Mittwoch, 2. Januar 2019

Der Geist von Brzezinski formt die eurasische Geopolitik Washingtons

von F. William Engdahl
14.05.2018
Eines der herausragendsten Kennzeichen einer wahrlich bemerkenswerten Trump-Präsidentschaft ist bisher (wenn wir mal das absichtliche Theater mit Tweets und Skandalen beiseite lassen), wie präzise die aktuellen politischen Entwicklungen einer grundlegenden Strategie in der Geopolitik Washingtons folgen. Das reicht mindestens bis 1992 zurück. Das trifft für die vor kurzem getroffene, unglückliche und durchaus illegale Entscheidung zum Ausstieg aus dem iranischen Atomabkommen zu. Das trifft auch im Fall der unaufhörlichen Verteufelungskampagne á la Kalter Krieg gegen Russland und die Einsetzung bösartiger, neuer Sanktionen zu. Und das gilt auch für den drohenden Handelskrieg , den die Trump-Regierung mit der Volksrepublik China angefangen hat.
Im Gegensatz zu dem weitverbreiteten Glauben, US-Präsident Trump handele nur impulsiv oder er sei unberechenbar, glaube ich, dass das Gegenteil zutrifft. Die strategischen geopolitischen Entscheidungen der Trump-Regierung sind eine Antwort, nicht des Präsidenten selbst, sondern eher der Mächtigen, des permanenten Establishments, das in Wahrheit das kontrolliert was man den Tiefen Staat nennt. Die Geopolitik dieser Politik bestimmt zu einem großen Teil, wen sie als Präsidenten zulassen.
Die erste offizielle Formulierung der heutigen Außenpolitik Washingtons stammt von 1992, als Dick Cheney unter Bush Senior Verteidigungsminister war. Die Sowjetunion war zusammengebrochen und Bush hatte triumphal Amerika zur einzigen Supermacht ernannt. Cheneys Stellvertreter Paul Wolfowitz war in der Zeit von 1994-1999 für die Ausarbeitung eines Leitfadens für die Verteidigungsplanung verantwortlich. Das Ergebnis war unverblümt und wurde später vom Senator Ted Kennedy als imperialistisch beschrieben. In Teilen besagt die uneditierte Wolfowitz-Doktrin:
„Unser vorrangiges Ziel ist es, den erneuten Aufstieg eines neuen Rivalen zu verhindern, sei es auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo… jede feindliche Macht daran zu hindern, eine Region zu kontrollieren, deren Ressourcen unter einer gefestigten Kontrolle ausreichen würden, eine globale Macht zu erzeugen.“
Unter George W. Bush tauchte nach 2002 die Wolfowitz-Doktrin erneut als Bush-Doktrin auf, als Vorbereitung des Irak-Kriegs. Darin wird der Unilateralismus und der Einsatz von Präventivkriegen als zentral für die US-Politik genannt
Grundlegende Geopolitik
Um auf meinen Titel zurückzukommen, zitiere ich aus dem Buch des verstorbenen Präsidentenberaters Zbigniew Brzezinski, „Die einzige Weltmacht: Amerikanische Strategie der Vorherrschaft“, um darzulegen, was heute unter Trump die US-Außen- und Verteidigungspolitik ist. Es handelt sich um nichts weiter als die Ansprache der geopolitischen Herausforderungen von Brzezinski und die Idee des Präventivkriegs der Bush-Wolfowitz-Doktrin im Zusammenhang mit dem heute entstehenden Widerstand gegen Amerikas Dominanz als einzige Supermacht.
Brzezinski war natürlich der Architekt von Jimmy Carters afghanischem Krieg gegen die sowjetische Armee, mit dem Einsatz islamisch-terroristischer Mudschahedin, die vom CIA, dem saudischen Geheimdienst und der pakistanischen ISI trainiert wurden.
1997 schrieb er, dass es „zwingend erforderlich ist, dass kein eurasischer Herausforderer entsteht, der in der Lage ist, Eurasien zu dominieren und damit Amerika herauszufordern.“
Weiter erklärte er: „Potentiell wäre das gefährlichste Szenario eine ‚anti-hegemoniale‘ Koalition, die sich nicht aus Ideologie vereint, sondern aus komplementären Missständen… eine große Koalition aus Russland, China und vielleicht dem Iran… Um diese Möglichkeit zu verhindern… braucht es gleichzeitige geopolitische Fähigkeiten der USA an den westlichen, östlichen und südlichen Grenzen Eurasiens.“
Wenn wir dazu das jüngste Dokument des Pentagon zur Nationalen Verteidigungsstrategie hinzufügen, welches Russland und China als die größten potentiellen Bedrohungen für die amerikanische Hegemonie definiert, und das mit den wachsenden Beziehungen zwischen Russland, China und dem Iran seit der Aufhebung der Sanktionen 2015 kombinieren, vor allem in Syrien, dann wird deutlich was Washington macht.
Es handelt sich um den umfassenden Versuch, Russland, China und Iran zu zerschlagen, was ich als die Eurasische Herausforderung an den einzigen Hegemon bezeichne.
Wie Brzezinski dargelegt hat, spielt es für die amerikanischen Zwecke einer fortgesetzten Dominanz keine Rolle, dass es zwischen Russland, China und dem Iran ethnische, religiöse und andere Differenzen gibt. Die US-Außenpolitik seit September 2001 hat diese drei zunehmend zu einer Kooperation gezwungen, trotz der Differenzen. Denn sie sehen das als eine Verteidigung ihrer nationalen Souveränität.
Das Ziel Russland…
Betrachtet die jüngsten Ereignisse im Licht der Brzezinski-Warnung zu Eurasien von 1997. Washington hat sich bei der vorgespielten Skripal-Vergiftung, die ohne Beweise Russland in die Schuhe geschoben wurde, hinter Großbritannien gestellt. Ein gefälschter Chemiewaffenangriff außerhalb von Damaskus wurde dann als Vorwand für eine illegale US-Bombardierung benutzt, dabei wurden alle Grundsätze der UN-Charta und des internationalen Rechts missachtet.
Im Nachhinein war das eher ein Test für eine mögliche russische Reaktion. Ob jetzt die Tomahawks und andere Raketen der USA getroffen haben oder nicht – für Israel und andere US-Alliierte wurde ein Präzedenzfall geschaffen, um die Angriffe auf den Iran in Syrien zu eskalieren.
Dann sind da die teuflischen, neuen und lähmenden Sanktionen gegen „Putins Oligarchen“, etwa gegen Deripaska und Rusal, den weltweit zweitgrößten Aluminiumproduzenten. Washington sucht schon gar nicht mehr nach Ausreden für neue Sanktionen. Sie geben als Grund einfach an, dass die russische Regierung „in eine Reihe bösartiger Aktivitäten weltweit“ verwickelt ist.
Die neuen Sanktionen bestrafen jede Bank im Westen oder Investoren, die Anteile an den sanktionierten russischen Firmen haben, selbst wenn sie vor den neuen Sanktionen erworben wurden.
Das ist die neue Form des Finanzkriegs des US-Finanzministeriums, genauso tödlich wie ein heißer Krieg, wenn nicht mehr. Das wurde in Folge von 9/11 entwickelt und wurde seither zu einer vernichtenden Waffe der Kriegsführung verfeinert.
Es nutzt die Tatsache aus, dass die Welt durch eine ökonomischen Globalisierung im Handel und bei den Zentralbankreserven in überwältigenden Maße immer noch auf den Dollar angewiesen ist.
Erstmalig ist unter den jüngsten Sanktionen gegen russische Oligarchen und Firmen nicht nur der künftige Zugang zu Krediten auf den westlichen Kapitalmärkten blockiert. Nichtrussische Investoren, die in den vergangenen Jahren Milliarden in ausgewählte russische Firmen investiert haben, müssen panikartig ihre Investitionen liquidieren oder sie bekommen es mit sekundären Sanktionen für ihre russischen Beteiligungen zu tun. Aber wer wird kaufen?
Die zwei größten Clearingesellschaften in der EU, Clearstream und Euroclear, wurden bereits dazu gezwungen, die Verwahrung sanktionierter russischer Sicherheiten zu verweigern. Auch die Verwahrung russischer Aktien stellt sie vor Sanktionen. Angenommen, eine chinesische Staatsbank leiht sich Geld im Dollarmarkt, so ist es ihr praktisch verboten, Geschäfte mit sanktionierten russischen Firmen zu tätigen.
Das Ziel China…
Während Washington den Druck auf Putins Russland wegen Syrien und der Ukraine erhöht, beginnt man die erste Stufe eines Wirtschaftskriegs mit China, der eindeutig verheerend sein wird. Dazu benutzt man den Handel als Hebel.
Wie ich in einem früheren Artikel beschrieben habe, zielt Washington darauf ab, China dazu zu zwingen, seine Strategie aufzugeben, seine Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren zu einem führenden Hi-Tech-Produzenten zu machen. Die Strategie nennt sich China 2025 und ist das Herzstück von Xi Jinpings strategischem Plan der Belt Road Initiative, auch Projekt der wirtschaftlichen Seidenstraße genannt.
Ein erster Vorgeschmack dessen was Washington plant, um Chinas Schritte zu einem Hi-Tech Weltführer gemäß China 2025 zu vereiteln, ist die Behandlung der führenden chinesischen Telekom-Hersteller ZTE und Huawei, zwei Herausforderer von Apple. ZTE wurde im April von Washington sanktioniert, wegen angeblicher Verkäufe von Telekommunikationsausrüstung an den Iran. US-Zulieferern wurde untersagt, wichtige Komponenten an die chinesische Tech-Firma zu liefern. Die Firma hat vorübergehend ihren Betrieb eingestellt und versucht derzeit, einen Aufschub durch die USA zu erreichen.
Das Ziel Iran…
Und nun zerreißt unter heftigen Protesten aus Deutschland, Frankreich und anderer EU-Staaten Trump einseitig das iranische Atomabkommen. Das Ziel ist eindeutig die Wiedereinführung lähmender Sanktionen gegen den Iran und die kleinen Fortschritte seit 2015 zu zerstören. Die Tatsache, dass sich die EU weigert, das Abkommen aufzukündigen, wird am Ende wenig Bedeutung haben, da die US-Sanktionen gegen den Iran auch EU-Firmen mit Sanktionen bedrohen, die mit dem Iran Geschäfte machen.
Ein Teil von Trumps Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran ist, dass die USA anderen Ländern wie China, Japan oder EU-Ländern 180 Tage Zeit geben, alle Kaufverträge für iranisches Erdöl zu kündigen. Europäische Firmen wie Airbus, die milliardenschwere Aufträge für Flugzeugkäufe im Iran haben, werden gezwungen sein, diese aufzukündigen. Ab 6. August wird der Kauf von US-Dollar, der Handel mit Gold und bestimmten anderen Metallen sanktioniert, ebenso die Luftfahrt- und die Automobilindustrie. Nach dem 4. November werden die US-Sanktionen die iranischen Finanz- und Erdölinstitutionen betreffen und die Sanktionen gegen Personen auf der früheren Sanktionsliste des US-Finanzministeriums werden wieder eingeführt.
Das eindeutige Ziel ist, diese vernichtenden neuen Waffen des US-Finanzministeriums gezielt einzusetzen, um die zerbrechliche Wirtschaft des Iran in eine Krise zu stürzen. Zur gleichen Zeit gibt es Berichte, dass der Nationale Sicherheitsberater John Bolton für eine Stärkung der iranischen Mudschadin Khalq (MEK) wirbt, eine terroristische Organisation, die erneut eine Farbrevolution auslösen soll. MEK wurde 2012 von der Terrorliste des US-Außenministeriums gelöscht, unter der Außenministerin Clinton.
CENTCOM
Treten wir einen Schritt von den speziellen Details eines jeden Landes und den Aktionen Washingtons gegen jedes dieser Länder zurück, so sehen wir, dass die drei eurasischen Mächte – Russland, China und Iran – systematisch und bisher mit unterschiedlichem Erfolg aufs Korn genommen werden.
Ende Februar hat General Votel, der Kommandeur des US Central Command, oder CENTCOM, den DoD News ein Interview gegeben. Darin erwähnt Votel neben Russland und insbesondere dessen Verwicklung in Syrien und neben China mit seiner neuen Belt Road Initiative und dessen Militärbasis in Dschibuti und anderswo auch die Verbindungen der beiden zum Iran. Votel sagt, dass „sowohl Russland als auch China multidimensionale Beziehungen zum Iran unterhalten. Die Aufhebung der Sanktionen gemäß dem Joint Comprehensive Plan of Action eröffne dem Iran den Weg für eine volle Mitgliedschaft in der Shanghai Cooperation Organization.“
Witzigerweise erzeugt die gleichzeitige Eröffnung eines Dreifrontenkriegs, wenngleich es derzeit nur ein Wirtschaftskrieg ist, einen strategischen Bedarf der drei Mächte zu einer noch engeren Zusammenarbeit. China ist der größte Abnehmer für iranisches Erdöl. Russland liefert militärische Ausrüstung und verhandelt über viele weitere Dinge. Jeder in diesem Dreieck – China, der Iran und Russland – hat aus Gründen des Selbsterhaltungstriebs keine bessere Option, als Angesichts von Washingtons geopolitischem Dreifrontenkrieg noch mehr als bisher zusammenzuarbeiten – bei allem Misstrauen oder allen Differenzen.
https://journal-neo.org/2018/05/14/brzezinski-s-ghost-shapes-washington-eurasia-geopolitics/