Samstag, 15. August 2020

US-Truppenabzug aus Deutschland: Die Truppen sollen näher an Russlands Grenze verlegt werden

Der Abzug der US-Soldaten aus Deutschland ist keineswegs eine gute Nachricht für die Sicherheit in Europa, denn ein Teil dieser Truppen soll näher an die russische Grenze verlegt werden. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen die Nato-Russland-Akte, sondern provoziert auch militärische Reaktionen von Seiten Russlands. Für die Sicherheit in Europa ist das keine gute Nachricht.
In der Nato-Russland-Akte hat die Nato Russland vor über 20 Jahren zugesagt, keine zusätzlichen Truppen auf dem Gebiet der neuen Nato-Mitglieder in Osteuropa zu stationieren. Leider nimmt die Nato es mit geschlossenen Verträgen nicht allzu genau, wie die Stationierung von Nato-Truppen im Baltikum, sowie die Stationierung von US-Truppen (inklusive US-Raketenabwehr) in Polen und Rumänien zeigen. Nun sollen zusätzliche – bisher in Deutschland stationierte – US-Truppen dort stationiert werden.
Das hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharova, zu einer sehr deutlichen offiziellen russischen Erklärung veranlasst, die ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Nach der angekündigten Entscheidung des Pentagons, seine Militärpräsenz in Polen und den baltischen Ländern zu verstärken, gaben hochrangige Vertreter des US-Kommandos Erklärungen über US-Pläne ab, einen Teil der aus Deutschland abgezogenen Einheiten in Rumänien zu stationieren. Washington macht keinen Hehl daraus, dass diese Aktivitäten Teil der Bemühungen sind, die so genannte Nord-Süd-Achse von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zu stärken, die zu einer Linie der „Abschreckung“ Russlands werden soll. Rumänien gilt als wichtiges Sprungbrett für die Projizierung von Macht in die Schwarzmeerregion.
Der klare Trend zur systematischen Ausweitung der US-NATO-Gruppen in der sogenannten „Frontzone“, wie die Terminologie des Bündnisses die westlichen Grenzen Russlands bezeichnet, ist offensichtlich. So viel zu der Frage, was wirklich vor sich geht, es geht nicht um ausgedachte Geschichten über eine russische Einmischung. Das ist der Alltag der heutigen amerikanischen Politik. Im Moment sprechen wir über das auf Dauer angelegte Erscheinen erheblicher Kontingente der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in Osteuropa, also dort, wo es sie noch nie gegeben hat. Die Tatsache, dass eine solche Präsenz kasuistisch als eine „kontinuierliche Rotation“ bezeichnet wird, ändert nichts am Wesen der Sache.
Diese Schritte würden, wenn sie umgesetzt werden, die Bestimmungen des NATO-Russland-Akte von 1997 gefährden, vor allem was die Verpflichtung betrifft, keine „substanziellen Kampftruppen“ in den neuen Mitgliedsstaaten des Bündnisses einzusetzen.
All dies zeigt die Absicht der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten, den Kurs der Bildung eines gewissen „Spannungsbogens“ entlang der Kontaktlinie mit Russland auf Kosten der Interessen der europäischen Sicherheit fortzusetzen.
Es ist klar, dass ein solches provokatives „Herankriechen“ nicht ohne eine angemessene Antwort Russlands bleiben wird. Diese Tatsache sollte auch in den Hauptstädten jener osteuropäischen Länder berücksichtigt werden, die Tag und Nacht darüber nachdenken, was sie sich sonst noch anti-russisches einfallen lassen können und die sich selbst als amerikanische Soldaten bezeichnen. Wir raten ihnen einfach, alle Risiken sorgfältig abzuwägen und ernsthaft über die Folgen nachzudenken.

Warum die US-Raketenabwehr kein defensives, sondern ein offensives Waffensystem ist

Auch wenn man von der US-Raketenabwehr in den Medien nicht mehr viel hört, ist sie vielleicht das heißeste Thema unserer Zeit. Die Frage von Krieg und Frieden hängt direkt mit ihr zusammen. In den Medien wird sie als rein defensives System dargestellt. Dass das nicht so ist, kann jeder innerhalb von zehn Minuten mit Hilfe von Google herausfinden. Daher möchte ich das hier einmal mit Ihnen gemeinsam tun.
Um die Raketenabwehr zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen und vor allem die perverse Logik der atomaren Rüstung und Abschreckung verstehen.
Die atomare Abschreckung, der wir es verdanken, dass der Kalte Krieg nie ein heißer Krieg wurde, funktioniert nach einem denkbar einfachen Prinzip: Wenn ich weiß, dass ich im Falle eines Angriffes auch vernichtet werde, dann werde ich nicht angreifen. Man sagte damals auch: „Wer als erster auf den Knopf drückt, ist als zweiter tot“.
Die Supermächte des Kalten Krieges schlossen daher den ABM-Vertrag, der es ihnen untersagte, Raketenabwehr-Systeme zu entwickeln. Man wollte sicher gehen, dass keine Seite sich aufgrund von Abwehrsystemen sicher vor einem Gegenschlag des Gegners fühlen konnte.
Und da erkennt man auch schon den Sinn einer Raketenabwehr: Sie sorgt für ein Gefühl der Sicherheit, sodass man in Versuchung kommen könnte, einen atomaren Erstschlag zu führen und dabei das Potenzial des Gegners so weit zu zerstören, dass der schwache Gegenschlag des Feindes durch die eigene Abwehr neutralisiert werden könnte.
Eine Raketenabwehr ist also keineswegs ein defensives System, sie macht im Gegenteil einen atomaren Angriff erst möglich. Den Erstschlag eines Gegners kann man kaum abwehren. Das gilt sowohl für die USA, als auch für Russland. Bei einem Erstschlag wird das gesamte atomare Arsenal auf einen Schlag gestartet, das sind tausende Raketen, das macht eine Abwehr praktisch unmöglich. Aber nach einem erfolgreichen Erstschlag die traurigen Reste des Feindes bei seinem Gegenschlag abzufangen, das erscheint mit einer Raketenabwehr möglich.
Diese trügerische Sicherheit haben sich die Supermächten im Kalten Krieg durch den ABM-Vertrag genommen. Als jedoch Russland nach der Jelzin-Ära am Boden lag, fühlten sich die USA so überlegen, dass sie den ABM-Vertrag kündigten und begannen, eine Raketenabwehr zu entwickeln.
Nun kommen wir zu den Details, wie so eine Raktenabwehr funktioniert, denn das ist wichtig für das Verständnis dafür, wie es Russland offensichtlich gelungen ist, diese auszuhebeln, noch bevor sie vollständig installiert wurde.
Man ging in den USA bei der Entwicklung der Raketenabwehr davon aus, dass man ballistische Raketen abfangen muss. Diese Raketen fliegen auf eine ballistischen Flugbahn, die sich recht einfach vorausberechnen lässt. Wenn man also einen Raketenstart beobachtet, kann man relativ schnell den Kurs der Rakete berechnen und diese dann abfangen, indem man eine Rakete abfeuert, die den vorausberechneten Kurs der angreifenden Rakete kreuzt und sie zerstört.
Für dieses Abfangen gab es zwei mögliche Zeitpunkte: Entweder relativ kurz nach dem Start, oder relativ kurz vor dem Einschlag der Rakete. Auf beides bereiteten sich die USA vor.
Um eine russische Rakete kurz nach dem Start zu treffen, muss man die Raketenabwehr möglichst dicht an Russlands Grenzen platzieren. Daher wurde die Raketenabwehr in Rumänien aufgestellt und wird derzeit in Polen aufgestellt. Dies auch in der Ukraine zu tun, war wohl geplant, ist aber derzeit ausgeschlossen.
Aber diese beiden Standorte an Land sind nur ein winziger Teil der Raketenabwehr. Außerdem sind über 100 Schiffe mit den Raketenabwehrsystemen ausgerüstet oder werden gerade extra für sie gebaut. Damit kann man Russland auch von der Ostsee, dem Nordmeer, dem Pazifik und dem Schwarzen Meer einkreisen.
Hinzu kommt, dass die Raketenabwehr als Startrampe das System MK-41 nutzt. Dieses System ist universell einsetzbar und kann sowohl Abwehrraketen abfeuern, als auch Tomahawk-Marschflugkörper, die wiederum atomare Sprengköpfe tragen können. Damit wird das US-Raketenabwehrsystem gleichzeitig zu einer Angriffswaffe, mit der man Marschflugkörper in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze starten kann, die innerhalb von 10-12 Minuten fast jedes Ziel in Russland mit Atomwaffen angreifen können.
Übrigens war diese Aufstellung der MK-41 in Rumänien ganz nebenbei ein offener Bruch des INF-Vertrages, den die USA inzwischen gekündigt haben, um nun auch legal Tomahawk-Marschflugkörper an der russischen Grenze aufzustellen, was der Vertrag bis dahin verboten hat. Aber obwohl jeder das sofort selbst sogar auf Wikipedia nachlesen kann, behauptet die westliche Presse, dass nicht die USA, sondern Russland gegen den Vertrag verstoßen haben.
Inzwischen haben die USA alle Abrüstungsverträge des Kalten Krieges bis auf einen gekündigt, eine genaue Aufstellung finden Sie hier.
Die geringe Vorwarnzeit beim Einsatz solcher Marschflugkörper macht die Sache so gefährlich. Wenn Russland verdächtige Raketen entdeckt, hat es nur wenige Minuten Zeit, um zu entscheiden, ob es atomar reagieren soll oder nicht.
Und genau das ist der Unterschied zum Kalten Krieg: Damals war die Sache einfacher, man bedrohte sich mit Interkontinentalraketen, die eine längere Flug- und damit Vorwarnzeit hatten. Heute schaffen die USA hingegen einen Ring von Raketenstellungen in Europa und vor allem auf See rund um Russland, bei dem die Zeit für eine Entscheidung auf ein bis zwei Minuten reduziert wird. Und diese Raketenstellungen können erstens mit Tomahawk-Marschflugkörper einen Erstschlag führen und zweitens mit den Abwehrraketen versuchen, den russischen Gegenschlag abzufangen.
Hinzu kommt, dass die USA ein hochgeheimes, unbemanntes Shuttle mit dem Namen X-37 haben, von dem man praktisch nichts weiß, das aber seit 2010 erprobt wird. Die einen sagen, es soll feindliche Satelliten ausschalten können, andere sagen, es sei zur Spionage gedacht und wieder andere sagen, es soll Atomwaffen direkt aus dem Orbit abfeuern, was ebenfalls eine nur sehr kurze Vorwarnzeit bedeuten würde.
Und während Obama in der Öffentlichkeit von nuklearer Abrüstung sprach, intensivierte er gleichzeitig massiv in die US-Pläne für die Raketenabwehr und in die Modernisierung der US-Atomwaffen.
Russland kannte die Pläne der USA natürlich. Nicht etwa, weil es so gute Spione hatte, sondern weil sie für jeden Experten offensichtlich waren. Die offiziellen Erklärungen der USA, dass der Raketenschirm gegen Bedrohungen aus den Iran und Nordkorea gerichtet sei, waren von Anfang an absurd. Dann hätte man ihn in Japan, Südkorea, der Türkei, Saudi-Arabien und so weiter aufgestellt, aber eben nicht in Europa. Auch hätte es dafür keine hundert Schiffe benötigt, deren Planung, Bestellung, Bau und Ausrüstung jeder Experte schon aus dem öffentlich zugänglichen Budget des Pentagon ersehen konnte.
Putin hat daher schon 2005 angekündigt, sich nicht in ein klassisches Wettrüsten hineinziehen zu lassen, um ebenfalls ein so teures Abwehrsystem zu entwickeln. Russland hätte das auch gar nicht finanzieren können. Er hat stattdessen angekündigt, Raketen zu entwickeln, die eine Raketenabwehr umgehen können. Das wurde belächelt, denn Russland lag damals als Folge der Jelzin-Ära noch am Boden.
Jedoch hat Putin dem Taten folgen lassen und bei dem russischen Eingreifen in Syrien 2015 hat Russland zu Anfang medienwirksam Marschflugkörper eingesetzt, die aus dem kaspischen Meer tausende Kilometer weit in Bodennähe über Gebirge und Wüsten geflogen sind, um dann Ziele des IS in Syrien auf einen Meter genau zu treffen und zu zerstören. Auch von U-Booten im Mittelmeer und von strategischen Bombern wurden diese neuen russischen Marschflugkörper vom Typ Kalibr abgefeuert.
Militärisch wäre das nicht nötig gewesen, man hätte die Ziele auch „klassisch“ mit Flugzeugen zerstören können. Es war eine Machtdemonstration, die den USA zeigen sollte, dass Russland nun ebenfalls über funktionierende Marschflugkörper verfügt, die für die US-Raketenabwehr nicht zu erreichen sind, weil sie keine ballistische Flugbahn nutzen.
Der Schock bei den westlichen Militärexperten war damals mit den Händen zu greifen. Nun wussten die USA, dass Russland die USA auch von U-Booten vor der US-Küste erreichen konnte. Zwar kann man Marschflugkörper auch zum Beispiel mit Patriot-Systemen abfangen, aber es ist ungleich schwieriger und es gibt keine Garantie, dass es tatsächlich funktioniert.
Im russischen Fernsehen wurde dies in einem sehr interessanten Beitrag im Detail erklärt, damit auch der letzte Analyst in Washington verstehen würde, dass man sich bei einem Erstschlag gegen Russland in Washington keineswegs sicher fühlen kann. Dort wurden all die „Entscheidungszentren“ der USA namentlich genannt, die Russland mit solchen Waffen erreichen kann. Jeder betroffene General der USA sollte wissen, dass er im Falle eines Angriffs in seinem Büro nicht sicher ist. Auch diese Sendung muss man als deutliche Botschaft an die USA ansehen.
Man muss dazu wissen, dass sowohl in den USA als auch in Russland Analysten sitzen, deren einzige Aufgabe es ist, Reden von Politikern und Sendungen von regierungsnahen TV-Sendern auszuwerten. Und in der Sendung sprach der Moderator die USA direkt an. Deutlicher geht es nicht.
Und als ob das noch nicht genug wäre, hat Russland auch noch mitgeteilt, dass es Hyperschallraketen entwickelt hat, die mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegen und daher für keinerlei existierende Abwehr erreichbar sind. Das sind Waffen, an deren Entwicklung die USA bisher gescheitert sind.
Auch diese Waffen wurden von Russland öffentlich getestet und vorgeführt und sollten den USA ebenfalls das Gefühl der Unangreifbarkeit nehmen. Ein US-Experte erklärte eine der neuen russischen Raketen in einer Reportage so: „Die fliegen recht tief und Du denkst, Du weißt, was sie tut. Dann plötzlich steigt sie steil auf, beschleunigt um das dreifache und knallt von oben ins Ziel. Das ist wie beim Eishockey, wenn Du den gegnerischen Stürmer siehst und plötzlich ist der Puck im Tor und Du weißt gar nicht, wie er dahin gekommen ist.“
All das schützt Russland nicht vor einem möglichen atomaren Erstschlag der USA, aber es macht den USA deutlich, dass sie den Gegenschlag nicht mit ihrer Raketenabwehr abfangen können.
In einem solchen Konflikt wäre Europa das Schlachtfeld. Wir können nur hoffen, dass die Entscheidungsträger in den USA Russland ernst nehmen und nicht an die Illusion der eigenen Unverwundbarkeit glauben. Denn egal, wie so ein Konflikt ausgehen würde, Europa wäre danach unbewohnbar.
All dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn man mal wieder in den Medien liest, dass die Raketenabwehr der USA ein defensives System ist. Das Gegenteil ist der Fall, auch wenn das Wort „Abwehr“ etwas anderes suggeriert.

INF- und ABM-Vertrag: Wie die USA die Säulen der globalen Sicherheit planmäßig zerstören

Die USA wollen Abrüstungsverträge kündigen und Medien und Politik sind zu Recht sauer auf Trump. Dabei ist Trump gar nicht das Problem, die USA haben schon unter Bush und Obama Abrüstungsverträge gekündigt bzw. gegen sie verstoßen, nur dass es damals keine mediale Aufregung gab. Die Medien vermeiden auch jetzt jeden Hinweis auf die lange Liste der amerikanischen Verstöße gegen diese Verträge und tun so, als würde es dies erst jetzt unter Trump geben.
Also der Reihe nach: Es gab drei wichtige Abrüstungsverträge, den ABM-, den START- und den INF-Vertrag, und auf die möchte ich kurz eingehen.
Der erste Vertrag war der ABM-Vertrag. Dieser Vertrag war ein wichtiges Element der nuklearen Abschreckung, denn er verbot es den Unterzeichnern, flächendeckende Raketenabwehrsysteme aufzubauen. Der Sinn ist folgender: In der Logik atomarer Rüstung ist es das Ziel, den Gegner im Falle eines Krieges durch einen Erstschlag zu entwaffnen, damit er nicht mit einem Gegenschlag reagieren kann. Nur so ließe sich ein Atomkrieg theoretisch gewinnen. Daher haben die Atommächte auch eine sogenannte „Zweitschlagskapazität“, das bedeutet, dass sie zum Beispiel in Atom-U-Booten Raketen mitführen, mit denen sie einen Gegner auch dann noch vernichten können, wenn das eigene Land bereits atomar vernichtet worden ist.
Und hier kommt die Raketenabwehr ins Spiel. Wenn ein Land eine Raketenabwehr hat, könnte es sich so sicher fühlen, dass es einen möglichen Gegenschlag des Gegners nicht mehr fürchtet. Das würde das Risiko eines Atomkrieges massiv erhöhen. Genau deshalb wurde 1972 der ABM-Vertrag geschlossen, der solche Abwehrsysteme verboten hat. Es sollte völlig klar sein, dass es bei einem Atomkrieg keinen Sieger geben kann.
Diesen Vertrag hat Bush 2002 einseitig gekündigt und die USA haben begonnen, ihr Raketenabwehrsystem zu entwickeln, dass sie nun in Alaska, Polen und Rumänien aufbauen. Russland hat dies immer wieder kritisiert und auf die Gefahr für die Welt hingewiesen, wenn die USA sich nun für unverwundbar halten sollten. Parallel hat Russland aus diesem Grund neue Atomraketen entwickelt und diese werden derzeit in der russischen Armee eingeführt. Diese Raketen sind aufgrund ihrer Flugfähigkeiten von dem Abwehrsystem der USA nicht zu erreichen. Dieses daher sonnlose Wettrüsten wäre vermeidbar gewesen, wenn die USA es nicht angestoßen hätten.
Aber Kritik an der einseitigen Kündigung dieses wichtigen Vertrages durch die USA und auch an der US-Raketenabwehr fand und findet sich in der westlichen Presse und Politik praktisch nicht.
Die START-Verträge, es sind insgesamt drei, regeln die beiderseitige Reduzierung von Atomsprengköpfen, allerdings haben sie jeweils immer noch über 2.000 Atombomben in ihren Beständen.
Der INF-Vertrag aus dem Jahr 1987 regelt das Verbot von landgestützten atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen. Der Hintergrund war die Stationierung der sowjetischen SS-20-Raketen in der DDR in den 1970er Jahren, mit denen sie ganz Westeuropa innerhalb von wenigen Minuten erreichen konnten. Die Nato reagierte mit dem Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung der amerikanischen Pershing-Raketen. In Verhandlungen wurde dann erreicht, dass beide Seiten komplett auf derartige landgestützte Raketen verzichten und diese vernichtet wurden.
Allerdings ging es eben nur um landgestützte Raketen, weshalb zum Beispiel die Tomahawk-Raketen der USA nicht gegen den Vertrag verstoßen, jedoch hatten die Russen nichts vergleichbares. Übrigens wurden die Tomahawks ursprünglich für den Einsatz mit Atomwaffen entwickelt. Die Russen haben erst vor kurzem mit der „Kalibr“-Rakete eine vergleichbare Waffen in ihre Bestände aufgenommen, die genau wie die Tomahawk von Flugzeugen, Schiffen und U-Booten, aber nicht von Land aus abgeschossen werden können.
Der INF-Vertrag ist vor allem für Europa extrem wichtig, weil Kurz- und Mittelstreckenraketen keine Gefahr für die USA darstellen, die weit genug entfernt sind, wohl aber für die europäischen Länder, denn diese Raketen erreichen ihre Ziele innerhalb von Minuten und es gibt praktisch keine Vorwarnzeit.
Die Aufregung darüber, dass die USA diesen Vertrag nun einseitig kündigen wollen, ist also berechtigt. Aber die Kritik trifft nicht die USA, sondern Trump. Er ist als Präsident dafür auch der richtige Adressat, aber man fragt sich, warum die Kündigung des ABM-Vertrages nicht kritisiert wurde und vor allem fragt man sich, warum man in den Medien nichts darüber lesen kann, dass es auch unter Obama bereits Überlegungen gab, den INF-Vertrag zu kündigen. Und vor allem fragt man sich, warum man nichts darüber hört, dass Russland den USA schon seit über 10 Jahren vorwirft, gegen den INF-Vertrag verstoßen. Und die russichen Vorwürfe sind sehr konkret und begründet.
Russland wirft den USA vor, dass sie im Zuge der Entwicklung der Raketenabwehr auch Raketen entwickelt haben, die sie laut INF-Vertrag gar nicht besitzen durften. Die USA bestreiten das auch gar nicht, aber sie haben es damit gerechtfertigt, dass sie diese Raketen entwickeln mussten, um sie als Ziele für die Raketenabwehr zu Testzwecken zu benutzen. Was sie allerdings da genau entwickelt haben, ist nicht bekannt. Der Verstoß der USA gegen den INF-Vertrag ist aber unbestreitbar und fand übrigens statt lange, bevor Trump Präsident wurde. Aber: Haben Sie davon je gehört? Kein Wort dazu in den deutschen Medien.
Der nächste Verstoß, den die Russen den USA vorwerfen, betrifft das Raketenabwehrsystem selbst. Dort werden als Startrampen für die Abwehrraketen sogenannte MK41 benutzt, die nach Angaben der Russen auch für den Start von Tomahawks geeignet sind, sodass die USA mit dem „Abwehrsystem“ auch vertraglich verbotene Marschflugkörper von Land aus abfeuern können. Und auch diese Startrampen wurden lange vor Trumps Präsidentschaft entwickelt.
Und einen weiteren Verstoß gegen den Vertrag stellen ebenfalls bestimmte Drohnen dar, die Atomwaffen tragen können und damit als unbemannte Flugobjekte mit Atomwaffe und einer Reichweite von unter 5.500 Kilometern unter das Verbot fallen des INF-Vertrages fallen. Und auch diese Drohnen sind keine Erfindung von Trump.
Dass Medien und Politik nun also Trump für die Kündigung des INF-Vertrages beschimpfen, ist zwar korrekt, aber eben unvollständig, wenn man die Vorgeschichte mit all den Verstößen gegen den Vertrag unterschlägt, für die Obama und Bush verantwortlich waren. Trump setzt lediglich die Politik seiner Vorgänger fort.
Aber von all dem hört man in deutschen Medien wie gesagt nichts. Stattdessen kann man im Spiegel heute zu dem Thema lesen: „Bereits im Sommer habe es beim Nato-Gipfel „erhebliche Zweifel“ an der Vertragstreue der Russen gegeben. (…) Trumps Vorwurf, dass Russland das INF-Abkommen verletze, wies der Sprecher von Präsident Wladimir Putin zurück.
Es wäre nett vom Spiegel gewesen, hierauf etwas näher einzugehen, denn die angeblichen Vertragsbrüche Russlands, die in der Nato Thema sind, wurden nie präzisiert. Es gibt keine Informationen darüber, was man Russland eigentlich genau vorwirft und die Presse scheint sich für diese Frage auch nicht zu interessieren, sondern übernimmt kritiklos die Nato-Rhetorik. Dabei haben russische Offizielle den Westen mehrmals aufgefordert, seine Vorwürfe zu konkretisieren. Wenn Russland zum Beispiel verbotene Raketen entwickeln sollte, wie von der Nato behauptet wird, dann müsste man doch sagen können, wann und wo diese Testflüge durchgeführt wurden.
Dafür haben die USA und Russland Satelliten, die jeden Raketenstart erkennen können, diese Satelliten sollen vor einem Nuklearangriff des Gegners warnen, daher informieren sich beide Seiten auch im Voraus immer über geplante Raketentests, um gefährliche Missverständnisse zu vermeiden. Aber es gibt keine konkreten Vorwürfe vom Westen, nur allgemein gehaltene Verlautbarungen der Nato, die die westliche Presse unkritisch und nicht hinterfragt publiziert.
Den USA geht es bei dem INF-Vertrag im Zweifel aber auch gar nicht um Russland, das nur als Vorwand herhalten muss. Tatsächlich geht es um China, dass den Vertrag damals nicht unterzeichnet hat, weil es damals noch ein Entwicklungsland war und nun ungehindert landgestützte, atomwaffenfähige Kurz- und Mittelstreckenraketen entwickeln kann. Laut den USA arbeitet China an solchen Waffen. Und dem möchte die USA mit eigenen Raketen begegnen. Nun wäre es im Interesse der weltweiten Sicherheit aber sicher besser gewesen, mit China über einen Beitritt zu dem INF-Vertrag zu reden, anstatt ihn zu kündigen. Zumal der Vertrag ausdrücklich vorsieht, geändert werden zu können.
Nachtrag:
Am 23. Oktober, einige Stunden nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, gab es Meldungen, die meine Einschätzungen bestätigen. In Russland wird nicht ausgeschlossen, dass Trump möglicherweise wieder nach seinem bekannten Schema verfährt: Erst mit einer harten Drohung alle schockieren, dann Verhandlungen, um für die USA ein besseres Ergebnis herauszuholen.
So könnte die angedrohte Kündigung des Vertrages ein Vorwand sein, um Druck auf Russland und die EU auszuüben, damit diese wiederum Druck auf China machen, damit es dem Vertrag beitritt. Allerdings weisen Experten in Russland darauf hin, dass man dann auch zum Beispiel Frankreich und Großbritannien in den Vertrag aufnehmen müsse, um ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Nato zu verhindern.
Außerdem wird in russischen Medien darauf hingewiesen, dass diese Ankündigung auch noch innenpolitische Gründe haben könnte, denn sie kommt in der heißen Phase des US-Wahlkampfes und könnte ein Signal an seine Trumps Kritiker sein, dass er gegenüber Russland eine harte Linie verfolgt.
Außerdem hat sich die Bundesregierung auf der Bundespressekonferenz dazu geäußert und – wenig überraschend – Russland beschuldigt, an der möglichen Kündigung des INF-Vertrages durch die USA schuld zu sein. Allerdings kamen die Sprecher der Regierung bei dem Versuch, diese Konstruktion zu erklären, ganz schön ins Schwimmenwie man auf diesem Video sehen kann.