Donnerstag, 23. Mai 2019

Weißes Haus und Google beginnen Technologie-Krieg gegen China

22. Mai 2019
Google, de facto Monopolist im Feld der Internet-Suchmaschinen und Smartphone-Software, kündigte am Montag an, kritische Teile des Android-Betriebssystems nicht länger für Huawei Smartphones zur Verfügung zu stellen. Damit wird das Geschäft von Huawei außerhalb Chinas effektiv zerschlagen.
Zudem gaben die US-Hardwarehersteller Qualcomm, Broadcom und Intel bekannt, dass sie Komponenten ihrer Unternehmen nicht mehr an Huawei verkaufen. Damit können die aktuellen Produktlinien bei Smartphones oder IT-Infrastruktursystemen nicht länger hergestellt werden.
Die Schritte erfolgten, nachdem das US-Handelsministerium Huawei auf eine „schwarze Liste“ gesetzt hatte mit der Begründung, dass Huawei „an Aktivitäten beteiligt ist, die den Interessen der US-Nationalsicherheit oder der Außenpolitik zuwiderlaufen“.
Die US-Konzerne folgten Trumps rein protektionistischer Maßnahme, die sich schwerwiegend auf ihre eigenen Geschäftsinteressen auswirkt, ohne einen Hauch von Protest. Was auch immer Trumps Handelskrieg anrichten mag – für die Unternehmen wird das mehr als ausgeglichen, indem sie die Gunst des amerikanischen Staates gewinnen und sich eine bevorzugte Behandlung und lukrative Militäraufträge in Milliardenhöhe sichern.
Huawei kündigt das Mate X Smartphone mit faltbarem Display an (Februar 2019)
Die Financial Times veröffentlichte einen Leitartikel, der kein Blatt vor den Mund nimmt und die Vorbehalte der herrschenden Klasse in Großbritannien angesichts des US-Kriegs gegen Huawei widerspiegelt. Die USA haben Angst, dass die chinesische „Technologie auf dem besten Weg ist, die amerikanische zu übertreffen“, heißt es in der Zeitung. Der Artikel schließt mit den deutlichen Worten: „Tatsächlich scheinen die Schritte der USA Teil eines Versuchs zu sein, den Aufstieg Chinas zu verhindern.“
Während Apple und Samsung zurückgehende Verkäufe meldeten, stand Huawei kurz davor, zum Ende des Jahres der umsatzstärkste Smartphonehersteller und gleichzeitig der weltweit führende Anbieter für 5G-Technik in der Telekommunikation zu werden.
In nur wenigen Jahren hat sich Huawei zum dynamischsten Anbieter im hart umkämpften globalen Smartphone-Markt entwickelt. Die Telefonverkäufe des Unternehmens sind in den letzten 12 Monaten um 50 Prozent gestiegen.
Huawei produziert die besten Handykameras bezogen auf die letzten zwei Generationen laut DxOMark-Ranking. Und nicht nur das: Nach der vermasselten Markteinführung von Samsungs Galaxy Fold steht Huawei auch kurz vor der Markteinführung des ersten brauchbaren Smartphones, das sich durch Aufklappen des Displays in ein Tablet verwandelt. Huawei würde damit ein Marktsegment dominieren, das Apple, der bisherige Branchenführer, noch nicht einmal betreten hat.
Das Blacklisting von Huawei durch die Trump-Regierung und die Zusammenarbeit von Google und anderen großen Technologiekonzernen mit der US-Regierung bedeutet jedoch die effektive Zerstörung von Huawei als Akteur auf dem globalen Smartphone-Markt. Selbst wenn Huawei in der Lage wäre, Telefone ohne die Komponenten amerikanischer Unternehmen zu produzieren, wird sich ihr Absatz auf den chinesischen Markt beschränken. Die Schritte, so ein Analyst der Financial Times, kosten „Huawei sehr wahrscheinlich alle Smartphone-Exporte außerhalb Chinas“.
Nicht absehbar sind die Folgen dieser neuen Salve im Welthandelskrieg. Die Entwicklung des Internets und die Einführung der App Economy durch Apple im Jahr 2007 erfolgte in einer Zeit der Globalisierung und internationalen Integration. Allerdings werden das Internet und die globale Technologieindustrie durch das Aufkommen von Protektionismus und Handelskrieg entlang der nationalen Grenzen fragmentiert.
Die Investmentbank Morgan Stanley warnt deutlich vor den möglichen Auswirkungen eines Zusammenbruchs der Beziehungen zwischen den USA und China: Der Schritt gegen Huawei könne trotz der lockeren Geldpolitik durch die US-Notenbank wahrscheinlicher Vorbote einer „ausgewachsenen Rezession“ in den USA sein.
Die Ankündigung des Weißen Hauses, neue Schritte gegen Huawei einzuleiten, und das konforme Verhalten von Google folgen auf das fast völlige Scheitern der amerikanischen Bemühungen, die Geschäfte ihrer Verbündeten mit Huawei zu verhindern. Großbritannien, Deutschland, Indien und zahlreiche andere Länder wehrten sich gegen die Washingtoner Versuche, die 5G-Technik von Huawei aus dem Telekommunikationsmarkt auszuschließen, die allgemein als wesentlich besser gilt als die der westlichen Konkurrenten.
Als Reaktion darauf verdoppelten die USA einfach den Wetteinsatz. Sie gaben, so ein Analyst der Financial Times, „praktisch den Startschuss für einen Kalten Krieg im Technologiesektor“. Die New York Times nannte den Schritt den Fall eines „digitalen Eisernen Vorhangs“.
Die massive und plötzliche Verschärfung des amerikanischen Handelskrieges gegen China war für viele ein Schock. „Der Schritt der Trump-Regierung ist viel umfassender als viele Chinesen erwartet haben“, sagte ein Analytiker gegenüber der Times … „Es kam auch viel früher als erwartet. Viele Leute merken erst jetzt, dass es real ist.“
Der wachsende Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China dreht sich um die Bemühungen der USA, den Eintritt chinesischer Unternehmen in hochwertige Produktionssegmente zu verhindern, die zuvor von den USA und EU-Staaten wie Deutschland dominiert wurden. Im vergangenen Jahr verkürzte die Trump-Regierung die Dauer der Visa für chinesische Doktoranden, die in Bereichen wie Robotik, Luftfahrt und Hightech-Produktion studieren. Eine Gruppe von Kongressabgeordneten fordert noch weitere Beschränkungen für Studentenvisa.
Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten Mike Pence
Im November trat US-Vizepräsident Mike Pence mit einer Forderung an die Öffentlichkeit, die viele sofort als neuen Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China bezeichneten: China solle nicht länger versuchen, an die „fortschrittlichsten Industrien der Welt, einschließlich Robotik, Biotechnologie und künstliche Intelligenz“ anzuschließen, die er als die „Kommandohöhen der Wirtschaft im 21. Jahrhundert“ bezeichnete.
Seitdem hatten amerikanische und chinesische Verhandlungsführer intensiv über ein mögliches Abkommen zur Beendigung des eskalierenden Handelskrieges diskutiert. Aber die Gespräche endeten, als den chinesischen Verhandlungsführern klar wurde, dass die Vereinigten Staaten etwas fordern, was China nicht bieten will und kann: die effektive Aufgabe des eigenen Hightech-Produktionssektors.
China Daily kommentierte die Ankündigung der vergangenen Woche wie folgt: „Mit ihrer Behandlung von Huawei hat die US-Regierung all ihre Hässlichkeit gegenüber anderen Ländern offenbart: ihre Despotie als einzige Supermacht der Welt ohne jeglichen Respekt vor Regeln, ihren Hochmut und mangelnde Achtung vor der Würde ihrer Handelspartner, ihre herablassende Haltung gegenüber dem Rest der Welt und ihren völligen Egoismus sowie ihre mangelnde Bereitschaft zu akzeptieren, dass sie Mitglied einer größeren Gemeinschaft ist.“
Aber hätte die herrschende Elite Chinas etwas anderes erwarten können? Der amerikanische Imperialismus war froh, China zum größten Ausbeuterbetrieb der Welt zu machen und Milliarden von Dollar aus der Arbeit des chinesischen Proletariats zu ziehen. Die USA werden jedoch nicht akzeptieren, dass China zu einem wirtschaftlichen Konkurrenten auf Augenhöhe wird. Die Vereinigten Staaten werden all ihre Macht – von ihrer herausragenden Stellung im globalen Finanzsystem, über das US-Netzwerk von Allianzen bis hin zur Drohung mit einem umfassenden Atomkrieg – einsetzen, um die amerikanische Dominanz zu behaupten.
Der Versuch der USA, Huawei zu zerstören, ist nur ein Ausblick darauf, wie weit die Vereinigten Staaten gehen werden, um ihre Hegemonie zu verteidigen. Das Land, das Hiroshima, Vietnam und dem Irak-Krieg zu verantworten hat, ist bereit, mehr als nur einen Konzern zu zerstören. Sie nehmen nun ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen ins Visier, mit potenziell verheerenden Folgen für die gesamte Menschheit. China bleibt bei all seinem gepriesenen Wirtschaftswachstum ein unterdrücktes Land im Fadenkreuz des Imperialismus.
Diese Entwicklungen zeigen, dass die marxistischen Begrifflichkeiten und Kategorien – Imperialismus, Monopolbildung, Ausbeutung und der Konflikt zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaatensystem – nicht veraltet sind. Tatsächlich können nur diese analytischen Werkzeuge die Fragmentierung der Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert und das Wiederaufleben von „Großmachtkonflikten“ erklären.
Das zentrale These des zeitgenössischen Marxismus, vom 20. Jahrhundert nur allzu deutlich bestätigt, lautet, dass die sozialistische Revolution der einzige Weg ist, um einen neuen globalen Flächenbrand zu vermeiden, der durch den erbitterten Kampf zwischen kapitalistischen Nationalstaaten um Märkte, Gewinne und Einfluss entfacht wird.
Andre Damon


Rache für Huawei

Verhindert China jetzt das iPhone?

Nachdem Google unter Druck der US-Regierung Huawei aus seinem Android-Programm wirft, muss mit einer harten Reaktion Chinas gerechnet werden. Sie könnte Apple treffen, im schlimmsten Fall sogar das kommende iPhone verhindern.
Dass Huawei auf seinen Smartphones und Tablets kein Google-Android mehr installieren darf, ist nicht nur für den Hersteller eine Katastrophe, von der er sich so schnell nicht erholen wird. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht der chinesischen Regierung um Staatschef Xi Jinping und eine weitere Eskalation im Handelsstreit zwischen China und den USA, die nicht ohne Antwort bleiben wird. Wie sie ausfallen wird, ist noch offen, aber um das Gesicht zu wahren, muss Peking Härte zeigen. Ein mögliches Opfer könnte Apple werden, dessen iPhone in China gefertigt wird.

Ohne Lizenz konnte Google nicht anders

Offiziell hat das Trump-Dekret, das US-Unternehmen Geschäfte mit Huawei zum Schutz der heimischen Telekom-Branche vor „ausländischen Gegnern“ verbietet, nichts mit dem Handelsstreit zu tun. Auch wenn es nicht einen einzigen belastbaren Beweis gegen den Konzern gibt, setzte das Bureau of Industry and Security (BIS) Huawei und seine Tochterunternehmen auf eine schwarze Liste von Firmen, die gegen die Interessen der USA verstoßen sollen. Das heißt, ohne BIS-Lizenz darf den Chinesen keine amerikanische Technologie überlassen werden. Unter diesen Voraussetzungen war es keine große Überraschung, dass Google jetzt bekannt gab, dass Huawei künftig Android nicht mehr auf seinen Smartphones und Tablets verwenden darf.
Huawei ist offiziell keine Staatsfirma, sondern befindet sich angeblich größtenteils im Besitz seiner Mitarbeiter. Da dies in China aber nur unter dem Dach einer staatlich kontrollierten Gewerkschaft möglich ist (Huawei trade union committee), vermuten US-Wissenschaftler, dass der Konzern letztendlich indirekt von Peking aus gesteuert wird.

Auf dem Weg zur Nummer 1 gestoppt


Huawei wird wahrscheinlich ein eigenes Betriebssystem als Alternative zu Android entwickeln, wird damit aber kaum Smartphones in Europa verkaufen können.
So oder so sind viele Chinesen stolz auf den Erfolg Huaweis, das drauf und dran war, schon bald Samsung als erfolgreichsten Smartphone-Hersteller abzulösen. Laut aktuellen Zahlen von IDC liegt das Unternehmen mit einem Marktanteil von weltweit 19 Prozent nur noch 4 Prozentpunkte hinter den Südkoreanern. Beachtlich ist auch, dass sich Huawei in einem stagnierenden Markt in den vergangenen zwölf Monaten erneut um rund 50 Prozent steigern konnte, während es im gleichen Zeitraum bei Samsung um etwa 8 Prozent nach unten ging und Apple sogar rund 30 Prozent weniger iPhones verkaufte.
Auch wenn Apple wohl nichts mit der Ächtung Huaweis zu tun hat, sinkt sein Ansehen bei den Chinesen zunehmend und Boykottaufrufe gegen den US-Hersteller werden immer lauter. Bereits vor Googles Android-Verbot registrierte „Buzzfeed“ im Weibo-Netzwerk viele entsprechende Posts von Nutzern.

Apple leidet schon jetzt

Schon jetzt leidet Apple unter der schlechten Stimmung in China. Canalys-Zahlen nach verkaufte es dort mit rund 6,5 Millionen Geräten im ersten Quartal 2019 rund 30 Prozent weniger iPhones als noch ein Jahr zuvor. Mit einem Marktanteil von 7,4 Prozent liegt es in China hinter Huawei (23,4%), Oppo (19,4%), Vivo (16,9%) und Xiaomi (13,3%) nur noch auf dem fünften Platz.
Aber es könnte für Apple noch viel schlimmer kommen. Mit erbosten Nutzern im Rücken ist es nicht ausgeschlossen, dass Peking die Produktion des iPhone in China behindert oder sogar blockiert. Vielleicht nicht sofort, sondern erst in einem der nächsten Eskalationsstufen im Handelskrieg, aber Apple muss damit rechnen, dass es im Strudel einer sich beschleunigenden Sanktions-Spirale mit nach unten gerissen wird. Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht, denn im Juni oder Juli muss voraussichtlich die Massenproduktion beginnen, um einen reibungslosen Verkaufsstart der neuen iPhones im September zu gewährleisten.

Das Risiko wächst

Bisher haben die USA zwar möglichst vermieden, ihre großen Tech-Firmen zu schädigen und fertig montierte Computer und Smartphones aus den Maßnahmekatalogen herausgelassen. Doch mit Strafzöllen auf Ladegeräte haben auch Apple & Co. bereits die ersten Einschläge gespürt. China hatte bisher offenbar ebenfalls wenig Interesse daran, das profitable Geschäft mit den US-Technik-Riesen zu riskieren. Der Huawei-Bann könnte das Fass jetzt aber zum Überlaufen bringen, alleine schon weil Präsident Xi Jinping ohne angemessene Reaktion in den Augen vieler Chinesen sein Gesicht verlieren würde.
Tatsächlich macht man sich bei Apple wohl zunehmend Gedanken darüber, dass es riskant ist, das iPhone hauptsächlich in einem Land zu produzieren, das der US-Präsident zum Erzfeind erklärt hat und ohne Rücksicht auf eigene Verluste mit Strafzöllen und Sanktionen attackiert. Laut „Buzzfeed“ hat Apple bereits Teile der Produktion aus China ausgelagert. Unter anderem soll Pegatron die Fließbänder in einer Sonderwirtschaftszone in Indonesien angeworfen haben. Die „New York Times“ schrieb im Januar, Apple sehe sich vor allem in Indien und Vietnam um, um die Abhängigkeit von China zu verringern.

Undenkbar, aber möglich

Wenn Peking aber schon jetzt oder in den kommenden Wochen die Fertigung von iPhones oder Komponenten in China stoppen lässt, um dem wachsenden Druck der US-Regierung etwas entgegenzusetzen, wäre Apple wohl kaum in der Lage, die Produktion der 2019er-Modelle zu retten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies so kommen wird, ist vermutlich noch nicht sehr groß. Aber in Zeiten, in denen ein US-Präsident einen Telekommunikations-Notstand ausrufen kann, um ein unliebsames chinesisches Unternehmen zu ruinieren, ist vieles denkbar, was früher als unmöglich galt.