Freitag, 3. Januar 2020

HYPERSCHALLWAFFEN

Aus: Ausgabe vom 02.01.2020, Seite 3 / Schwerpunkt
HYPERSCHALLWAFFEN

Historisch einzigartig

Dokumentiert: Die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem Kollegium des Verteidigungsministeriums in Moskau am 24. Dezember 2019
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»Arbeit nach Plan«: Putin während seiner Rede in Moskau, links im Bild Verteidigungsminister Sergej Schoigu
Auszug aus der Rede des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu auf der Sitzung des Kollegiums seines Ministeriums am 24. Dezember 2019:
Am 24. Dezember 2019 traf sich der russische Präsident Wladimir Putin wie in den vergangenen Jahren in Moskau mit dem Kollegium des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation. Er sprach dort einleitend und ergriff nach einer ­Rede von Verteidigungsminister Sergej Schoigu noch einmal das Wort. Wir dokumentieren diese Ansprache:
Zum Abschluss möchte ich einige Worte zu Fragen sagen, die nicht direkt mit dem zu tun haben, worüber wir heute sprachen, andererseits aber in gewisser Weise einen Bezug dazu haben.
Ich beginne mit Geschichte. Unlängst haben Sie wahrscheinlich bemerkt, dass ich mich mit meinen Kollegen, den leitenden Persönlichkeiten der GUS-Staaten getroffen habe, d. h. jener Staaten, die vor nicht langer Zeit zu unserer gemeinsamen Heimat gehörten, unserem gemeinsamen Staat, der Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg widerstand und im Großen Vaterländischen Krieg siegte.
Ich sprach dort darüber, dass in einigen Ländern, bei unseren Nachbarn in Europa und sogar jenseits des Ozeans, oft versucht wird, die Geschichte zu verdrehen, dass man sich irgendwelche unglaublichen Szenarien ausdenkt, wie sich die Situation in der Welt und in Europa vor Beginn des Zweiten Weltkrieges entwickelt hat. Und wie eine logische Schlussfolgerung aus diesem Prozess haben die Kollegen in Europa, das Europaparlament, eine Resolution angenommen, die faktisch Hitler-Deutschland und die Sowjetunion auf eine Stufe stellt, indem sie unterstellte oder direkt sagte, dass auch die Sowjetunion für den Beginn des Zweiten Weltkrieges verantwortlich ist. Das ist natürlich völliger Unsinn.
Ich hatte meine Kollegen gebeten, mir einige Materialien aus Archiven zukommen zu lassen, und hatte den zeitlichen Aufwand nicht gescheut, sie mir anzuschauen. Ich habe eine unvollständige Liste dieser Dokumente für die Kollegen zusammengestellt, die heute hier sind, und für die Führungspersönlichkeiten der GUS-Staaten. Ich sagte damals bereits, dass uns keine Zeit bleibe, um angemessen darüber zu sprechen, und auch heute ist hierzu nicht der Ort. Ungeachtet dessen werde ich einige Worte dazu sagen. Später werde ich, wie Sie vielleicht erfahren haben, den versprochenen Artikel schreiben.

Hitler und Polen 1938

Die UdSSR war das letzte Land in Europa, das einen Nichtangriffspakt mit Deutschland unterzeichnet hat. Das letzte! Alle anderen führenden europäischen Länder taten das vor der UdSSR. Ja, der Molotow-Ribbentrop-Pakt – lassen Sie mich daran erinnern, dass Ribbentrop Außenminister Deutschlands war und Molotow damals gleichzeitig Außenminister und Vorsitzender des Ministerrates – wurde unterzeichnet, und es gab auch einen geheimen sogenannten Vertrag über die Aufteilung der Einflusssphären. Und womit befassten sich die europäischen Staaten bis dahin? Genau damit. Sie alle haben dasselbe getan. Beginnend 1938, als Hitler seine Ansprüche auf einen Teil der Tschechoslowakei erhob, kehrten Großbritannien und Frankreich ihrem Verbündeten den Rücken, obwohl Frankreich einen Beistandsvertrag mit der Tschechoslowakei hatte. Das gab Hitler die Möglichkeit, einen Teil des Landes zu besetzen.
Aber was taten die anderen Länder, z. B. Polen? Faktisch verabredeten sie sich mit Hitler. Das ist aus den Archivdokumenten ersichtlich. Eine weitere Frage wäre, ob es dabei geheime Zusätze gab oder nicht – aber das spielt keine Rolle. Wichtig ist, wie sie gehandelt haben, und sie handelten exakt gemäß der Verabredung. Wie sie verhandelten, das besagen die Dokumente. Auf der sogenannten Münchner Konferenz vertrat Hitler direkt die Interessen Polens und zum Teil Ungarns. Er vertrat direkt ihre Interessen und sagte danach noch den Polen: »Sie wissen, es war schwer, Ihre Interessen zu verteidigen.« Wir haben all das in Dokumenten. Gott sei Dank besitzen wir genügend Archivdokumente, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg als Trophäen aus europäischen Ländern erhalten haben.
Aber das ist schon in Ordnung. Was mich, offen gesagt, getroffen hat, das war die Art und Weise, in der Hitler und offizielle Vertreter des damaligen Polens die sogenannte europäische Frage diskutierten. Hitler teilte dem Außenminister und später dem Botschafter Polens in Deutschland mit, direkt gesagt, dass er die Idee habe, die Juden nach Afrika zu schicken, in die Kolonien. Stellen Sie sich vor, im Jahr 1938, die Juden aus Europa nach Afrika zu schicken. Zum Aussterben. Zur Vernichtung. Und was antwortete ihm der Botschafter Polens, was schrieb er danach auf seinem dienstlichen Briefpapier an den Außenminister Polens, Herrn Beck: »Als ich das hörte«, schrieb er, »antwortete ich ihm« – antwortete er dem Führer, Hitler – »wenn er das tut, werden wir für ihn in Warschau ein großartiges Denkmal errichten.« Ein Lump, ein antisemitisches Schwein – anders lässt sich das nicht sagen. Er solidarisierte sich völlig mit Hitlers antijüdischer, antisemitischer Haltung und versprach darüber hinaus, ihm für die Verfolgung des jüdischen Volkes in Warschau ein Denkmal zu errichten. Und schreibt dies seinem Vorgesetzten, dem Außenminister, offensichtlich in der Hoffnung auf Anerkennung. Sonst hätte er das einfach nicht geschrieben.
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Nachfolger von damals
Ich werde jetzt nicht tiefer in die Details gehen, aber ich möchte auf jeden Fall noch einmal unterstreichen: Wir verfügen über genug Material, um niemandem zu gestatten, das Andenken unserer Väter, unserer Großväter, all jener, die ihr Leben auf den Altar des Sieges über den Nazismus legten, zu beschmutzen.
Ich möchte nur bemerken, dass es genau diese Leute, die damals Gespräche mit Hitler führten, dass es gerade diese Art von Leuten ist, die heute die Denkmäler der Befreiungssoldaten abreißt, der Soldaten der Roten Armee, welche die Länder Europas und die europäischen Völker vom Nazismus befreiten. Das sind ihre Nachfolger. Da hat sich leider wenig geändert. Und wir alle müssen das im Blick haben, auch im Hinblick auf den Aufbau unserer Streitkräfte.
In dieser Hinsicht möchte ich noch etwas sagen, was nach meiner Auffassung außerordentlich wichtig ist. Beachten Sie: Weder die Sowjetunion noch Russland strebten je danach, Bedrohungen für andere Länder zu schaffen. Wir holten stets auf und nach. Die USA schufen die Atombombe, und die Sowjetunion holte nur auf. Trägermittel, Träger der Atomwaffen hatten wir ebenfalls nicht, es gab keine strategische Luftwaffe. Die Sowjetunion holte auf. Die ersten Interkontinentalraketen wurden de facto nicht bei uns gebaut, die Sowjetunion holte auf.

Hyperschallwaffen

Am heutigen Tag haben wir eine einzigartige Situation in unserer neuen und neusten Geschichte: Wir haben die anderen hinter uns gelassen. In keinem anderen Land gibt es überhaupt Hyperschallwaffen, um so mehr gilt das für Hyperschallwaffen mit kontinentaler Reichweite. Wir verfügen in der Truppe bereits über den luftgestützten Hyperschallkomplex »Kinshal« (Dolch, jW), und dort stehen auch schon die Laserkampfsysteme »Pereswet«.
Der Minister hat uns vorhin in seiner Rede mitgeteilt, dass wir begonnen haben, das erste Regiment der Strategischen Raketenstreitkräfte mit dem neusten Hyperschallkomplex interkontinentaler Reichweite »Awangard« auszurüsten. Die Arbeiten an anderen Systemen verlaufen nach Plan: Das betrifft die ballistische Interkontinentalrakete mit erhöhter Sprengkraft »Sarmat«; die Hyperschallrakete »Zirkon« – land- und seegestützt; den unbemannten Unterwasserapparat »Poseidon« mit interkontinentaler Reichweite; den Marschflugkörper »Burewestnik« mit globaler Reichweite und atomarer Bewaffnung.
Zur Bewaffnung gehören auch andere Komplexe, eingeschlossen jene, die gut erprobt sind und ihre Kampftaufe unter verschiedenen Bedingungen erhalten haben, auch unter Kampfbedingungen in Syrien, wie die Marschflugkörper »Kalibr«.
Es gibt noch andere Ausrüstungen. Über sie wird weniger gesprochen, aber es gibt sie, die Armee verfügt über sie und verwendet sie.
Dazu möchte ich noch folgendes sagen: Ungeachtet dessen, dass wir erheblich weniger Geld als andere Länder der Welt aufwenden – wir stehen im Moment auf dem siebten Platz, sagte der Minister, und könnten sogar auf Platz neun rutschen –, bedeutet das nicht, dass wir bereit sind, unsere Kampfbereitschaft zu senken. Nein. Alles, was wir tun, ist Arbeit nach Plan.
Bei einem unserer Treffen sagte ich bewusst etwas – vielleicht erinnern sich einige von Ihnen daran –, was ich gern wiederholen möchte. Ich sagte es nicht zufällig, ich sagte es, weil es unseren Wettbewerbsvorteil zum Ausdruck bringt und es dabei um das von uns benötigte Niveau der Verteidigungsfähigkeit Rußlands geht. Was genau können, müssen und werden wir tun, um vorwärtszukommen? Ich sagte damals wörtlich: durch Köpfe, durch Intellekt, bessere Arbeitsorganisation, Minimierung von Diebstahl und Nachlässigkeit, durch Konzentration der Anstrengungen auf grundlegende, auf Hauptfelder, die uns ein hohes Niveau der Verteidigungsfähigkeit des Staates sichern.
Ich bitte Sie, in diesem Sinne an die Arbeit zu gehen – auch im bevorstehenden Jahr 2020. Ich gratuliere Ihnen zum Neuen Jahr! Ich wünsche Ihnen Erfolg. Danke.
Nach dem stenographischen Protokoll der Ansprache aus dem Russischen übersetzt von Arnold Schölzel. Originaltext: kremlin.ru/events/president/transcripts/by-date/24.12.2019