, und weder deine Katze noch dein Skateboard werden dein Leben retten.
Dennoch, so mag man sagen, warum so viel Zeit für Assange aufwenden, wenn unzählige andere weltweit gefoltert werden? Weil es hier nicht nur darum geht, Assange zu schützen, sondern auch darum, einen Präzedenzfall zu verhindern, der das Schicksal der westlichen Demokratie besiegeln könnte. Denn wenn es einmal zu einem Verbrechen geworden ist, die Wahrheit zu sagen, während die Mächtigen Straflosigkeit geniessen, wird es zu spät sein, den Kurs zu korrigieren. Dann werden wir unsere Stimme der Zensur und unser Schicksal der ungezügelten Tyrannei überlassen haben.
Dieses Op-Ed wurde dem «Guardian», der «Times», der «Financial Times», dem «Sydney Morning Herald», dem «Australian», der «Canberra Times», dem «Telegraph», der «New York Times», der «Washington Post», der Thomson Reuters Foundation und Newsweek zur Veröffentlichung angeboten.
Keiner reagierte positiv.
Natürlich, dachte ich, Assange muss ein Vergewaltiger sein! Aber was ich herausfand, ist, dass er nie wegen einer Sexualstraftat angeklagt wurde. Zwar machten zwei Frauen in Schweden Schlagzeilen, kurz nachdem die USA die Verbündeten ermutigt hatten, Gründe für die Verfolgung von Assange zu suchen. Eine von ihnen behauptete, er habe ein Kondom zerrissen, die andere, dass er es nicht getragen habe, in beiden Fällen beim einvernehmlichen Geschlechtsverkehr – nicht gerade Szenarien, die den Anschein von «Vergewaltigung» haben – ausser in Schweden. Allerdings hat jede Frau sogar ein Kondom als Beweis vorgelegt. Das erste, angeblich von Assange getragen und zerrissen, enthüllte keinerlei DNA – weder seine, noch ihre, noch die von jemand anderem. Denken Sie nach. Das zweite, benutzte, aber intakte, hat sich bei angeblich «ungeschütztem» Geschlechtsverkehr bewährt. Überlegen Sie noch einmal. Die Frauen haben sogar geschrieben, dass sie nie beabsichtigt hatten, ein Verbrechen anzuzeigen, sondern von der hartnäckig arbeitenden schwedischen Polizei dazu «gezwungen» wurden. Denken Sie nochmals nach. Seitdem haben sowohl Schweden als auch Grossbritannien alles getan, um Assange daran zu hindern, sich diesen Anschuldigungen zu stellen, ohne sich gleichzeitig der Auslieferung durch die USA und damit einem Schauprozess mit anschliessendem Leben im Gefängnis aussetzen zu müssen. Seine letzte Zuflucht war die ecuadorianische Botschaft.
In Ordnung, dachte ich, aber sicherlich muss Assange ein Hacker sein! Doch was ich herausgefunden habe, ist, dass alle seine Enthüllungen ihm frei zugänglich waren und dass niemand ihm vorwirft, einen einzigen Computer gehackt zu haben. Tatsächlich bezieht sich die einzig strittige Hacking-Anklage gegen ihn auf seinen angeblichen erfolglosen Versuch, ein Passwort zu knacken, das, wenn es erfolgreich gewesen wäre, seiner Quelle hätte helfen können, ihre Spuren zu verwischen. Kurz gesagt: eine eher isolierte, spekulative und unbedeutende Kette von Ereignissen; ein bisschen wie der Versuch, einen Fahrer zu verfolgen, der erfolglos versucht hat, die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, der aber scheiterte, weil sein Auto zu schwach war.
Nun denn, dachte ich, zumindest wissen wir sicher, dass Assange ein russischer Spion ist, sich in die US-Wahlen eingemischt und fahrlässig den Tod von Menschen verursacht hat! Aber alles, was ich herausgefunden habe, ist, dass er konsequent wahre Informationen von allgemeinem Interesse ohne Verletzung von Vertrauen, Pflicht oder Loyalität veröffentlicht hat. Ja, er hat Kriegsverbrechen, Korruption und Missbrauch aufgedeckt, aber wir sollten die nationale Sicherheit nicht mit staatlicher Straflosigkeit in einen Topf werfen. Ja, die von ihm offenbarten Fakten befähigten die US-Wähler, fundiertere Entscheidungen zu treffen, aber ist das nicht einfach Demokratie? Ja, es gibt ethische Diskussionen über die Legitimität von nicht freigegebenen Enthüllungen. Aber wenn ein echter Schaden wirklich verursacht worden wäre, warum sahen sich weder Assange noch WikiLeaks jemals mit entsprechenden Strafanzeigen oder Zivilklagen auf gerechte Entschädigung konfrontiert?
Aber sicherlich, so plädierte ich, muss Assange ein egoistischer Narzist sein, der durch die ecuadorianische Botschaft skatet und Fäkalien an die Wände schmiert? Nun, alles, was ich von den Mitarbeitern der Botschaft gehört habe, ist, dass die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten seiner Unterkunft in ihren Büros mit gegenseitigem Respekt und Rücksicht gehandhabt wurden. Das änderte sich erst nach der Wahl von Präsident Moreno, als sie plötzlich angewiesen wurden, Verleumdungen gegen Assange zu sammeln. Und wenn sie es nicht taten, wurden sie bald wieder abgelöst. Der Präsident hat es sogar auf sich genommen, die Welt mit seinem Gerede zu beglücken und Assange persönlich sein Asyl und seine Staatsbürgerschaft zu entziehen, ohne dass ein ordnungsgemässes Gerichtsverfahren durchgeführt wurde.
Am Ende dämmerte es mir schliesslich, dass ich durch Propaganda geblendet worden war und dass Assange systematisch verleumdet worden war, um die Aufmerksamkeit von den Verbrechen abzulenken, die er aufgedeckt hatte. Nachdem er durch Isolation, Spott und Scham entmenschlicht worden war, wie die Hexen, die wir auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben, war es leicht, ihm seine grundlegendsten Rechte zu entziehen, ohne die Öffentlichkeit weltweit zu empören. Und so wird ein rechtlicher Präzedenzfall geschaffen, durch die Hintertür unserer eigenen Selbstgefälligkeit, die in Zukunft ebenso gut auf die Enthüllungen von «The Guardian», der «New York Times» und ABC News angewendet werden kann und wird.
Nun gut, mögen Sie sagen, aber was hat Verleumdung mit Folter zu tun? Nun, das ist ein Argument der schiefen Ebene. Was in der öffentlichen Debatte wie blosses «Schlammschlachten» aussieht, wird schnell zum «Mobbing», wenn es gegen die Wehrlosen eingesetzt wird, und sogar zur «Verfolgung», wenn der Staat beteiligt ist. Fügen Sie jetzt nur noch Entschlossenheit und schweres Leiden hinzu, und was Sie bekommen, ist eine vollwertige psychologische Folter.
Ja, in einer Botschaft mit einer Katze und einem Skateboard zu leben, mag wie ein netter Deal erscheinen, wenn man dem Rest der Lügen glaubt. Aber wenn sich niemand an den Grund für den Hass erinnert, den du erleidest, wenn niemand die Wahrheit hören will, wenn weder die Gerichte noch die Medien die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen, dann ist deine Zuflucht wirklich nur ein Gummiboot in einem Haifisch-Pool, und weder deine Katze noch dein Skateboard werden dein Leben retten.
Dennoch, so mag man sagen, warum so viel Zeit für Assange aufwenden, wenn unzählige andere weltweit gefoltert werden? Weil es hier nicht nur darum geht, Assange zu schützen, sondern auch darum, einen Präzedenzfall zu verhindern, der das Schicksal der westlichen Demokratie besiegeln könnte. Denn wenn es einmal zu einem Verbrechen geworden ist, die Wahrheit zu sagen, während die Mächtigen Straflosigkeit geniessen, wird es zu spät sein, den Kurs zu korrigieren. Dann werden wir unsere Stimme der Zensur und unser Schicksal der ungezügelten Tyrannei überlassen haben.
Dieses Op-Ed wurde dem «Guardian», der «Times», der «Financial Times», dem «Sydney Morning Herald», dem «Australian», der «Canberra Times», dem «Telegraph», der «New York Times», der «Washington Post», der Thomson Reuters Foundation und Newsweek zur Veröffentlichung angeboten.
Keiner reagierte positiv.
(Übersetzung Zeit-Fragen)
Sehen Sie auch: https://medium.com/@mariedavoise/response-to-un-special-rapporteurs-op-ed-onjulian-assange-e911e0684182
und https://medium.com/@njmelzer/response-to-open-letter-of-1-july-2019-7222083dafc8
London
Charismatisch und ein Kämpfer für die Gerechtigkeit oder ein gefährlicher Egomane? An Julian Assange scheiden sich die Geister. Jetzt wurde der Wikileaks-Gründer nach sieben Jahren in der Botschaft Ecuadors festgenommen. Das Land hatte ihm das Asyl entzogen. Nun droht Assange eine Auslieferung an die USA. Die Presse kommentiert den Fall kontrovers:
„Süddeutsche Zeitung“: Kein Held, aber er verdient Milde
„Man darf ihm einen milden Richter wünschen, der berücksichtigt, dass Assanges Intention – Aufklärung von Schwerverbrechen – gut war. Und dass er in den vergangenen Jahren für seine Handlungen bereits einen hohen Preis zahlen musste. Wer kein Ritter ist, muss nicht unbedingt Schurke sein.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: Der Westen muss sich schämen
Mutiger Aufklärer oder krimineller Verräter? Julian Assange gehört klar in die erste Kategorie. Für die Art des Umgangs mit ihm muss der Westen sich schämen.
Tausende Dokumente über Vergehen des US-Militärs im Irak und in Afghanistan, über Kriegsverbrechen, Folter, Beschuss von Zivilisten und Guantánamo wären ohne Assanges Internetplattform Wikileaks im Dunkeln geblieben. Sieben Jahre nach seiner Flucht wird Assange nun unter einem erneuten Vorwand der Justiz übergeben.
Will Deutschland glaubwürdig bleiben, muss es sich vor ihn stellen. In der EU auf den gesetzlichen Schutz von Whistleblowern zu dringen, aber zugleich einem Weltstar der Szene nicht zur Seite zu stehen wäre unglaubwürdig und schäbig.
„Badische Zeitung“ (Freiburg): Ein Eiferer, der sich verrannt hat
Angeblich erwartet Assange in London kein faires Verfahren, angeblich lauert in der USA Willkür pur, angeblich handelt es sich selbst beim Vorwurf des sexuellen Missbrauchs nur um eine hässliche Lüge. Man ahnt, in Assanges Sicht ist alle Welt des Teufels, nur einer nicht. Es ist die Sicht eines Eiferers, der sich verrannt hat. Fast schon tragisch: Assange erweist damit auch der wichtigen Arbeit von Whistleblowern einen Bärendienst.
„Der Standard“ (Österreich): Assange verdient Fairness, aber keine Bewunderung
„Ob Assange in den USA einen fairen Prozess nach europäischen Maßstäben erwarten kann, ist zumindest fraglich. Zu groß ist die seit Jahren aufgestaute Wut über die peinlichen Enthüllungen durch Wikileaks. Das hat die Whistleblowerin Chelsea Manning, die ihm einst als US-Soldatin die Dokumente über den Irak geliefert hat, durch ihre jahrelange Haft zu spüren bekommen. Und auch wenn die Vorwürfe der US-Justiz gegen Assange derzeit limitiert sind, wäre eine Verurteilung des Wikileaks-Gründers auch ein Schlag gegen die Pressefreiheit. Aber Assange ist nicht die Lichtgestalt, als die ihn viele darstellen, sondern Teil jener Kräfte, die heute an der Zerstörung der liberalen Demokratie arbeiten. Er verdient Fairness, aber keine Bewunderung.“
„Badische Neueste Nachrichten“ (Karlsruhe): Heute sind Enthüllungen auf allen Ebenen keine Heldentaten mehr
Als Wikileaks gestartet waren, bedurfte es noch schillernder Ritter, die medienwirksam die Windmühlen der angeblich verbrecherischen Staaten angriffen und ordentlich Wind in der Öffentlichkeit machten.
Heute sind Enthüllungen auf allen Ebenen eher keine Heldentaten mehr, sondern fast schon Massenware, an die sich viele gewöhnt haben. Dennoch gebührt Julian Assange Anerkennung, gemeinsam mit anderen diesen Mechanismus in Gang gesetzt zu haben.
Wikileaks-Gründer Assange in London festgenommen
Man muss den bisweilen selbstverliebt wirkenden Hacker nicht für eine Lichtgestalt halten. Trotz all seiner Widersprüche und Allüren hat er dennoch dazu beigetragen, Missbrauch und Exzesse in der Politik bloßzustellen. Dadurch haben die Whistleblower um Assange die Welt ein Stück besser gemacht. Wenn die britischen Richter dies und die Umstände der elenden siebenjährigen Selbstisolation des Australiers gegen seine Rechtsverletzungen abwägen, sollten sie Milde walten lassen.
„Nürnberger Nachrichten“: Festnahme markiert einen dunklen Moment
Assange wird wohl in die USA ausgeliefert werden. Laut Auslieferungsgesuch der USA wird ihm nur noch Verschwörung vorgeworfen, nicht mehr Hochverrat. Es droht damit weder lebenslange Haft noch Todesstrafe. Für alle, die es für wichtig halten, dass dubiose Vorgänge durch Whistleblower an die Öffentlichkeit gelangen, markiert Assanges Festnahme dennoch einen dunklen Moment.
„Nordwest-Zeitung“ (Oldenburg): Assange hat einer Wahrheit ans Licht geholfen
„Man muss nicht zu den Bewunderern des enigmatischen Wikileaks-Gründers gehören, um sich über die konzertierte Aktion der USA, Großbritanniens und Ecuadors zu empören. Die britische Premierministerin Theresa May doziert, niemand stehe über dem Gesetz. Ein merkwürdiger Satz, denn dass Ecuador Assange so lange Asyl gewährt hat, war ja nicht illegal. Gegenüber diesen Ränkespielen strahlen die Verdienste Assanges umso heller. Die Enthüllungen der Plattform haben den Blick vor allem auf den Krieg der US-Streitkräfte in Afghanistan verändert. Der Grund, warum sich der Australier so mächtige Feinde gemacht hat, ist nach wie vor ehrenwert: Er hat einer Wahrheit ans Licht geholfen.“
„taz“ (Berlin): Es trifft in dieser Sache den Falschen
„Was Wikileaks geleistet hat, trug wesentlich zur Aufklärung der Öffentlichkeit bei. Genau die gleiche Öffentlichkeit allerdings, die es nicht vermochte, politische Konsequenzen zu erzwingen. Dennoch: Es gibt Informationen, die zu veröffentlichen auch Regelbrüche rechtfertigt. Dafür gehört Julian Assange nicht ins Gefängnis, genauso wenig, wie Chelsea Manning je hätte einsitzen dürfen. Aber ein glaubwürdiger Vorreiter für Transparenz und für die demokratische Kontrolle der Macht ist der Selbstdarsteller Julian Assange ganz sicher nicht oder nicht mehr.“
USA-Iran: Makabrer Tanz am Rande des Abgrunds
12.7.2019
Weder Trump noch Iran wollen einen heißen Krieg. Nicht nur die Weltwirtschaft, und damit auch die US-Wirtschaft, würden durch den Krieg schwer belastet werden, sondern das ohnehin wackelige, westliche Finanzsystem würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine zweite, noch schwerere Krise als 2008 stürzen. Das wäre Trumps Krieg und damit wären seine Aussichten auf eine Wiederwahl verpufft. Zudem hatte Trump seinen Wählern versprochen, die USA aus den Verstrickungen der Kriege im Mittleren Osten herauszulösen. Mit einem neuen Krieg gegen Iran würde er nicht nur das Gegenteil tun, sondern sein Land in einen noch viel größeren Sumpf führen, der tiefer ist als Irak und Afghanistan zusammen.
Was Iran betrifft, so will dort niemand Krieg. Das Land will unbehindert von den USA mit der Welt Handel treiben und Wachstum und Wohlstand für seine 80 Millionen Menschen mehren. Im Unterschied zu den USA, das seit seiner Gründung vor 238 Jahren mehr als 200 Kriege gegen Nachbarn und ferne Länder geführt hat, hat der Iran in dieser Zeit kein einziges Land überfallen.
Aber der Chef der rassistischen, rechtsradikalen israelischen Regierung, Netanjahu hat seinen Wunsch nach einem Krieg gegen den Iran wiederholt bekräftig. Den Krieg sollen jedoch die USA für ihn führen und Israel will sich zurückhalten. Damit hat er sogar Aussichten auf Erfolg, angesichts der mächtigen zionistischen Lobby in Politik und Medien im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In den USA existiert seit langem das geflügelte Wort, dass „außer der Westbank in Palästina auch der US-Kongreß ein von Israel besetztes Gebiet ist“.
Auch die neuen arabischen Verbündeten von Israel, Saudi Arabien und die anderen Feudalstaaten am Persischen Golf, die im schiitischen Iran ihren Erbfeind sehen, wollen Trump in einen Schießkrieg gegen Teheran locken. Unterstützt werden sie dabei von führenden Leuten aus Trumps eigenem Regierungsapparat, Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton vornweg.
Diese unheilige Allianz von Israel, Saudi Arabien und Consorten, zusammen mit den Kriegstreibern in Washington wäre sicher dazu im Stande, wenn alle anderen Mittel versagen, mit eine Angriff unter „Falscher Flagge“ den ersehnten Kriegsgrund zu liefern. Wenn dabei auch noch US-Soldaten sterben würden, dann könnte Trump es sich nicht leisten, im bereits begonnenen Wahlkampf für eine zweite Amtsperiode wie ein Weichei auszusehen. Dann gäbe es für nur noch einen Ausweg: KRIEG.
Aber auch Iran ist durchaus imstande, den Krieg zu beginnen, aber nur wenn es von den USA existenzbedrohend in die Ecke gedrängt wird. Iran hat klar gemacht, dass es nicht auf Dauer das Embargo seiner Öl-Exporte hinnehmen will. Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte bereits im vergangenen Jahr mit Nachdruck gewarnt: „Wenn wir unser Öl nicht exportieren können, dann soll das auch kein anderes Land im Persischen Golf tun“. Diese Warnung wurde seither von politischen und militärischen Spitzenvertretern in Teheran immer wieder bekräftigt. Aber diese Botschaft scheint Trumps Ohren bisher nicht erreicht zu haben.
Trump scheint weiterhin zufrieden mit der Entwicklung. Er glaubt, warten zu können und hofft, dass die Wirtschaftssanktionen den Iran in den nächsten 15 Monaten bis zur US-Präsidentschaftswahl immer weiter in die existenzielle Krise treiben. Dann würde er – ohne Krieg geführt zu haben – toll vor seinen Wählern dastehen.
Aber solange will und wird Iran höchstwahrscheinlich nicht warten. Iran hat eine starke Trumpf-Karte in der Hand: die Straße von Hormus. Durch diese Meerenge werden etwa ein Drittel der Welterdölexporte verschifft. Ein Wegfall dieser Menge würde zu Chaos auf den Weltenergiemärkten führen.
Den Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus zu blockieren und die Blockade aufrecht zu halten, dürfte keine allzu große Anforderungen an die Fähigkeiten des iranischen Militärs stellen. Mit ziemlicher Sicherheit müsste Trump darauf militärisch reagieren und der Krieg, den er so gar nicht will, wäre unausweichlich.
Aber es scheint, als ob die unheilige Allianz von Bolton, Pompeo, Netanjahu und dem saudischen Killer-Prinz das Tempo zum Krieg beschleunigen wollen. Dazu haben sie jetzt den Weg zur Piraterie auf hoher See gegen iranische Schiffe und anders beflaggte Schiffe mit iranischem Öl frei beschritten.
Befehlen aus Washington folgend, kaperten vor wenigen Tagen britische Marinesoldaten in einer Piratenaktion den mit 300.000 Tonnen Öl beladenen iranischen Supertanker „Grace 1“ in internationalen Gewässern vor Gibraltar. Als Begründung gab London an, der Bestimmungsort für das iranische Öl sei Syrien gewesen und beruft sich auf die EU-Sanktionen gegen das Land.
Großbritannien hat für diese Aktion jedoch absolut keine Rechtsgrundlage. Selbst der frühere schwedische Premierminister Carl Bildt, der bei der Vorbereitung des US/NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien eng mit den USA und der CIA zusammen gearbeitet hatte, also ein Freund der USA, findet das Verhalten der Briten durch nichts gerechtfertigt, wie seine nachfolgende Twitter-Nachricht zeigt:
„Carl Bildt @carlbildt – 9:24 PM – 7 Jul 2019″
Die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme eines Tankers durch Großbritannien, der mit Öl aus dem Iran nach Syrien fährt, fasziniert mich. Man (also London) bezieht sich auf EU-Sanktionen gegen Syrien, aber der Iran ist kein Mitglied der EU. Und die EU besteht grundsätzlich nicht darauf, dass ihre Sanktionen auch von anderen Ländern befolgt werden müssen. Das tun nur die USA.“
Zu Recht hat der stellvertretende iranische Außenminister Abbas Araqchi das britische Vorgehen denn auch als einen Akt der „Piraterie“ bezeichnet. Außerdem verwies er darauf, dass der Tanker gar nicht für Syrien bestimmt war. Sein Ziel sei „ein neuer, südeuropäischer Kunde“ für iranisches Öl. Wahrscheinlich Italien.
Inzwischen hat eine maritime Recherche gezeigt, dass die „Grace 1“ mit einem Tiefgang von 22 Metern tatsächlich nirgendwo in Syrien ihre Fracht hätte entladen können. Derweil hat der iranische Verteidigungsminister, Brigadegeneral Amir Hatami, den Briten versprochen, auf ihre Piraterie angemessen zu reagieren.
Am Dienstag dieser Woche kam dann die Meldung, dass auch die ägyptische Militärdiktatur auf „Wunsch“ der US-Amerikaner einen mit iranischem Öl beladenen aber nicht iranisch beflaggten Tanker gestoppt und die Ladung beschlagnahmt hat.
Das alles sieht ganz nach der Handschrift des B-Teams Bolton und Pompeo aus.
Der ehemalige Chef der CIA, Pompeo, brüstet sich heute noch gerne in der Öffentlichkeit mit seinen kriminellen Methoden: „Wie haben gelogen, betrogen und gestohlen, ha, ha, ha“, lachte Pompeo unlängst, als er Studenten an einer Universität in Texas aus seinem Leben als Direktor der CIA-Folter-Agency erzählte.
Berichten zufolge ist das B-Team tatsächlich dabei, eine internationale „Koalition der Willigen“ zusammenzustellen, die überall auf den Meeren Jagd auf Schiffe mit iranischem Öl machen soll.
Zugleich ist zu erwarten, dass Iran die britische und ägyptische Provokationen nicht einfach hinnimmt. Aber sehr wahrscheinlich werden die iranischen Reaktionen asymmetrisch ausfallen. Man kann nur spekulieren. Die Briten haben z.B. viele Investitionen in der Golf-Region, die lohnenswerte Ziele für einen Vergeltungsschlag darstellen könnten. Und die Militärdiktatur in Kairo würde es höchst ungern sehen, wenn z.B. ihre Hubschrauber, die Jagd auf Regimegegner machen, von schultergestützten Flugabwehrraketen iranischer Herkunft abgeschossen würden.
Insgesamt können wir erkennen, dass die US-Kriegstreiber im Verein mit Israel und Saudi Arabien und Co. weiterhin die Initiative haben, dass es ihnen gelingt, die Krise weiter zuzuspitzen und den gesamten Mittleren Osten auf der glatten, schiefen Ebene in Richtung Absturz zu treiben. Es ist ein makabrer Tanz am Rande des Abgrunds, der große Teile der zivilisierten Welt verschlingen kann.
Mittwoch, 10. Juli 2019
Samstag, 6. Juli 2019
Das Dollar-Imperium
Jul 02, 2019 09:39 Europe/Berlin
Mit der Dominanz ihrer Währung und brutaler Gewalt führen die USA die Welt am Gängelband.
von Mohssen Massarrat
Je weiter man zurückblickt und die weltpolitischen Ereignisse einzuordnen versucht, desto klarer erkennt man den roten Faden, der sich durch sämtliche, beinahe epochalen US-Kriege in den letzten drei Jahrzehnten zieht. Dabei sind zwei sich ergänzende Ziele offensichtlich: Erstens die Zerschlagung von großen Staaten wie Jugoslawien, die sich auf dem Eurasischen Korridor mit Russland verbünden könnten. Und zweitens Regime change und/oder Zerschlagung von großen Staaten mit bedeutenden Ölvorkommen, die zur echten Gefahr für die Stellung des Dollars als Weltwährung werden könnten.
Nie zuvor ist der Weltöffentlichkeit so übel aufgestoßen, welchen wirkungsmächtigen Hebel der Dollar als Weltgeld für die einzig verbliebene Supermacht darstellt, um den Rest der Welt durch Wirtschaftssanktionen in die Knie zwingen zu können. Wenn USPräsident Donald Trump nun immer stärker einen Staat nach dem anderen, von Russland über China, Venezuela, Iran bis Mexiko, bei Androhung von Wirtschaftssanktionen, mit Zöllen überzieht und versucht, die US-Ökonomie zusätzlich — natürlich nur kurzfristig — anzukurbeln, dann kann er dies dank des Dollars und der kompletten Kontrolle des internationalen Banken- und Finanzsystems.
Worin liegen aber die Wurzeln der Macht des Dollars, die tatsächlich einen neuartigen Imperialismus hervorgerufen hat? Und was folgt daraus perspektivisch für eine Weltordnung ohne USHegemonie?
Dollarimperialismus
Jeder Ökonom weiß, dass kein Staat seine Haushaltsdefizite auf Dauer durch Staatsverschuldung abbauen kann. Dieser Weisheit widersprach jedoch Theo Weigel, der Finanzminister der CDU/FDPRegierung unter Helmut Kohl, als er behauptete: Die USA würden — im Gegensatz zu Japan — damit sehr gut fahren und ihre Wirtschaft sei mit 3 Prozent Wachstum stabil. Doch Weigel unterschlug — ob absichtlich oder aus Unkenntnis — die Sonderrolle der USA. Als einzige Ökonomie der Welt müssen sie ihre Staatsschulden praktisch nie zurückzahlen. Denn durch die Vergabe von Staatsanleihen verfügen Amerikas Regierungen mit dem Federal Reserve System, der FED als US-Notenbank, über eine Geldquelle, mit der sie sowohl ihre Haushaltsdefizite als auch die USLeistungsbilanzdefizite finanzieren.
Das bedeutet konkret: Zur Finanzierung laufender Staatsausgaben tauscht das US-Finanzministerium Staatsanleihen bei der FED gegen frisch gedruckte Dollar um. Die FED wiederum verkauft diese Staatsanleihen auf dem Weltmarkt und gleicht so durch ständig neues Kapital die Leistungsbilanzdefizite aus. Der Preis für diese Geldschöpfungspolitik ist eine unermessliche Staatsverschuldung.
Um die alten Anleihen samt Renditen bei Fälligkeit zu bedienen, geben Amerikas Regierungen einfach neue Staatsanleihen aus, die sie — gegen frisches Geld bei der FED eingetauscht — erneut in Umlauf bringen. Auf diese Weise entsteht zwar eine Dollarinflation, die jedoch in den gesamten Globus und zu Lasten aller Dollarbesitzer exportiert wird. Dieser Prozess kann beliebig fortgesetzt werden, solange Kapitalanleger aus der ganzen Welt trotz Dollarinflation auf US-Staatsanleihen als sichere und profitable Investitionsanlage vertrauen.
Dieser weitestgehend verborgene Dollarkreislauf — Investitionen in US-Staatsanleihen, steigende Nachfrage nach Dollar, Geldschöpfung durch die FED — sorgt dafür, dass das Vertrauen in US-Staatsanleihen erhalten bleibt und ständig Kapital in die US-Ökonomie fließt.
Kein Wunder, dass eine unter großen Handelsbilanzdefiziten leidende Ökonomie keinen Staatsbankrott befürchten muss. In der Kapitalbilanz schlägt sich die Auslandsverschuldung als Kapitalimportüberschuss nieder.
Von 2000 bis einschließlich 2016 stieg die Auslandsverschuldung der USA von 5.628,7 Mrd. US-Dollar auf die astronomische Summe von 19.918,7 Mrd. Dollar und lag im Jahr 2018 bei nahezu 21.500 Mrd. Dollar. Dieses zusätzliche Kapital stammt aus realen Wirtschaftsleistungen der ganzen Welt, während sich die USA darauf beschränkten, neues Geld zu drucken und in Umlauf zu bringen. Das Gesamtvolumen der ausstehenden US-Staatsanleihen betrug im September 2018 über 12.002 Mrd. US-Dollar.
Weltumspannende Gewalt anstelle des Völkerrechts
Doch diese privilegierte Position der USA setzt voraus, dass der Dollar sein Monopol als Leitwährung beim internationalen Ölhandel behält. Klammheimlich trat der Ölhandel an die Stelle des Gold gedeckten Dollars, da das Öl zu der wichtigsten Einzelware im Welthandel aufstieg. Zudem erhöht die steigende Nachfrage nach Öl die Nachfrage nach Dollar und sorgt damit gleichzeitig und automatisch für dessen Stabilität. Beruhte die Goldbindung des Dollars im Bretton-Woods-System immerhin auf völkerrechtlichen Regeln, so konnte sich die US-Regierung der völkerrechtlichen Fesseln nach dem Zusammenbruch dieses Systems in 1973/74 gänzlich entledigen.
Anstelle des Völkerrechts trat fortan die weltumspannende Gewalt, die sich durch den raschen Ausbau und die Errichtung von über 800 Militärbasen auf dem Globus umfänglich manifestierte. Denn der Ölhandel in Dollar ist dauerhaft nur möglich, sofern die USA es schaffen, sämtliche Ölstaaten des Mittleren Ostens und darüber hinaus unter ihre totale Kontrolle zu stellen und auch zu halten (1).
Das erklärt die US-Kriege im Mittleren Osten und nach meiner Einschätzung auch das Ziel der US-Neokonservativen, ihr GreaterMiddle-East-Project zu verwirklichen:
An die Stelle starker Staaten sollen möglichst viele, aber schwache Ölstaaten treten, die sich in den nächsten Dekaden des US-Diktats nicht werden erwehren können.
Somit schließt sich ein Kreis aus US-amerikanischer Staatsverschuldung zur Finanzierung der gigantischen Rüstungsausgaben, dem Zufluss eines beträchtlichen Teils der Wirtschaftsleistung aus der ganzen Welt durch das Instrument des Dollar-Imperialismus und der kriegerischen Umwälzung des Mittleren Ostens, die die Nachfrage für Rüstungsgüter aufrechterhält.
Der Dollar-Imperialismus erstreckt sich auch auf andere Felder der US-Hegemonie. Um ihre Interessen durchzusetzen, verhängen die US-Regierungen zunehmend Wirtschaftssanktionen als Hebel politischer Macht. So haben sie beispielsweise Russland angesichts des Ukraine-Konflikts mit umfassenden Sanktionen belegt.
Noch dramatischer sind die Wirtschaftssanktionen gegen Iran angesichts von Trumps Ausstiegs aus dem Iran-Atomabkommen. US-Wirtschaftssanktionen sind deshalb so wirkungsvoll, weil über 80 Prozent des Welthandels in Dollar abgewickelt wird. Und der Dollar hat daher nachweislich die gegenwärtige beinahe unerschütterliche Monopolposition inne, weil der gesamte Ölhandel auf dem Weltmarkt an diese Währung gekoppelt ist.
Zur Ironie der Geschichte gehört, dass die Welt für die Kosten dieser imperialistischen Politik der USA aufkommen muss.
Erstens werden Millionen Menschen getötet oder aus ihren Dörfern und Städten vertrieben, denn die Welt muss in Chaos und permanenten Kriegszuständen gehalten werden, damit der militärisch-industrielle Komplex der USA fortbestehen kann. Zweitens werden ganze Ölstaaten in Geiselhaft genommen, damit die USA weiterhin an ihrem Monopol an der Weltwährung festhalten können. Drittens werden Ölstaaten wie Venezuela oder Iran, deren Öl eine Machtquelle für den Dollar darstellt, dank der Macht des Dollars ständig mit Wirtschaftssanktionen bestraft.
Gelänge es einem Bündnis von US-kritischen Ölstaaten, sich für die Abwicklung ihrer Ölexporte in Euro oder in Renminbi zu entscheiden, würde die wichtigste Machtsäule der USA wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Dies ist der Hauptgrund für Regime Changes in den missliebigen Ölstaaten oder gar für deren Zerschlagung. So geschah es mit dem militärisch starken Irak unter Saddam Hussein, so geschah es auch mit Gadaffis Herrschaft und dem libyschen Staat.
Vor unseren Augen betreiben die USA gegenwärtig zielstrebig und unverhohlen einen Regime Change in Venezuela und sind dabei, die Weltgemeinschaft systematisch und mit allen propagandistischen Mitteln auf einen heißen Krieg gegen Iran einzustimmen. Darum wird es höchste Zeit, dass das US-Monopol auf die Weltwährung endlich durch Euro und Renminbi, also die Weltwährungen der anderen beiden Welthandelsmächte EU und China, aufgehoben wird. Dadurch entstünde eine drastische Entwertung der USStaatsanleihen und demzufolge eine ebenso drastische Abschwächung der US-Hegemonialpolitik.
Der Hauptprofiteur des amerikanischen Dollarimperialismus ist neben dem US-Finanz- und Energiesektor der USmilitärindustrielle Komplex. Im Falle Iran geht es nicht nur um Regime Change, sondern auch um die Zersplitterung des Landes. Davon profitieren auch Israel und Saudi Arabien, weshalb diese bereit sind, einen US-Krieg gegen Iran politisch, finanziell und logistisch uneingeschränkt zu unterstützen. Israels Stärke beruht auf dessen Monopol als einziger Atommacht in der Region und der Schwäche der arabisch-islamischen Staaten durch ihre Zersplitterung. Saudi Arabien würde bei einer Zerstückelung Irans auf Dauer zur regionalen Supermacht aufsteigen. http://parstoday.com/de/news/world-i47936-das_dollar_imperium
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