Mittwoch, 2. Januar 2019

… und plötzlich sind die Raketen da. “ Russland lässt „Iskander“-Raketen in Kaliningrad auffahren.“

Juni 03, 2018
Jairo Gomez
Der Titel eines Spiegel Online Artikels vom 04.05. lautet folgendermaßen:“ Russland lässt „Iskander“-Raketen in Kaliningrad auffahren.“ Darüber drei Worte:“Berlin in Reichweite“.
In dem Artikel wird ausgeführt, dass diese Raketen eine Reichweite von 500 Km haben und atomar bestückbar seien. Warschau, Berlin und Kopenhagen lägen in ihrer Reichweite. Es werde erwartet, dass diese Raketen auf Dauer in der russischen Exklave stationiert werden.
Perfide an diesem Artikel ist allerdings, dass hier ein „Schwarzer Peter“ in Richtung Russland geschoben wird, ohne zu erwähnen, dass diese Aktion nichts anderes als eine Antwort auf das Handeln der NATO Staaten ist. Ein Blatt das für sich in Anspruch nimmt, zu den seriösen Medien in Deutschland zu gehören, müsste in der Lage sein, einen objektiven Artikel zu liefern.

Die Raketen, um die es in diesem Artikel geht, sind nicht ohne Grund dort aufgetaucht. Es ist nicht ganz leicht zu erklären, aber wer nicht versucht, objektiv darzulegen, wie es dazu gekommen ist, der betreibt meiner Meinung nach nichts anderes als die billige Propaganda eines Boulevardblattes.
Annexion oder doch nicht?
Dass wir am Beginn eines neuen Wettrüstens sind, kommt nicht von ungefähr. Viel zu oft wird darauf hingewiesen, dass die NATO im Grunde nur deswegen demonstrativ an ihrer Ostflanke Präsenz zeigt, weil man besonders im Baltikum und Polen eine neue Expansionspolitik auf Seiten von Russland befürchtet. Genährt wurde diese Angst, durch den Anschluss der Krim in die Russische Föderation.
Hier streiten sich die Experten, einerseits heißt es, das es eine Annexion gewesen sei. Andererseits heißt es, es sei ein Referendum gewesen, in dem die mehrheitlich russisch stämmige Bevölkerung für einen Anschluss an Russland gestimmt habe.
Wie auch immer man es betrachten mag, zwei Faktoren kommen stets zu kurz und werden den Menschen hier im Westen nicht deutlich genug erklärt.
Die Krim gehört zum unmittelbaren Einflussgebiet Russlands, insbesondere deswegen, weil sich dort der einzige Hafen Russlands befindet, der ganzjährig eisfrei ist. Da dort die Schwarzmeer Flotte stationiert ist, ist die Halbinsel von enormer, strategischer Wichtigkeit für Russland.
Es bestand die Möglichkeit, dass bei einem eventuellen Beitritt der Ukraine zur EU und de NATO, sich dieser wichtige Stützpunkt, im Einflussgebiet des Westens befunden hätte.
Meines Erachtens ist das ein Punkt, dem hier im Westen, weder von der Politik noch von den Medien, genug Wichtigkeit beigemessen wird. Egal wer in Moskau an der Macht gewesen wäre, das zuzulassen, wäre einem innenpolitischen Selbstmord gleichgekommen.
Der zweite Faktor betrifft die Tatsache, dass es eine kontinuierliche Erweiterung des westlichen Militärbündnisses in den Osten gegeben hat, entgegen vorher gemachter Zusagen, im Zuge der 4+2 Verhandlungen, die zur deutschen Einheit führten. Letzteres wäre ohne das Einverständnis der sowjetischen Regierung nicht möglich gewesen. Ein Umstand, dem seitens der Politik und der Medien, aus welchen Gründen auch immer, nicht Rechnung getragen wird.
Zurück zur Krim. Die russische Regierung behauptet, dass die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation mit dem Völkerrecht konform gewesen sei, weil es ein Referendum gegeben habe, in dem sich die Mehrheit der Bevölkerung für einen Anschluss an Russland ausgesprochen habe. Es wird geltend gemacht, dass dieses Recht, die freie Selbstbestimmung der Völker vorsieht.
Hier im Westen wird behauptet, dass es eine Annexion gewesen sei und damit rechtswidrig. Was diese Behauptung untermauert, ist die Tatsache, dass Angehörige von Spezialkommandos „unbekannter“ Herkunft, sie trugen keinerlei Abzeichen an ihren Uniformen, im Vorfeld des Referendums auf der Krim auftauchten.
Sie zwangen die ukrainischen Soldaten und Polizisten in ihren Kasernen zu bleiben, bis das Referendum abgeschlossen war. Welchen Zweck diese Aktion hatte, darüber lässt sich spekulieren. Waren die „unbekannten“ Soldaten dazu da, um die Bevölkerung davor zu schützen von ukrainischer Polizei oder Armee daran gehindert zu werden ihre Wahl zu treffen, oder waren sie da, um eben diese Bevölkerung einzuschüchtern? Man weiß es nicht mit Gewissheit.
Eines ist allerdings gewiss, Russland hat aus eigener Sicht, legitim seine strategischen Interessen gewahrt, genau wie alle Länder, aus denen derzeit fast ausschließlich ein Zeter und Mordio zu hören ist.
Allen voran die USA, ein Land dessen Staatsgebiet sich seit seiner Gründung zu einem großen Teil aufgrund von Landraub, Kriegen und auch durch Annexion vergrößert hat.
Hawaii , Guam, die Philippinen, Kuba und Puerto Rico, sind gute Beispiele dafür.
Es sind auch die ehemaligen Kolonialmächte in Europa zu hören, die laut ihre Proteste heraus schreien und dabei vergessen, dass sie eine ebenso schändliche Vergangenheit haben, in deren Verlauf Millionen von Todesopfern zu verzeichnen sind. Auf der Krim war kein Opfer zu verzeichnen.
Ein Gedankenexperiment
Versuchen wir doch jetzt mal ein Gedankenexperiment durchzuführen, zu dem die aktuellen Politiker nicht mehr fähig oder nicht mehr Willens sind. versuchen wir uns eine Situation vorzustellen, die der jetzigen, einigermaßen, spiegelbildlich entsprechen würde:
Die NATO hat sich aufgelöst. Die USA ist weiterhin Atommacht, hat aber ihren Einfluss in Europa eingebüßt. Der Wahrschauer Pakt, unter der Führung der Sowjetrepublik Russland, ist jetzt die stärkste Macht auf der Welt, die ehemaligen NATO Mitgliedsländer in Europa, treten in den Warschauer Pakt ein.. Sein Einflussgebiet dehnt sich weiter auf Süd und Mittelamerika aus, nachdem fast alle Länder einer Transatlantischen beigetreten sind, oder als Beitrittskandidaten in Verhandlungen stehen.Stellen wir uns weiterhin vor, die USA, Mexiko, Guatemala und Honduras, seien vorher eine politische Einheit gewesen. In all diesen Ländern haben sich zahlreiche US-Amerikaner niedergelassen und sprechen sowohl die Landessprache als auch Englisch.
In Honduras befindet sich ein großer Stützpunkt der US-Kriegsmarine und die Bevölkerung ist mehrheitlich US-stämmig. Nun besteht die Möglichkeit, dass sich durch die geo-politischen Veränderungen, Honduras Mitglied des Warschauer Paktes wird. Der einzige Marinestützpunkt, der durch die Karibik, eine Durchfahrt in den Atlantik gewährleistet, wäre verloren. Unzählige US-stämmige Menschen wären von der kulturellen Heimat abgeschnitten. Auf Grund dieser Entwicklungen verlangt die Bevölkerung innerhalb der USA und in Honduras, eine Angliederung oder besser eine Aufnahme in die USA, nachdem ein Referendum durchgeführt wird. Die Mehrheit entscheidet sich für einen Beitritt zu den Vereinigten Staaten von Amerika.
Da im Pazifik und in Südamerika, sogar auf Grönland nun die Stimme Moskaus ausschlaggebend ist und überall neue Militärstützpunkte des Warschauer Paktes entstehen, müssen sich die USA wappnen und ihre Truppen an ihren Grenzen verstärken, um der Bevölkerung und vor allem der Gegenseite zu zeigen, dass man auf alles vorbereitet ist.
In anderen Kategorien denken
Es ist notwendig sich von den Kategorien gut und böse zu lösen. Gibt man der nüchternen Ebene der Interessenvertretung den Vorrang, erkennt man, dass die Regierung der Russischen Föderation nach der Logik der Geostrategie nicht anders handeln kann, als in Kaliningrad, die „Iskander“-Raketen aufzustellen.
Der Vorwurf den dieser Beitrag beinhaltet, gilt gleichermaßen den Politikern in allen beteiligten Ländern. Niemand ist davon ausgenommen. Sie denken in abstrakten Kategorien, sie richten sich nach den Interessen von Staaten und Konzernen. Menschen scheinen dabei nicht viel mehr als eine Ressource zu sein, auf die man bei Bedarf zurückgreifen kann. Der Tod, das Grauen und das Elend, das Menschen auf Grund der Entscheidungen von Politik erleiden müssen, ist ihnen scheinbar ebenso fern wie der Mond. Bei ihrer eigentlichen Aufgabe, sich nämlich für das Wohl und die Gesundheit der Menschen einzusetzen, die sie gewählt haben, ist ein komplettes Versagen zu verbuchen. Fantasie wird nur noch dafür eingesetzt um Möglichkeiten auszuloten, wie man die Gegenseite übervorteilen kann und nicht um gemeinsam eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten zufrieden sein können.
Und dann wundert man sich, dass die Raketen da sind ….
https://www.info-welt.eu/2018/06/und-plotzlich-sind-die-raketen-da.html