Das Imperium weicht zurück: Pentagon-Studie warnt vor drohendem US-Kollaps
4.08.2017DOD-Risk Assessment in a Post Primacy World" („Auf u
https://de.rt.com/16j7
Pentagon-Studie mit dem dem Titel „At Our Own Peril: DOD-Risk Assessment in a Post Primacy World" („Auf unsere eigene Gefahr: Eine Risikoeinschätzung des Verteidigungsministeriums für eine Welt nach der Vorherrschaft“). . .
Die globale Vormachtstellung der USA in akuter Gefahr
Bei ihrer Risikobewertung der aktuellen weltpolitischen Lage nimmt die Studie kein Blatt vor den Mund. Demnach sei die Welt in eine neue "transformative Phase" eingetreten. Diese führe zu einem Machtverlust der USA und der von ihr dominierten Weltordnung. Die Studie macht ebenso einen wachsenden „Widerstand gegen jede Art von Autorität“, auch aufgrund der ungefilterten Verbreitung von Informationen, aus. Dieser Prozess mache unter anderem eine „strategische Manipulation von Wahrnehmungen“ notwendig.
Russland, aber auch China spielen insofern eine bedeutende Rolle, dass zwar beide Länder eine wachsende Bedrohung der Interessen der Vereinigten Staaten darstellten. Dennoch sei das Augenmerk auch auf Phänomene nach Drehbuch des sogenannten „Arabischen Frühlings“ zu legen. Diese Art des sozialen und politischen Aufbegehrens könnte nach Ansicht der Pentagon-Experten nicht nur im Mittleren Osten und Nordafrika ausbrechen, sondern überall auf der Welt Nachahmer finden und folglich das Vertrauen in die politischen Eliten aushöhlen.. .
Die USA bleiben zwar ein global agierender, politischer, wirtschaftlicher und militärischer Riese, ihre Position ist für Mitbewerber aber nicht mehr unangreifbar“, heißt es etwa in der Studie.
Die Pentagon-Strategen erweisen sich dabei als gute Beobachter der aktuellen weltweiten Entwicklungen. Galten noch bis vor wenigen Jahren die US-Machtinteressen als legitimer Handelsrahmen der sogenannten internationalen Gemeinschaft, stellen regionale Mächte wie Iran, China oder auch Russland diese Deutungshoheit immer weiter in Frage.
Kurz gesagt, der bisher bestehende Zustand, den US-Strategen nach dem Zweiten Weltkrieg herbeigeführt und seither erhalten haben und der jahrzehntelang tonangebend für das Pentagon war, droht nicht nur zu zerfallen, es könnte auch zum ‚Kollaps‘ kommen“, führen die Autoren der Studie weiter aus.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion: Die USA im Rausch der Macht
Erhellt wird auch der Umstand, dass die Hoffnung vieler Staaten nach einer Friedensdividende nach dem Zerfall der Sowjetunion zerschlagen wurde und die USA stattdessen dem Rausch als alleinig verbliebene Supermacht erlagen:
Diese Ordnung und ihre konstituierenden Teile haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet; sie wurden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in ein unipolares System umgewandelt und werden seither von den USA und ihren asiatischen und westlichen Verbündeten dominiert. Bisher konnten die USA mit Unterstützung ihrer Verbündeten die Bedingungen zur Erhaltung der internationalen Sicherheit diktieren und die Entstehung rivalisierender Machzentren verhindern,“ heißt es weiter.
Was die Weltöffentlichkeit mit großem Interesse anhand der neuen US-Sanktionen aus erster Hand nachvollziehen kann, ist mit welch wachsender Sorge die USA versuchen, ihre globale Vormachtstellung zu verteidigen.
Dabei macht das politische US-Establishment offensichtlich immer weniger Aufhebens um multilaterale Vereinbarungen und das internationale Völkerrecht.
Die sich auch darin ausdrückende Erosion des imperialen Machtanspruchs hatte zur Folge, dass „die seit sieben Jahrzehnten nach US-Regeln funktionierende Weltordnung aber ins Wanken geraten“ sei.
Als „God's own country“ verschlief das Pentagon jedoch die entsprechenden Entwicklungen. Daher auch die Warnungen, „dass globale Entwicklungen derzeit vom Pentagon nicht rechtzeitig wahrgenommen werden und dass die unangreifbare Position der Überlegenheit, welche die USA bis 20 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion halten konnten, nun akut gefährdet sei.
Höchste Zeit also zum Gegenschlag auszuholen, um die davonschwimmenden Felle wieder einzusammeln und, wenn möglich, teuer zu verkaufen.
Aktuell seien die Vereinigten Staaten jedoch zu geschwächt, um ihre nach wie vor vorhandene militärische Überlegenheit auch nach Gutdünken einzusetzen - und als Verteidigung von „Freiheit“ und „Menschenrechten“ anzupreisen. Doch die Gefahren, die das US-Verteidigungsministerium identifiziert, lassen sich nur schwerlich nach der bewehrten Holzhammer-Methodik lösen:
Alle Staaten und traditionellen politischen Machtstrukturen stehen unter zunehmendem Druck endogener und exogener Kräfte. (…) Der Zerfall der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Weltordnung wird vom Zerfall der politischen, sozialen und wirtschaftlichen innerstaatlichen Ordnung begleitet.
Eine fundierte Analyse der Gründe für diese Entwicklung findet jedoch nicht statt. Der militärisch-industrielle Komplex als ausschlaggebendes Instrument zum Erhalt des US-Imperiums trägt zumindest eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Entstehung des Vertrauensverlusts in die staatlichen Strukturen, deren Unterminierung das Pentagon-Strategiepapier so bitterlich beklagt.
China, Russland und der Iran gehören zum Kreis "revisionistischer Mächte"
Die Verfasser der Studie wollen sich jedoch nicht als Reiter der US-Apokalypse verstanden wissen, sondern als Mahner. Demnach sei es nun höchste Zeit, den neuen Bedrohungen ausgehend von Staaten wie Russland, China, aber auch dem Iran und Nordkorea wieder Herr zu werden.
Interessant ist es zu erfahren, dass die genannten Staaten nicht aufgrund ihrer militärischen Potenz zur Gefahr heranwachsen, sondern weil sie in bisher ungewohnter Manier ihre eigenen Interessen artikulieren und auf internationaler Bühne verfolgen – und sich damit als „revisionistische Mächte“ der Dominanz der USA zu entziehen versuchen.
Die aktuellen Entwicklungen, die sich bei China, Russland und dem Iran beobachten lassen, geben den US-Analysten Recht. Die Konsequenzen, die sie ziehen, dürften sich jedoch fundamental von denen der aufstrebenden „Global Player“ unterscheiden.
Sollte die EU ebenfalls ernst machen und angedrohte Gegenmaßnahmen aufgrund der neuen US-Sanktionen gegen Russland in die Wege leiten, dürfte es wohl nicht lange dauern, bis auch sie sich auf der Liste der revisionistischen Staatengemeinschaft wiederfinden.
Das kann augenscheinlich sehr schnell gehen, wenn laut Studie „jeder noch so kleine Vorteil für andere Staaten zulasten der USA und ihrer asiatischen und westlichen Verbündeten“ geht. Freunde kann es bei so einer Definition der internationalen Beziehungen in der Tat nicht geben, sondern nur Vasallen.
Diese beugen sich entweder dem Diktat aus Washington, oder sie werden in einem ersten Schritt mit Sanktionen überzogen. Zeitigt der Ansatz keine Erfolge, drohen militärische Maßnahmen zum „Schutz der Bevölkerung“.
Die Pentagon-Studie rät, sich in diesem volatilen globalen Umfeld vom Unilateralismus abzuwenden und stattdessen den Schulterschluss mit einem Kreis auserwählter Staaten zu suchen. Zu diesen Langzeit-Freunden zählen:
Das Vereinigte Königreich, Australien, Kanada und Frankreich als besonders aktive US-Partner."
Die „regionale Variabilität“ der Ereignisse und Konstellationen umfasst des Weiteren asiatische und Staaten des Mittleren Ostens:
Hier handelt es sich insbesondere um Japan und die Republik Korea im Pazifik, Ägypten, Saudi-Arabien und Jordanien im Mittleren Osten."
Die Studie offenbart ebenso, was bisher als böswillige Propaganda abgetan wurde, nämlich, dass die NATO lediglich eine „regionale“ Rolle in den strategischen Blaupausen der US-Militärs spielt. Es handelt sich um das Eingeständnis eines radikalen Wechsels der bisherigen offiziellen militärischen US-NATO-Doktrin. Ebenso beschreiben die Ausführungen eine Abkehr der Verpflichtungen und Aufgaben, die sich das trans-atlantische Militärbündnis während des sogenannten Kalten Kriegs auf die Fahnen schrieb.
Aus imperialer Sicht ist nur das Wohlergehen der imperialen Nation von essenzieller Bedeutung. Dass die entsprechende Doktrin erst mit US-Präsident Donald Trump Einzug ins Weiße Haus erhielt, ist jedoch ein fataler Fehlglaube. Bereits sein Vorgänger Barack Obama berief sich auf die „Unverzichtbarkeit“ der Vereinigten Staaten. Während einer Ansprache vor Kadetten der US-Militärakademie West Point zeugte sich Obama überzeugt:
Die Werte unserer Gründerväter inspirieren Staatenlenker in Parlamenten und neuen Bewegungen auf öffentlichen Plätzen auf dem gesamten Globus. (…) Die Vereinigten Staaten sind und bleiben die einzige unverzichtbare Nation. Das war im vergangenen Jahrhundert so und wird auch in den kommenden hundert Jahren so bleiben."
Dass die Welt aktuell eine historische Zäsur erlebt, die adäquate Maßnahmen erfordert, spiegelt sich jedoch nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich wieder. Auf die entsprechenden Implikationen geht die Studie des US-Verteidigungsministeriums jedoch bei ihrer Evaluation auch nicht am Rande ein. Der Chefökonom der Weltbank, Paul Romer, hat zum Thema jedoch eine dezidierte Meinung, die er in einer nunmehr historischen Rede am 5. Januar 2016 unter dem Titel „The Trouble of Macroeconomics“ mit der Öffentlichkeit teilte.
Romer verweist darauf, dass die USA vor immensen wirtschaftlichen Problem stehen. Dies wiederum würde hinter vorgehaltener Hand diskutiert, jedoch nicht öffentlich. Vor allem der Produktionssektor der Vereinigten Staaten wird in diesem Zusammenhang vom Top-Ökonom als Sorgenkind betrachtet:
Ich sage, das Auto ist kaputt, und alle sagen, ‚Romer ist ein furchtbarer Kerl‘, weil er das Auto nicht reparieren konnte“, wird Romer von der Nachrichtenseite Bloomberg zitiert...
Iran und Nordkorea als Schurkenstaaten
Auch gegenüber den „revolutionären Mächten“ Iran und Nordkorea pflegt die Studie ein fast erfrischend offenes Wort. Diese stellen demnach bloß ein Hindernis für die imperialen Ambitionen der USA dar. Eine beachtliche strategische Herausforderung, denn beide Staaten
(…) unterwerfen sich weder der gegenwärtigen Weltordnung, noch erkennen sie diese Ordnung an. (…) Sie maßen sich sogar an, den Einfluss der USA in ihren eigenen Einflussgebieten einzudämmen und wollen ihn dort durch eigene Regeln ersetzen."
Auch derartige Aussagen werfen eine erhellendes Licht etwa auf die jüngst gegen den Iran durch die USA beschlossenen Sanktionen. Diese wurden verabschiedet, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) der iranischen Regierung zuletzt Anfang Juni erneut bescheinigte, alle Verpflichtungen der Vereinbarung einzuhalten. Vergangene Woche lobte UN-Generalsekretär Antonio Guterres Teheran anlässlich des zweiten Jahrestags der Unterzeichnung des Abkommens beziehungsweise eines gemeinsamen Aktionsplanes. Guterres bestätigte, dass Teheran alle notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der Vereinbarung ergriffen habe und alles nach Plan verlaufe.
Der iranische Außenamtssprecher, Bahram Ghassemi, ordnet die jüngsten Entwicklungen wie folgt ein:
Überhaupt wird das Atomabkommen von den Amerikanern instrumentalisiert, um ihre feindselige Politik gegenüber Teheran zu rechtfertigen", sagte der Sprecher.
Wie nicht anders zu erwarten, spielen auch die Medien als Instrument angewandter Soft Power eine herausragende Rolle bei der Wahrung und womöglich dem Ausbau der US-Rolle als globale Ordnungsmacht.
In diesem Sinne ist alles, was nicht der US-Definition von „Nachrichten“ entspricht schlicht „Propaganda“, „Desinformation“ oder eben „Fake news“.
Die konstatierte „weltweite Vernetzung und der Einsatz von Nachrichten als Waffe zur Desinformation und Stimmungsmache“ hat demnach eine unkontrollierte Verbreitung von Informationen zur Folge. Dieser freie Fluss an Informationen ist es, dem es zu begegnen gilt, denn diese führe dazu, dass „die vom Pentagon gewünschte Geheimhaltung und operative Sicherheit nicht mehr gewährleistet“ sei:
Der weitgehend unkontrollierte Zugang zu neuer Technologie, die selbstverständlich auch genutzt wird, macht es unmöglich, heikle, geheime oder verdeckte Absichten, Aktionen oder Operationen unentdeckt zu verfolgen und durchzuführen. (…) Die Militärführung muss sich darauf einstellen, dass alle mit der Verteidigung zusammenhängenden Aktivitäten – von kleineren taktischen Maßnahmen bis zu größeren Truppenbewegungen – künftig sofort bekannt werden“, heißt es in der Studie.
Eine ebenso lückenhafte wie einseitige Bestandsaufnahme. So spielt etwa der Einfluss des industriell-militärischen Komplexes auf die Erosion des Vertrauens der Bevölkerung in die Regierungsarbeit Washingtons in den Erwägungen keinerlei Rolle.
Auch „Fakten“ und deren Definition spielen in diesem Zusammenhang eine taktisch entscheidende Rolle. Die Studie teilt Fakten dabei in eigenwillige Kategorien ein. So existieren demnach „Gerüchte, die nicht auf Fakten beruhen“ und zum Ziel haben, die „objektive Wahrheit“ zu ersetzen. Daneben könne es jedoch auch „zutreffende Fakten“ geben, die dazu angetan seien, die globale Führungsrolle der USA in Frage zu stellen. Zu diesen „ungünstigen Fakten“ zählen demnach etwa Enthüllungen über korrupte oder unfähige Politiker und undemokratische Verhaltensweisen. Deren Aufdeckungkönnten die Autorität der Regierung schwächen und das Verhalten zwischen der Regierung und Regierten belasten."
Zu den „gefährlichen Fakten“ zählen dabei die sogenannten „Leaks“, etwa von Staatsgeheimnissen durch Whistleblower wie Edward Snowden oder auch Bradley Manning. Diese „könnten sehr nachteilige taktische, operative oder strategische Folgen haben“.
Ein Schelm, wer dabei etwa an die WikiLeaks-Enthüllungen über die Machenschaften der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton denkt. Anstatt auf die sehr konkreten Vorwürfe einzugehen, zog es das politische Establishment vor, zum Gegenangriff überzugehen und die öffentliche Aufmerksamkeit unter der gekonnten Ausnutzung medialer Möglichkeiten, auf eine vermeintliche Einmischung Russlands durch Hacker auf die US-Präsidentschaftswahlen zu lenken.
Die Studien-Autoren kennen jedoch auch „vergiftete Fakten“ nach US-Definition. Diese zählen für die Verfasser zu den gefährlichsten Auslösern ziviler Unruhen, da siegrundlegende nationale Sicherheitsinteressen auf internationaler, nationaler, regionaler oder persönlicher Ebene gefährden. Besonders vergiftete Fakten können wie Viren oder Bakterien den Zusammenhalt der eigenen Bevölkerung oder die Beziehungen zwischen den Völkern stören."
Ausbau der Massenüberwachung als Abwehrmaßnahme der Wahl
Als Gegenmaßnahmen empfiehlt die Studie der US-Regierung ihr geheimdienstliches Instrumentarium zur massenhaften Überwachung weiter auszubauen, auch wenn diese bereits als
die am weitesten reichenden und am besten entwickelten der Welt anzusehen sind."
Darüber hinaus gelte es für die US-Administration
ihren geheimdienstlichen Apparat zur strategischen Manipulation von Wahrnehmungen und zur Beeinflussung sicherheitsrelevanter Entscheidungen zu nutzen."
Militärische Überlegenheit zum Erhalt der Vormachtstellung
Flankiert werden sollte die Überwachung von der „weit vorgeschobenen Militärpräsenz“ der USA und ihrer „militärischen Überlegenheit“. In diesem Metier befänden sich die USA in „einer beneidenswerten Position der Stärke“.
Eine grundlegende Herausforderung bestünde demnach darin, dass Washington seine militärische Überlegenheit allzu zögerlich einsetze:
Diese Stärke ist jedoch nur dann etwas wert, wenn die USA auch dazu bereit sind, sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Wenn die US-Streitkräfte zeigen, dass sie bereit sind, zu führen, werden ihnen andere folgen."
Ohnehin bildet das Militär den Dreh- und Angelpunkt der strategischen Empfehlungen. Die herausragende globale Position der USA könne demnach nur durch einen weiteren Ausbau der US-Streitkräfte manifestiert werden. Die Autoren der Studie fordern daher freimütig eine „maximale Handlungsfreiheit“ für die Streitkräfte. Nur so könnten „jedem Gegner die Bedingungen zur Beendigung eines Konflikts diktiert“ werden.
Die aktuellen politischen Diskussionen scheinen den sich nun offen zeigenden militärischen Charakter der US-Administration zu bestätigen. Nachdem der ehemalige US-Stabschef Reince Priebus seinen Schreibtisch räumen musste und durch John Kelly ersetzt wurde, bekleiden nun vier US-Generäle wichtige Schlüsselpositionen in Washington. Kelly zeigt sich überzeugt, dass der "Krieg gegen den Terror" noch längst nicht vorbei sei. Vielmehr werde er noch "über Generationen" andauern.
https://deutsch.rt.com/nordamerika/55123-offenbarungseid-pentagon-studie-warnt-vor-us-kollaps/
Montag, 18. März 2019
Warships sink. Bases burn. F-35s die on the runway. Can $24 billion a year -- 3.3 % of the Pentagon budget -- fix the problem?
By SYDNEY J. FREEDBERG JR.on March 07, 2019
WASHINGTON: The US keeps losing, hard, in simulated wars with Russia and China. Bases burn. Warships sink. But we could fix the problem for about $24 billion a year, one well-connected expert said, less than four percent of the Pentagon budget.
“In our games, when we fight Russia and China,” RAND analyst David Ochmanek said this afternoon, “blue gets its ass handed to it.” In other words, in RAND’s wargames, which are often sponsored by the Pentagon, the US forces — colored blue on wargame maps — suffer heavy losses in one scenario after another and still can’t stop Russia or China — red — from achieving their objectives, like overrunning US allies.
No, it’s not a Red Dawn nightmare scenario where the Commies conquer Colorado. But losing the Baltics or Taiwan would shatter American alliances, shock the global economy, and topple the world order the US has led since World War II.
Body Blows & Head Hits
How could this happen, when we spend over $700 billion a year on everything from thousand-foot-long nuclear-powered aircraft carriers to supersonic stealth fighters? Well, it turns out US superweapons have a little too much Achilles in their heels.
“In every case I know of,” said Robert Work, a former deputy secretary of defense with decades of wargaming experience, “the F-35 rules the sky when it’s in the sky, but it gets killed on the ground in large numbers.”
Even the hottest jet has to land somewhere. But big airbases on land and big aircraft carriers on the water turn out to be big targets for long-range precision-guided missiles. Once an American monopoly, such smart weapons are now a rapidly growing part of Russian and Chinese arsenals — as are the long-range sensors, communications networks, and command systems required to aim them.
So, as potential adversaries improve their technology, “things that rely on sophisticated base infrastructure like runways and fuel tanks are going to have a hard time,” Ochmanek said. “Things that sail on the surface of the sea are going to have a hard time.”
(That’s why the 2020 budget coming out next week retires the carrier USS Trumandecades early and cuts two amphibious landing ships, as we’ve reported. It’s also why the Marine Corps is buying the jump-jet version of the F-35, which can take off and land from tiny, ad hoc airstrips, but how well they can maintain a high-tech aircraft in low-tech surroundings is an open question).
While the Air Force and Navy took most of the flak today at this afternoon’s Center for a New American Security panel on the need for “A New American Way of War.” the Army doesn’t look too great, either. Its huge supply bases go up in smoke as well, Work and Ochmanek said. Its tank brigades get shot up by cruise missiles, drones, and helicopters because the Army largely got rid of its mobile anti-aircraft troops, a shortfall it’s now hastening to correct. And its missile defense units get overwhelmed by the sheer volume of incoming fire.
“If we went to war in Europe, there would be one Patriot battery moving, and it would go to Ramstein. And that’s it,” Work growled. “We have 58 Brigade Combat Teams, but we don’t have anything to protect our bases. so what different does it make?”
Worst of all, Work and Ochmanek said, the US doesn’t just take body blows, it takes a hard hit to the head as well. Its communications satellites, wireless networks, and other command-and-control systems suffer such heavy hacking and jamming that they are, in Ochmanek’s words, “suppressed, if not shattered.”
The US has wargamed cyber and electronic warfare in field exercises, Work said, but the simulated enemy forces tend to shut down US networks so effectively that nothing works and nobody else gets any training done. “Whenever we have an exercise and the red force really destroys our command and control, we stop the exercise,” Work said, instead of trying to figure out how to keep fighting when your command post gives you nothing but blank screens and radio static.
The Chinese call this “system destruction warfare,” Work said: They plan to “attack the American battle network at all levels, relentlessly, and they practice it all the time.”
The $24 Billion Fix — And Cuts
So how do you fix such glaring problems? The Air Force asked RAND to come up with a plan two years ago, and, surprisingly, Ochmanek said, “we found it impossible to spend more than $8 billion a year.”
That’s $8 billion for the Air Force. Triple that to cover for the Army and the Navy Department (which includes the US Marines), Ochmanek said, and you get $24 billion. Yes, these are very broad strokes, but that’s only 3.3 percent of the $750 billion defense budget President Trump will propose for the 2020 fiscal year.
Work was less worried about the near-term risk — he thinks China and Russia aren’t eager to try anything right now — and more about what happens 10 to 20 years from now. But, he said, “sure, $24 billion a year for the next five years would be a good expenditure.
So what does that $24 billion buy?
To start with, missiles. Lots and lots of missiles. The US and its allies notoriously keep underestimating how many smart weapons they’ll need for a shooting war, then start to run out against enemies as weak as the Serbs or Libyans. Against a Russia or China, which can match not only our technology but our mass, you run out of munitions fast.
Specifically, you want lots of long-range offensive missiles. Ochmanek mentioned Army artillery brigades, which use MLRS missile launchers, and the Air Force’s JAGM-ER smart bomb, while Work touted the Navy’s LRASM ship-killer. You also want lots of defensive missiles to shoot down the enemy‘s offensive missiles, aircraft, and drones. One short-term fix there is the Army’s new Maneuver Short-Range Air Defense (MSHORAD) batteries, Stinger missiles mounted on 8×8 Stryker armored vehicles. In the longer term, lasers, railguns, and high-powered microwaves could shoot down incoming missiles much less expensively.
The other big fix: toughening up our command, control, and communications networks. That includes everything from jam-proof datalinks to electronic warfare gear on combat aircraft and warships. The services are fond of cutting corners on electronics to get as many planes in the air and hulls in the water as possible, Ochmanek said, but a multi-billion dollar ship that dies for lack of a million-dollar decoy is a lousy return on investment.
In the longer run, Work added, you want to invest heavily in artificial intelligence: not killer robots, he said, but “loyal wingmen” drones to support manned aircraft and big-data crunchers to help humans analyze intelligence and plan.
Of course, you have to find the money for new stuff somewhere, which means either raising the defense budget even further — unlikely — or cutting existing programs. Ochmanek was unsurprisingly shy about specifics, saying only that the services could certainly squeeze out $8 billion each for new technologies.
Work was a little harder-edged. He said cutting a carrier and two amphibious ships over the forthcoming 2020-2024 budget “seems right to me.” He argued the US Army has way too many brigade combat teams — tanks and infantry — and way too little missile defense to protect them. And he bemoaned reports the US Air Force will retire the B-1 bomber, one of its few long-range strike aircraft: If the Air Force doesn’t want them, he said, give them to the Navy, revive the old VPB “Patrol Bomber” squadrons, and load them with Long-Range Anti-Ship Missiles to sink the Chinese navy.
Pentagon leaders should challenge the armed services to solve very hard, very specific problems, Work said: Sink 350 Chinese navy and coast guard vessels in the first 72 hours of a war, or destroy 2,400 Russian armored vehicles. Whoever has the best solution gets the most money. Those are hardly easy goals, Work said, but they’re also doable with technology now in development.
The immediate problems could be fixed with technology already in production, Ochmanek said. For $24 billion, “I can buy the whole kit,” he said. “It’s all mature technologies and it would scare the crap out of adversaries, in a good way.”
Sonntag, 17. März 2019
Warum der US-Dollar ins Taumeln gerät
20.11.2018
Natalja Dembinskaja
Im Oktober erlebte der US-Aktienmarkt einen großen „Ausverkauf“. Der Börsenindex S&P500 verlor acht Prozent, der High-Tech-Index NASDAQ sogar 9,2 Prozent. Das löste einen „Domino-Effekt“ in Europa und Asien aus: Die gesamten Verluste aller Börsen erreichten knapp fünf Billionen Dollar.
Der Grund für den „Ausverkauf“ in Amerika: Die Investoren befürchten eine neue Anhebung der Leitzinsen. Denn die jüngste Verschärfung der Geld- bzw. Kreditpolitik der Federal Reserve führte zur Erhöhung der Rentabilität der langfristigen Staatsanleihen und der Hypothekarzinsen – und letztendlich wurden weniger Immobilien gekauft.
In diesem Jahr erhöhte die Fed dreimal den Leitzins – und das ist offenbar noch nicht das Ende. Laut der Prognose der Bank Goldman Sachs wird die US-Notenbank zu dieser Maßnahme bis Ende 2019 noch fünfmal greifen. Das ist doppelt so viel wie der Markt erwartet. Die Hauptargumente sind: Die US-Wirtschaft erholt sich allmählich, und deshalb ist eine „stimulierende Politik“ nicht mehr nötig.
Die Wahrscheinlichkeit einer neuen Leitzinserhöhung wird auch durch die Inflation provoziert. Laut Experten der Yale University beginnt in Amerika gerade ein Inflationsanstieg, nicht zuletzt wegen der jüngsten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und vielen anderen Ländern.
Der Experte Stephen Roach von der Universität, der früher Morgan Stanley Asia geleitet hatte, erwartet im kommenden Jahr eine Inflationsrate von bis zu 3,5 Prozent. Und das bedeute, dass die Federal Reserve den Leitzins erhöhen müsste.
Trump gegen Federal Reserve
US-Präsident Donald Trump ist verärgert über die aktuelle Politik der US- Notenbank. Im Oktober nannte er die Federal Reserve „die größte Gefahr für die Wirtschaft“. Außerdem gefällt dem US-Staatschef nicht, dass die Federal Reserve eine unabhängige Struktur ist, auf die das Weiße Haus keinen Einfluss hat.
Wenn die Fed die Leitzinsen erhöht oder andere Maßnahmen zwecks Verschärfung der Geld- bzw. Kreditpolitik ergreift, bleibt im Finanzsystem immer weniger „billiges Geld“.
Je höher die Leitzinsen sind, desto teurer sind die Kredite für die Geschäftskreise. Das bedeutet, dass Unternehmer Löhne bzw. Gehälter ihrer Arbeitnehmer nicht erhöhen, ihre Investitionen reduzieren, während Aktienbesitzer mit geringeren Dividenden rechnen müssen. Und angesichts dessen werden die Wertpapiere von Unternehmen weniger attraktiv.
Erste Opfer
Nach Angaben der OECD ist der Anteil der „Zombi-Unternehmen“, die keine Gewinne generieren und nur dank Krediten überleben, in den vergangenen Jahren auf sechs Prozent gestiegen. Und das ist ein sehr beunruhigendes Zeichen, findet der Analyst Andrej Kotschetkow („Open Broker“).
Eines der Opfer der Leitzinserhöhung wurde einer der größten amerikanischen Konzerne: General Electric. „Die Finanzergebnisse des Giganten sind wesentlich schlechter geworden, aber das ist noch nicht alles: Sein Börsenwert wurde inzwischen niedriger als seine korporativen Schulden (110 Milliarden Dollar). Die Unternehmen werden immer weniger Geld für die Entwicklung haben, weil sie beträchtliche Mittel in das Bedienen ihrer Schulden stecken müssen. Dementsprechend ist das Wirtschaftswachstum ins Stocken geraten“, erläuterte Experte Kotschetkow.
Gefährlicher Anstieg
Die Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve führt zum Anstieg der Rentabilität der US-Staatsanleihen, unter anderem der zehnjährigen Wertpapiere, an die die Bankkredit- Hypothekarzinsen gebunden sind. Dementsprechend geht die Kaufkraft der Bevölkerung zurück.
Die hohe Rentabilität ermöglicht es, größere Investitionen heranzuziehen. Aber auch diese Medaille hat ihre Kehrseite.Analysten der Bank of America Merrill Lynch warnten bereits:
Der Anstieg der Leitzinsen in den USA könnte eine neue Krise provozieren. Investoren verkaufen schon seit einem Jahr Wertpapiere der Entwicklungsmärkte. Der Grund: die Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve, weshalb der US-Dollar stärker wird.Die aktuelle Situation erinnert nach Einschätzung der Experten an die Situation vor etwa 20 Jahren, als Investoren hochriskante Staatsanleihen der Schwellenländer im großen Stil abstießen..
https://de.sputniknews.com/wirtschaft/20181120323030649-druck-us-dollar-leitzinsen/
Goldbarren und DollarHegemon am Ende? USA erkennen Erfolge Russlands bei Dollar-Verzicht an
13.11.2018
Natalja Dembinskaja
Russland geht bei der Entdollarisierung der Wirtschaft in den Turbo-Modus, schreibt die größte US-Wirtschaftszeitschrift „The Wall Street Journal“.
Laut der Zeitung sind die Erfolge Moskaus bei der Reduzierung der Dollar-Rolle in der russischen Wirtschaft beeindruckend.
Der Handelsumsatz in Nationalwährung alleine mit China stieg in den letzten Jahren um das Vierfache. Laut der Zeitung wird der Verzicht auf den Dollar systematisch, und die Unberechenbarkeit der Außenpolitik Washingtons wird gefährlich für die USA selbst.
Der russische Plan zur Entdollarisierung der Wirtschaft, der vom Finanz- und Wirtschaftsministerium und der Zentralbank entwickelt wurde, soll bis zum Jahresende veröffentlicht werden. Bekannt ist, dass er Steuerermäßigungen und andere Präferenzen für Firmen umfassen wird, die Rubel beim Zahlungsverkehr nutzen. Dazu gehören eine beschleunigte Rückzahlung der Mehrwertsteuer für Exportlieferungen sowie die allmähliche Aufhebung der Forderung nach Rückbringung der Exportgewinne.
Das Dokument soll die russische Anti-Dollar-Strategie endgültig festlegen, doch bereits jetzt bringen die unternommenen Schritte ziemlich konkrete Ergebnisse.„Der Anteil der Einlagen von privaten Personen und Firmen in ausländischer Währung in russischen Banken ist im September auf 26 Prozent von den Höchstwerten 2016 (37 Prozent) gefallen. Der Anteil der Exporteinnahmen in Dollar sank auf 68 Prozent im zweiten Quartal dieses Jahres von 80 Prozent im Jahr 2013“, schreibt „Wall Street Journal“.
Der Regierungsplan zur Entdollarisierung der Wirtschaft sieht ebenfalls die Förderung des Wechsels russischer Unternehmen zum Zahlungsverkehr in anderen Währungen bei Export und Import vor. Größte Akteure zeigen die Bereitschaft, bei Verrechnungen mit ausländischen Partnern auf den Dollar zu verzichten.
Wie Reuters unter Berufung auf Quellen in der Öl- und Gasbranche schreibt, wollen Gazprom und Surgutneftegaz bei allen Transaktionen mit dem Westen von Dollar zu Euro wechseln.Besonders harte Verhandlungen werden von westlichen Ölfirmen und Händlern in den letzten Wochen geführt, wobei Details zu Verträgen für 2019 besprochen werden, so Reuters. Damit senkt die russische Ölbranche das Risiko der Verluste bei möglichen weiteren Sanktionen.
Der Verzicht auf den Dollar bei Zahlungen für die wichtigste Exportware Öl ist ein wichtiger Schritt, zu dem Russland bereit ist. Analysten zufolge kann die US-Währung schon jetzt aus dem Zahlungsverkehr mit China, der Türkei und dem Iran ausgeschlossen werden, was den allgemeinen Trend nur festigt.
Russland und China als Vorbild
„Russland schließt sich der wachsenden Zahl der Länder an, die der Hegemonie der US-Währung Widerstand leisten wollen“, so die Zeitschrift „Wall Street Journal“. Allerdings stimmt diese Formulierung nicht ganz.
Russland schließt sich nicht an, sondern agiert zusammen mit dem größten Handelspartner China als Vorbild bei der Reduzierung der Dollar-Abhängigkeit.
Im vergangenen Jahr machte der russische Handelsumsatz mit den USA 23,6 Milliarden Dollar aus, mit China waren es 84,9 Milliarden Dollar (ein Anstieg um 20,8 Prozent). Für die US-Währung bleibt immer weniger Platz.
Der Anteil der Verrechnungen in den Nationalwährungen (Rubel und Yuan) im Handel mit China stieg in vier Jahren fast um das Vierfache auf 19 Prozent und wächst weiter.
Eine Absichtserklärung zum Wechsel zu den Nationalwährungen beim gegenseitigen Zahlungsverkehr wurde von Russland und China bereits 2013 unterzeichnet. Die Aufgabe bestand darin, die Grenzüberquerung der Waren zu erleichtern und die Einwände zu reduzieren. Doch das System funktionierte nicht im vollen Ausmaß. Viele Unternehmer zahlten weiterhin in Dollar, China stellte sogar Ermäßigungen für Dollar-Operationen bereit. Jetzt ist die Situation eine andere.
Moskau und Peking sind nun bereit, die Tür für den US-Dollar zuzumachen. Ein Abkommen über Zahlungen in den Nationalwährungen kann bis Jahresende unterzeichnet werden.Nach Einschätzung der Experten werden die Zahlungen in Nationalwährungen demnächst bis zu 40 bis 50 Prozent der Deals mit China umfassen. Es handelt sich vor allem um Lieferungen von Lebensmitteln und Produkten der tiefen Ölverarbeitung sowie Rohstoffen – Öl, Gas und Rohholz aus Russland.
Türkei, Indien und Co.
Jetzt entfallen 70 Prozent der Deals im Welthandel auf Dollar, doch demnächst muss der Dollar den Appetit zügeln. Im Antidollar-Block gibt es immer mehr Teilnehmer – alle, die von Sanktionen betroffen und wegen der aggressiven und chaotischen Außenpolitik Washingtons müde sind.
2017 vollzog die Türkei fast neun Prozent seiner Russland-Exporte in der Nationalwährung und will diese Menge ausbauen. Wie es im Verband der Exporteure der Türkei hieß, ist Ankara bereit, jedwede Mittel und Mechanismen beim Handel einzusetzen, um den Anteil der Verrechnungen in Nationalwährungen auszubauen – diese Aufgabe wurde von türkischen Spitzenpolitikern gestellt.
Zum Zahlungsverkehr in Nationalwährungen wechselt Russland auch beim Handel mit Indien – dem größten Partner im militärtechnischen Bereich. Ende Oktober wurde nach langjährigen Verhandlungen ein Vertrag zur Lieferung von S-400-Systemen unterzeichnet. Der Vertrag im Wert von 5,43 Milliarden Dollar wurde in Rubel abgeschlossen.
Die Türkei und Indien wollen zum Zahlungsverkehr in Lira und Rupien wechseln. „Export- und Importoperationen können in den Nationalwährungen erfolgen, was den negativen Einfluss der Schwankungen von Währungskursen senken würde“, sagte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Wie der türkische Staatschef präzisierte, steht der Atombereich als erster in der Reihe.
US-Analysten warnen – der Trend der Entdollarisierung wird sich weiter stärken. „Die Unberechenbarkeit der jetzigen Außenpolitik der USA bedeutet, dass immer mehr Länder das infrage stellen, worüber sie sich früher keine Gedanken gemacht haben“, sagte Thomas Flury von UBS Global Wealth Management.
Weg von der Spitze
Laut einer Prognose der Weltbank werden gemeinsame Anstrengungen der „restlichen Welt“ im Ergebnis dazu führen, dass der Dollar nicht mehr die Hauptrolle im Weltfinanzsystem spielen wird. Er wird durch ein System aus drei Währungen abgelöst – Euro, Dollar und am wahrscheinlichsten Yuan.
https://de.sputniknews.com/kommentare/20181113322947055-dollar-verzicht-vorteil-russlands-wirtschaft/verbunden
Strike back against the Empire: Russland, Indien und China verzichten auf US-Dollar
08.11.2018
Alexander Lesnych
Russlands Vizepremier Juri Borissow hat berichtet, dass Indien die Luftabwehrsysteme des Typs S-400 Triumph in Rubel bezahlen wird. Auch China ist dabei: Laut dem Chef der Vneshekonombank, Igor Schuwalow, kann das Abkommen über den Zahlungsverkehr in Nationalwährungen bereits bis Jahresende unterzeichnet werden.
Welche Vorteile die Entdollarisierung des Außenhandels für Russland bedeutet und wer noch bereit ist, sich dem Zahlungsverkehr in Nationalwährungen anzuschließen – das erfahren Sie in diesem Artikel.
Eine Rote Karte für den Dollar
Der Vertrag für die Lieferung der S-400-Systeme wurde am 5. Oktober während des Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Neu-Delhi unterzeichnet. Experten schätzen den Wert des Rüstungsdeals auf fünf Milliarden Dollar. Nach dem Wechselkurs der Zentralbank sind das 331 Milliarden Rubel.
Der größte und offensichtlichste Vorteil für beide Länder beim Handel in den Nationalwährungen besteht im Wegfallen von großen Schwankungen bei der Umrechnung.
So kostete ein Rubel am 1. Januar 0,89 Rupien, zehn Monate später 0,88 Rupien. Der maximale Kurs innerhalb des Jahres lag bei 0,98 Rupien, der minimale bei 0,85. Das heißt, dass der Korridor der Volatilität in diesem Jahr 0,13 Rubel ausmachte.
Zum Vergleich: Am 1. Januar kostete ein US-Dollar 57,04 Rubel, am 1. November bereits 65,6 Rubel. Der Höchstwert in diesem Jahr lag bei 69,9 Rubel, der Mindestwert bei 55,6. Der Korridor der Volatilität liegt bei 14,3 Rubel. Der Unterschied nach dieser Kennzahl zwischen den Paaren Rubel-Dollar und Rubel-Rupie liegt bei 11.000 Prozent.
Ein weiteres Problem bei gegenseitigem Zahlungsverkehr in Dollar ist die hohe Wahrscheinlichkeit von Sanktionen.Indische Medien berichteten im April, dass Finanzstrukturen Neu-Delhis rund zwei Milliarden Dollar einfrieren ließen, die für die Bezahlung von kritisch wichtigen Projekten flossen, darunter zur Reparatur des bei Russland gepachteten U-Boots „Chakra“ (Projekt Schtschuka-B).
Der Grund: Das Weiße Haus setzte den russischen Rüstungsexporteur Rosoboronexport auf die Sanktionsliste. Für die Finanzinstitutionen bedeutet das de facto ein Verbot für jede Verrechnung in US-Währung.
Doch wie die Praxis zeigt, nimmt die Weltgemeinschaft die Drohungen Trumps nicht mehr ernst. Indien zieht es vor, die Beziehungen mit dem zuverlässigsten Partner im Bereich der militärtechnischen Zusammenarbeit und Waffenlieferungen aufrechtzuerhalten – mit Russland.
Nach Angaben des Stockholmer Instituts für Friedensforschung SIPRI lieferte Russland von 2007 bis 2017 Waffen im Wert von 24,5 Milliarden Dollar an Indien, die USA nur für 3,1 Milliarden Dollar.
Der Handel zwischen Russland und Indien umfasst nicht nur Waffenlieferungen, deren Umfang 2017 rund 1,9 Milliarden Dollar ausmachte (vor dem Hintergrund des gesamten Handelsumsatzes von 9,1 Milliarden Dollar). Laut Borissow könnten auch zivile Erzeugnisse in den Nationalwährungen bezahlt werden.
„Der Anteil der Export-Zahlungen in Rubel beläuft sich auf 20 Prozent, bei den Import-Zahlungen sind es rund 21 Prozent“, so der russische Vizepremier. „Das sind gute Zahlen, doch wir werden den Zahlungsverkehr in den Nationalwährungen als Instrument zur Lösung des Problems von ausfallenden Zahlungen ausbauen. Das betrifft auch die Verträge für die militärtechnische Zusammenarbeit.“
Auch Peking ist dabei
Der Chef der Vneshekonombank, Igor Schuwalow, berichtete Anfang Oktober, dass Russland und China eigene Kanäle für das Zusammenwirken haben. Ihm zufolge ist Peking in der jetzigen Situation ebenfalls daran interessiert, sie tatsächlich zu nutzen.
„Wir verstehen, wie dieses Schema funktionieren soll, es soll in einem Abkommen beschrieben werden. Die chinesische Seite ist nicht weniger und vielleicht sogar mehr daran interessiert, ein solches Abkommen in kürzester Zeit zu unterzeichnen. Das wurde gestern von Chinas Staatschefs geäußert“, sagte Schuwalow zu den Ergebnissen der Regierungskonsultationen mit Peking.
Schuwalow zufolge finden in den kommenden Wochen bilaterale Konsultationen statt, bei denen endgültig beschlossen wird, wie das Zusammenwirken zwischen den Finanzorganisationen beider Länder erfolgen soll und wer die Rolle des bevollmächtigten Betreibers in Moskau und Peking übernehmen wird.
Wann verzichten Russland und China auf US-Dollar?
Die Dynamik des Rubel-Yuan-Wechselkurses ähnelte in diesem Jahr eher dem Verhältnis zwischen Rubel und Rupie als zwischen Rubel und Dollar. Am 1. Januar kostete ein Yuan 8,74 Rubel, am 1. November 9,4 Rubel. Der Höchstwert betrug 10,1 Rubel, der niedrigste Wert 8,72 Rubel.
Damit machte der Korridor der Volatilität zwischen Rubel und Yuan nur 1,38 Rubel gegenüber 14,3 zwischen Rubel und Dollar aus. Wie auch im Fall Indien bedeutet das für das Geschäft ein geringeres Risiko von Kursverlusten.
Zum Verzicht auf den Zahlungsverkehr in US-Dollar zwischen Moskau und Peking bewegt auch der gegenseitige Handelsumsatz, der im vergangenen Jahr bei 84,9 Milliarden Dollar lag. Der Handelsumsatz zwischen Russland und den USA belief sich auf 23,6 Milliarden Dollar, der Unterschied liegt bei fast 360 Prozent.
Moskau, Peking und Neu-Delhi zeigen an ihrem Beispiel der ganzen Welt, wie man sich von der Dollar-Abhängigkeit befreien kann. Bemerkenswert ist dabei, dass alle drei Länder die größten wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale haben, während die Wirtschaft der USA bereits entwickelt ist. Das heißt, dass gegenseitiger Zahlungsverkehr in den Nationalwährungen die Aussicht auch für andere Schwellenländer eröffnen und den Welthandel endgültig von der Dollar-Abhängigkeit befreien könnte.
https://de.sputniknews.com/kommentare/20181108322893864-kampf-gegen-us-dollar/
Moody’s erklärt Geheimnis der Dollar-Macht, unterschätzt aber ein Risiko
14.09.2018
Nur der US-Dollar könne derzeit eine einfache Handhabung und den Preisvorteil im internationalen Handel gewährleisten, sein Anteil an den globalen Reserven bleibe unerreichbar für alternative Währungen, so Moody’s Investors Service. Wie die russische Zeitung „RBC“ unter Berufung auf eine neue Studie schreibt, werden Jahrzehnte vergehen, bis die Zentralbanken diese Verhältnisse im Welthandel ändern können.
Viele regionale Währungen gewinnen derzeit an Stärke, mehrere Länder bemühen sich, bei gegenseitigen Zahlungen zu den Nationalwährungen überzugehen. Im Ergebnis könnte der Bedarf am Dollar sinken, besonders angesichts der Intensivierung des regionalen Handels und der wachsenden Rolle des Yuans als Reservewährung.
Moody’s positioniert sich mit seiner Einschätzung gegen die BRICS-Länder, die bei gegenseitigen Zahlungen zu Nationalwährungen wechseln wollen und die Reservefunktion des US-Dollar infrage stellen. Zweifel an der Zukunft des US-Dollars tauchten vor allem wegen der US-Sanktionen auf, vor allem beim BRICS-Gipfel in Johannesburg im Juli.
Laut Moody’s-Experten wird der Dollar die wichtigste globale Reservewährung bleiben. Auf den US-Dollar entfallen 63 Prozent der globalen Währungsreserven, gefolgt vom Euro (20 Prozent). Der Anteil anderer Währungen liegt bei weniger als fünf Prozent.
Zu den Faktoren, die die Stärke des US-Dollars sichern, gehören die Größe der US-Wirtschaft, die Rolle Amerikas in der Weltwirtschaft, die Transparenz des US-Finanzmarkts sowie die Voraussagbarkeit und Zuverlässigkeit der Geldpolitik. Zudem soll die aktuelle Struktur der US-Wirtschaft ihre Stabilität gegenüber dem Handelsdefizit sichern.
Dass die Agentur bei den kontroversen Diskussionen den Dollar verteidigt zeigt, dass offizielle sowie inoffizielle Institutionen die US-Währung schützen, sobald deren Abwertung bedroht ist.
Schon seit zehn Jahren wird fast pausenlos darüber diskutiert, doch der US-Dollar sei nicht kleinzukriegen, so die Analystin Anna Bodrowa von Alpari. Der Yuan würde noch einige Zeit brauchen – sieben bis zehn Jahre – um zu einer Top-Währung im internationalen Handel aufzusteigen. Solange die chinesische Währung steuerbar und von der Zentralbank Chinas abhängig sei, könne keine Rede von einer globalen Herrschaft sein. Der Euro werde dabei wegen seiner Beweglichkeit nicht erörtert, so die Analystin.
Als Konkurrent könnte langfristig das britische Pfund Sterling infrage kommen, doch wegen dem Brexit seien seine Aussichten für die kommenden fünf Jahre ungewiss. Wie sich nun zeigt, gibt es keine realen Konkurrenten für den US-Dollar, obwohl sein Anteil am Welthandelssystem abnimmt, weil Länder zu Verrechnungen in Nationalwährungen wechseln.
Andere Länder haben Möglichkeiten, den Dollar zu verdrängen
Zu den Vorteilen des Dollars, die von Moody’s-Experten aufgezählt wurden, gehöre auch die Tatsache, dass die Preise für viele Rohstoffe in Dollar gebildet würden und der Handel auch in Dollar abgewickelt werde, sagte die Finanzberaterin Schanna Kulakowa von TeleTrade. Es gibt sogar den Begriff Petrodollar. Einige meinen, dass nach der Aufhebung des Goldstandards der Dollar wegen der globalen Ölnachfrage auf sicheren Beinen steht. Der Rückgang des Dollar-Anteils in der Weltwirtschaft könnte unter anderem wegen eines Wechsels zu Öl- und Gas-Zahlungen mit anderen Währungen möglich sein. Doch sind die Öl-Exporteure und –Importeure überhaupt dazu bereit? Der Zustrom von Exportgeldern in ausländischer Währung ist einer der Faktoren, die die Stabilität der Nationalwährung des Exportlandes sichern.
Der Übergang zu Verrechnungen in alternativen Währungen betreffe nicht nur den Ölmarkt, sondern auch andere Waren und Dienstleistungen, so die Analystin. Die größten Importeure und Exporteure neben den USA sind Länder wie China, Japan, Südkorea, Hongkong, Großbritannien sowie einige Länder der Eurozone. Gerade diese Länder verfügen über die größten Möglichkeiten, den Anteil des Dollars bei internationalen Verrechnungen zu beeinflussen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Struktur der globalen Währungsreserven. Über die größten Reserven verfügen China, Japan, Saudi-Arabien, Russland, Brasilien, Indien und einige andere Länder. Sie können die Struktur ihrer Reserven maßgeblich ändern und den Dollar-Anteil kürzen. Doch man sollte sich daran erinnern, dass die Liste der alternativen Währungen von IWF-Methodologie strikt beschränkt ist und die Reserven eine sehr wichtige Substanz sind. Der US-Dollar hat sich als zuverlässiges Instrument bei der Bildung von finanziellen Air-Bags auf staatlicher Ebene bewährt.
Andere Länder verfügen zwar über die Möglichkeiten, den Dollar unter Druck zu setzen, doch zeigen sie keine große Eile. Einzelne Versuche Chinas, Irans, Russlands und anderer Länder bringen bislang kein spürbares Ergebnis. Man muss zugeben, dass es bequem und zuverlässig ist, vorwiegend den Dollar zu nutzen.
Eine reale Konkurrenz könnte wohl nur der Yuan bieten – er hat den Status einer Reserve-Währung. China ist einer der größten Teilnehmer des globalen Ölmarktes und im internationalen Handel. Zudem verfügt es über enorme Gold- und Währungsreserven. Allerdings ist das Vertrauen zum Yuan nicht allzu groß, das ist eher eine politische Frage – in der heutigen Welt hat man nicht viel Vertrauen zum Kommunismus.
Moody’s habe also recht, wenn es behauptet, dass der Dollar in absehbarer Zukunft die Reservewährung und dominierende Währung bleiben werde, so der Experte des Internationalen Finanzzentrums, Wladimir Roschankowski. Doch in welchem Umfang – das wird von den USA selbst abhängen.
Die Sanktionsrisiken in US-Dollar wachsen proportional mit der Häufigkeit seines Einsatzes als Sanktionspeitsche.
Dabei handelt es sich nicht um ein isoliertes Problem Russlands bzw. des Irans, sondern auch um ein Problem der nichtamerikanischen Weltwirtschaft, und auch der europäischen (man sollte sich an die Sanktionen gegen die Deutsche Bank und gegen BNP Paribas erinnern).
Moody’s unterschätze die Hedging-Instrumente für Währungsrisiken, die die Minimierung der Verluste bei der Senkung der Kurse der Nationalwährungen ohne internationale Transaktionen via Dollar ermöglichen, so der Experte.
https://de.sputniknews.com/zeitungen/20180914322314829-dollar-macht-handel-moodys/
Münchner SiKo: Warum der globale Hegemon mit eisigem Schweigen empfangen wurde
17.02.2019
Armin Siebert
Ein Gastgeber im EU-Hoodie, die größte US-Delegation aller Zeiten, der vielleicht letzte Auftritt der Bundeskanzlerin in München, Proteste und ein ganz und gar nicht isolierter russischer Außenminister. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat genau das deutlich gemacht, was sie kaschieren wollte: die USA und Europa haben sich entfremdet.
Der Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz war noch voller Schwung und Optimismus. Der sonst eher förmliche Diplomat Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in Washington und London und seit elf Jahren Chef der Sicherheitskonferenz (Siko), hielt seine Eröffnungsrede im EU-blauen Kapuzenpulli.
Dies sollte die Einheit Europas symbolisieren, die gerade am Vortag noch auf eine schwere Probe gestellt wurde durch die Mini-Siko zum Iran, die von Polen und den USA in Warschau veranstaltet wurde. Viele europäische Außenminister boykottierten diese Veranstaltung, wie auch Russland. Der Iran, der dort am Pranger stand, war gar nicht geladen. Es ging darum, mit Auschwitz als Totschlagargument, Kerneuropa – Deutschland, Frankreich und (noch) Großbritannien – endgültig einzuschüchtern, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen. Diese Forderung wiederholte US-Vizepräsident Mike Pence noch einmal eindringlich in München in der grusligsten Rede der Siko.
Der Forderungskatalog der USA
Der Iran, die russisch-europäische Gaspipeline Nord Stream 2 und das sogenannte „Zwei-Prozent-Ziel“, die amerikanische Forderung, zwei Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung in den Militärhaushalt zu pumpen, das sind im Moment die Kernprobleme zwischen den USA und Europa.
Der Iran hat es mal wieder zum Staatsfeind Nummer Eins gebracht in den USA und damit Venezuela, Russland, China und mit einigem Abstand Nordkorea und Kuba auf die Plätze verdrängt.
Entsprechend betrachten die Staaten es als Affront, dass nicht nur China und Russland an dem mühevoll ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran festhalten, sondern auch die europäischen Verbündeten. Europa hält nicht nur an dem Abkommen fest, sondern sabotiert sogar die Iran-Sanktionen der USA und versucht, diese zu umgehen.
Dieselbe Misere erleben die Amerikaner bei Nord Stream 2. Bereits 2017 haben die USA ein Gesetz erlassen, in dem sie mit Sanktionen gegen die russisch-europäische Gasleitung drohen. Da diese preiswertes russisches Erdgas nach Europa transportiert, macht sie amerikanisches Fracking-Gas auf dem Kontinent nicht wettbewerbsfähig. Auch hier gibt es Widerstand gegen die US-Drohungen, vor allem aus Deutschland.
Und auch bei den Militärausgaben hinkt die Bundesrepublik weit zurück. Während amerikahörige Musterschüler wie Polen oder die baltischen Staaten die Zwei-Prozent-Vorgabe sogar freiwillig übererfüllen, dümpelt Deutschland noch immer bei 1,25 Prozent. Nun ist es allerdings ein Unterschied, wenn Estland eine halbe Milliarde Euro ins Militär steckt, während für Deutschland zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt 60 Milliarden Euro bedeuten.
Junioraufstand unter Führung der scheidenden Merkel
Es gibt also einen Aufstand der europäischen Juniorpartner gegen die USA unter Führung der scheidenden Angela Merkel, die immer besser zu werden scheint, je weniger sie zu verlieren hat. Die USA fahren deshalb seit ein paar Jahren die Doppelstrategie, die EU einzuschüchtern und zu erpressen, vor allem über wirtschaftliche Hebel wie Zölle und Sanktionsdrohungen, und zu spalten, indem man die jungen, schwachen osteuropäischen Staaten, das „Neue Europa“ gönnerhaft protegiert und das „Alte Europa“ tadelt. Diese Unterscheidung geht auf Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zurück, der so 2003 die Unterstützer des Irak-Krieges von den Verweigerern wie Deutschland unterschied.
Neue und alte Welt
Die Münchner Sicherheitskonferenz sollte also die transatlantische Freundschaft wieder kitten. Es gab kaum eine Rede auf der Siko, auf der dies nicht beschworen wurde, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen. Dabei schien der Wille da zu sein. Die deutsche Kanzlerin gab sich die Ehre, und die USA reisten mit der größten Delegation ever an. Diese wirkte jedoch wie von einem anderen Stern. Hier scheint der Vergleich „Alte“ und „Neue Welt“ tatsächlich zu passen, nur diesmal mit umgekehrten Voraussetzungen. Die USA scheinen tief im Kalten Krieg hängengeblieben zu sein, während Europa zwar so kompliziert und zerrissen wie noch nie ist im Moment, aber sich doch bemüht, sich an die neuen Realitäten einer multipolaren Welt anzupassen.
Showdown Merkel — Pence
Die Höhepunkte der diesjährigen Siko waren am Samstag die unmittelbar aufeinander folgenden Auftritte der Bundeskanzlerin und des amerikanischen Vizepräsidenten. Und nirgends zeigte sich in München der Bruch deutlicher zwischen alter und neuer Welt. Während Merkel frei, gelöst und leidenschaftlich sprach, ja sogar mal scherzte und für ihre Rede mit Standing Ovations gefeiert wurde, las Pence seine Prahlereien und Drohungen mit versteinertem Gesicht vom Blatt ab und verschwand sofort nach seinem Vortrag, was vom Publikum mit kühlem, verhaltenem Höflichkeitsapplaus quittiert wurde.
Russisches Gas first
Einer der ganz wenigen Punkte, in dem sich Demokraten und Republikaner in den USA gerade einig sind, ist die Ablehnung von Nord Stream 2. Umso beeindruckender war, mit welcher Vehemenz Angela Merkel in ihrer Rede die Pipeline verteidigte im Angesicht eines mit den Zähnen knirschenden ukrainischen Präsidenten Poroschenko und des halben US-Senats im Publikum.
Merkel wiederholte in München erneut, dass man Russland und Deutschland nicht trennen könne, vor allem im Gasbereich. Merkel wies darauf hin, dass Deutschland seit siebzig Jahren zuverlässig Gas aus Russland und früher der Sowjetunion bekam und bekommt. Die Amerikaner würden überhaupt erst seit drei Jahren Flüssiggas anbieten, so die Kanzlerin.Auch fand Merkel ein schönes Bild, um endlich die heuchlerischen Kritiker von Nord Stream 2 zum Schweigen zu bringen, die davor warnen, dass Europa durch die Pipeline zu abhängig wird von Russland und der Ukraine schadet:
„Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt“, sagte sie.
Merkel sparte in ihrer Rede auch nicht mit (unsachlicher) Kritik an Russland. Aber auf die Gasversorgung aus Russland ließ sie nichts kommen. Dem amerikanischen Präsidenten sollte so ein konsequentes Verteidigen eigener Interessen – Germany first — eigentlich gefallen
Handschlag verweigert
Trotzdem hat Merkel in ihrer Rede in München auch mehrmals den USA die Hand ausgestreckt, freundschaftlich, fast kumpelhaft. Herr Pence, der unmittelbar nach der Kanzlerin die Bühne betrat, ging jedoch überhaupt nicht auf Merkels Rede ein und ratterte einfach seine vorbereitete Anklageschrift herunter. Die USA hatten offensichtlich nicht vor, Europa zu umgarnen in München. Amerika fühlt sich noch stark genug, zu drohen. Pence war mit einem Katalog von Forderungen und einer Best-Of der Errungenschaften der glorreichen Trump-USA nach München gereist. Sein Auftritt bestätigte alle Vorurteile, die man nur haben kann gegen einen Weltpolizisten USA.
Amerikanisches Wachsfigurenkabinett
Die amerikanische Delegation in München wirkte wie ein Wachsfigurenkabinett — ewig lächelnd, aber irgendwie wie gelähmt. Der Trump-Shutdown der letzten zwei Jahre schien ihnen deutlich in den Knochen zu stecken. Der Streit zwischen Demokraten und Republikanern über Trump hat das ganze Land gespalten. Entsprechend schwer fiel es, den US-Vertretern in München mit einer gemeinsamen leichten Zunge zu sprechen. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses und angeblich gerade mächtigste Frau Amerikas, hatte überhaupt keinen Auftritt auf dem Hauptpodium der Siko, genauso wie Trump-Tochter Ivanka und ihr Ehemann Jared Kushner, die beide als sehr einflussreich gelten. Ein anderer Top-Politiker, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, drängte dagegen auf die Bühne, obwohl er vor einer Woche noch gar nicht im Programm stand, um Wahlkampf für seine Anti-Trump-Kandidatur im nächsten Jahr zu machen. Biden veranschaulichte in seiner Rede deutlich, womit die Demokraten bei den nächsten Wahlen punkten wollen: aggressives Russland-Bashing.
Ein bisschen mehr Isolation wäre schön
Nun weiß man nicht, was hinter den Kulissen dieser hochkarätigen Konferenz mit 35 Staatschefs und 80 Ministern passierte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow klagte jedenfalls auf seiner Abschluss-Pressekonferenz ironisch, dass Russland ruhig ein bisschen mehr isoliert sein könnte. Er und sein Team hätten Rückenschmerzen nach mehr als zwanzig Treffen mit dem „Who is Who“ der Weltpolitik. Wohl kaum jemand war in München so gefragt wie der russische Außenminister. Auch hielt sich bei den öffentlichen Auftritten das Russland-Bashing relativ in Grenzen. Relativ. Natürlich war die Panelrunde mit den im Russland-Hass vereinten Präsidenten Georgiens und der Ukraine auf der Siko unerträglich. Und auch der britische Verteidigungsminister wurde nach seiner martialischen antirussischen Rede von Lawrow zu Recht als Kriegsminister bezeichnet. Auch bei Joe Biden hatte man den Eindruck, hier spricht Ronald Reagan im Jahre 1985. Aber Biden hat gerade nichts zu entscheiden. Mike Pence schon. Und der hielt sich zum Thema Russland auffallend zurück in seiner Rede. Auch Lawrow bestätigte, dass er den Eindruck hatte, dass man ihm dieses Jahr in München mehr zugehört hat und Russlands Standpunkt hören wollte.
„Klub der Auserwählten“ abgebrannt
In seiner Rede auf der Siko warnte Lawrow vor Versuchen der USA, die Welt zu spalten und die Vereinten Nationen durch einen „Klub der Auserwählten“ zu ersetzen. Genau diesen Eindruck hatte man auch in München, dass alte Allianzen um ihre Existenz kämpfen und die neuen Realitäten der Welt zu neuen pragmatischen Kontakten führen. Auf der Bühne vermied man tunlichst sowohl direkte Konfrontation als auch Verbrüderung mit den nach transatlantischer Lesart falschen Verbündeten. Es bleibt zu wünschen, dass wenigstens in den Nebenräumen des Bayerischen Hofs Klartext geredet wurde, der die Weltuntergangsuhr zumindest nicht noch weiter auf Zwölf gedreht hat. Denn wer redet, schießt nicht. Wollen wir hoffen, dass die Zehntausend Anti-Siko-Demonstranten draußen nicht umsonst auf die Straße gegangen sind.
https://de.sputniknews.com/politik/20190217324007776-fazit-zur-muenchner-sicherheitskonferenz/
Münchner SiKo: Warum der globale Hegemon mit eisigem Schweigen empfangen wurde
18.02.2019
Iwan Danilow
Den größten Eindruck bei vielen Journalisten und Experten hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) der Kontrast zwischen frenetischem Applaus und dramatischer Stille hinterlassen.
Wie ein Rockstar wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit einem langanhaltenden Applaus, der zum Teil in Standing Ovations überging, gefeiert. Der US-amerikanische Vizepräsident Mike Pence musste sich hingegen mit Totenstille abfinden, als er nach seinen Begrüßungsworten im Namen des US-Präsidenten Donald Trump eine Pause einlegte und vergeblich auf klatschende Hände wartete.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eine Diskussionsplattform, die gewöhnlich vom kollektiven Westen und der restlichen Welt genutzt wird, um die Beziehungen untereinander zu klären. Das Format der Konflikte bleibt dabei fast immer unverändert: Die Vertreter des kollektiven Westens greifen zu Vorwürfen und Drohungen, während jene, gegen die die Aggression gerichtet ist, nach bestem Vermögen antworten.
Weil Wladimir Putin diese Spielregeln einst umdrehte und die Münchener Tribüne für eine verbale Attacke auf die „westlichen Partner“ nutzte, löst seine damalige Rede bis heute nervöse Reaktionen aus. Im Gedächtnis blieb der russische Präsident als Quertreiber haften...
Die Beziehungen zwischen den USA und der EU (und konkret Deutschlands) erinnern seit langem an einen Scheidungsprozess, der durch den schwierigen Charakter Trumps, die Aufteilung von Vermögen und Immobilien (die Rolle der gemeinsamen Immobilien spielen die östlichen EU-Länder) sowie den Kampf um das Sorgerecht der Kinder erschwert wird.
Unter gemeinsamen Kindern werden in diesem Kontext politische Eliten solcher Länder wie Polen, Lettland, Kroatien u.a. verstanden. In diesem Sinne ist klar, warum viele große Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr nicht nach München kamen – weder Putin noch Trump und sogar Macron. Wer will sich angesichts der geopolitischen Scheidung der USA und Deutschlands denn noch an dem verbalen Kampf beteiligen?
Dennoch muss zugegeben werden, dass es jedenfalls eine Show gegeben hat, und zumindest das europäische Publikum das demonstrative Auspeitschen des US-Vizepräsidenten Mike Pence, der mit vielen Forderungen an Deutschland, Russland, China, den Iran und die Welt im Ganzen nach München gekommen war, durch Angela Merkel vergnüglich beobachtete.
Bei den Gesprächen in München erschien de facto ein ganz anderes Amerika, an dessen neues Image sich nur wenige angepasst haben. Das war das Image des globalen Hegemons, der sich gekränkt fühlt, weil seine Wünsche nicht mehr wie früher erfüllt werden. So präsentierte Pence Deutschland und der EU eine lange Liste von Vorwürfen. Er kritisierte das Gasprojekt Nord Stream 2 und warf Deutschland vor, dass es wegen dessen Unterstützung die Abhängigkeit der EU von Russland fördert.
„Wir können nicht die Verteidigung des Westens sicherstellen, wenn unsere Verbündeten sich vom Osten abhängig machen“, sagte Pence. Von der EU wurde gefordert, die Versuche aufzugeben, die US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen, und sich ihnen vielleicht auch anzuschließen. Selbst die US-Medien hoben die aggressive Rhetorik der US-Seite hervor. „Im Unterschied zur Bundeskanzlerin konzentrierte sich Pence weniger auf die gemeinsame Arbeit als viel mehr auf die Liste der Forderungen gegenüber den US-Verbündeten, die auf US-Interessen basieren“, schrieb die Zeitung „The New York Times“.
Die Rede von Pence war konstruiert nach den Regeln der amerikanischen Polit-PR, deswegen enthielt sie nicht nur Forderungen der USA gegenüber der Welt und insbesondere Deutschland, sondern auch die Errungenschaften der Administration Trumps, für die sich die ganze Welt bei Washington bedanken soll.
Unter Errungenschaften und Erfolgen wurden die entschlossene Treue Trumps zu Ausbau und Stärkung der Nato und der Druck Washingtons zur Aufstockung des Wehretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seitens der Nato-Mitgliedsstaaten genannt. Zudem wurden die Konflikte mit der Führung Chinas und Nordkoreas zu den Erfolgen Trumps gezählt. Darüber hinaus wurde angedeutet, dass das größte Geschenk Washingtons für die ganze Welt die „erneuerte Führungsrolle der USA“ sei. Pence fragte jedoch nicht, ob die Weltgemeinschaft diese Führungsrolle der USA braucht, doch die Stille während seines Auftritts, die im starken Kontrast zur Reaktion auf die Rede Merkels stand, kann als Antwort auf diese Frage betrachtet werden.
Bemerkenswert ist, dass Merkel, die vor Pence auftrat, ihre Rede auf vorhersehbaren Vorwürfen des Gesandten Trumps aufbaute und dabei ins Schwarze traf. Natürlich kam es beim Auftritt der Kanzlerin nicht ohne antirussische Paranoia aus – sie warf Russland verklausuliert die Organisation der deutschen Schülerproteste gegen den Klimawandel in den sozialen Netzwerken vor. „Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen“, sagte Merkel. Zuvor hatte sie in ihrer Rede Moskau wegen der Taktik des „Hybrid-Kriegs“ kritisiert.
Im Übrigen waren die Thesen der Bundeskanzlerin schwer zu kritisieren. Sie erinnerte die Amerikaner daran, dass „ein russisches Gasmolekül ein russisches Gasmolekül bleibt, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.” Deutschland habe bereits im Kalten Krieg Gas aus der Sowjetunion eingeführt. Sie deutete an, dass es eine schlechte Idee ist, China zum einzigen Käufer des russischen Rohrgases zu machen. Der Bruch der Beziehungen zu Russland wäre äußerst unerwünscht für Europa. Russland bleibe ein Partner, sagte Merkel.
Merkel übte Kritik an Washington – wegen des Ausstiegs aus dem INF-Vertrag, des Truppenabzugs aus Syrien, des Bruchs des Atomdeals mit dem Iran (das verhindert Verhandlungen zu den wichtigen Fragen für die EU) und des Handelskrieges mit der EU. Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit bewerten können.
Für Russland spielt in diesem Fall keine besondere Rolle, wer in diesem diplomatischen Duell gewonnen hat. Allerdings ist es natürlich angenehm, bei Europas führender Politikerin einzelne Erscheinungen von gesundem Menschenverstand und Pragmatismus gegenüber Russland zu sehen. Die größte Schlussfolgerung der Münchner Sicherheitskonferenz wurde wohl vom einflussreichen US-Politologen und Gründer der westlichen Consulting-Firma Eurasia Group, Ian Bremer, formuliert:
„Das außenpolitische Establishment der USA meint da in München, dass wir, wenn Trump gegangen ist, zur US-geführten Weltordnung zurückkehren können. Es gibt nichts, was der Wahrheit ferner ist.“
https://de.sputniknews.com/kommentare/20190218324017501-totenstille-pence-msk-hegemon/
Armin Siebert
Ein Gastgeber im EU-Hoodie, die größte US-Delegation aller Zeiten, der vielleicht letzte Auftritt der Bundeskanzlerin in München, Proteste und ein ganz und gar nicht isolierter russischer Außenminister. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat genau das deutlich gemacht, was sie kaschieren wollte: die USA und Europa haben sich entfremdet.
Der Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz war noch voller Schwung und Optimismus. Der sonst eher förmliche Diplomat Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in Washington und London und seit elf Jahren Chef der Sicherheitskonferenz (Siko), hielt seine Eröffnungsrede im EU-blauen Kapuzenpulli.
Dies sollte die Einheit Europas symbolisieren, die gerade am Vortag noch auf eine schwere Probe gestellt wurde durch die Mini-Siko zum Iran, die von Polen und den USA in Warschau veranstaltet wurde. Viele europäische Außenminister boykottierten diese Veranstaltung, wie auch Russland. Der Iran, der dort am Pranger stand, war gar nicht geladen. Es ging darum, mit Auschwitz als Totschlagargument, Kerneuropa – Deutschland, Frankreich und (noch) Großbritannien – endgültig einzuschüchtern, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen. Diese Forderung wiederholte US-Vizepräsident Mike Pence noch einmal eindringlich in München in der grusligsten Rede der Siko.
Der Forderungskatalog der USA
Der Iran, die russisch-europäische Gaspipeline Nord Stream 2 und das sogenannte „Zwei-Prozent-Ziel“, die amerikanische Forderung, zwei Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung in den Militärhaushalt zu pumpen, das sind im Moment die Kernprobleme zwischen den USA und Europa.
Der Iran hat es mal wieder zum Staatsfeind Nummer Eins gebracht in den USA und damit Venezuela, Russland, China und mit einigem Abstand Nordkorea und Kuba auf die Plätze verdrängt.
Entsprechend betrachten die Staaten es als Affront, dass nicht nur China und Russland an dem mühevoll ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran festhalten, sondern auch die europäischen Verbündeten. Europa hält nicht nur an dem Abkommen fest, sondern sabotiert sogar die Iran-Sanktionen der USA und versucht, diese zu umgehen.
Dieselbe Misere erleben die Amerikaner bei Nord Stream 2. Bereits 2017 haben die USA ein Gesetz erlassen, in dem sie mit Sanktionen gegen die russisch-europäische Gasleitung drohen. Da diese preiswertes russisches Erdgas nach Europa transportiert, macht sie amerikanisches Fracking-Gas auf dem Kontinent nicht wettbewerbsfähig. Auch hier gibt es Widerstand gegen die US-Drohungen, vor allem aus Deutschland.
Und auch bei den Militärausgaben hinkt die Bundesrepublik weit zurück. Während amerikahörige Musterschüler wie Polen oder die baltischen Staaten die Zwei-Prozent-Vorgabe sogar freiwillig übererfüllen, dümpelt Deutschland noch immer bei 1,25 Prozent. Nun ist es allerdings ein Unterschied, wenn Estland eine halbe Milliarde Euro ins Militär steckt, während für Deutschland zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt 60 Milliarden Euro bedeuten.
Junioraufstand unter Führung der scheidenden Merkel
Es gibt also einen Aufstand der europäischen Juniorpartner gegen die USA unter Führung der scheidenden Angela Merkel, die immer besser zu werden scheint, je weniger sie zu verlieren hat. Die USA fahren deshalb seit ein paar Jahren die Doppelstrategie, die EU einzuschüchtern und zu erpressen, vor allem über wirtschaftliche Hebel wie Zölle und Sanktionsdrohungen, und zu spalten, indem man die jungen, schwachen osteuropäischen Staaten, das „Neue Europa“ gönnerhaft protegiert und das „Alte Europa“ tadelt. Diese Unterscheidung geht auf Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zurück, der so 2003 die Unterstützer des Irak-Krieges von den Verweigerern wie Deutschland unterschied.
Neue und alte Welt
Die Münchner Sicherheitskonferenz sollte also die transatlantische Freundschaft wieder kitten. Es gab kaum eine Rede auf der Siko, auf der dies nicht beschworen wurde, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen. Dabei schien der Wille da zu sein. Die deutsche Kanzlerin gab sich die Ehre, und die USA reisten mit der größten Delegation ever an. Diese wirkte jedoch wie von einem anderen Stern. Hier scheint der Vergleich „Alte“ und „Neue Welt“ tatsächlich zu passen, nur diesmal mit umgekehrten Voraussetzungen. Die USA scheinen tief im Kalten Krieg hängengeblieben zu sein, während Europa zwar so kompliziert und zerrissen wie noch nie ist im Moment, aber sich doch bemüht, sich an die neuen Realitäten einer multipolaren Welt anzupassen.
Showdown Merkel — Pence
Die Höhepunkte der diesjährigen Siko waren am Samstag die unmittelbar aufeinander folgenden Auftritte der Bundeskanzlerin und des amerikanischen Vizepräsidenten. Und nirgends zeigte sich in München der Bruch deutlicher zwischen alter und neuer Welt. Während Merkel frei, gelöst und leidenschaftlich sprach, ja sogar mal scherzte und für ihre Rede mit Standing Ovations gefeiert wurde, las Pence seine Prahlereien und Drohungen mit versteinertem Gesicht vom Blatt ab und verschwand sofort nach seinem Vortrag, was vom Publikum mit kühlem, verhaltenem Höflichkeitsapplaus quittiert wurde.
Russisches Gas first
Einer der ganz wenigen Punkte, in dem sich Demokraten und Republikaner in den USA gerade einig sind, ist die Ablehnung von Nord Stream 2. Umso beeindruckender war, mit welcher Vehemenz Angela Merkel in ihrer Rede die Pipeline verteidigte im Angesicht eines mit den Zähnen knirschenden ukrainischen Präsidenten Poroschenko und des halben US-Senats im Publikum.
Merkel wiederholte in München erneut, dass man Russland und Deutschland nicht trennen könne, vor allem im Gasbereich. Merkel wies darauf hin, dass Deutschland seit siebzig Jahren zuverlässig Gas aus Russland und früher der Sowjetunion bekam und bekommt. Die Amerikaner würden überhaupt erst seit drei Jahren Flüssiggas anbieten, so die Kanzlerin.Auch fand Merkel ein schönes Bild, um endlich die heuchlerischen Kritiker von Nord Stream 2 zum Schweigen zu bringen, die davor warnen, dass Europa durch die Pipeline zu abhängig wird von Russland und der Ukraine schadet:
„Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt“, sagte sie.
Merkel sparte in ihrer Rede auch nicht mit (unsachlicher) Kritik an Russland. Aber auf die Gasversorgung aus Russland ließ sie nichts kommen. Dem amerikanischen Präsidenten sollte so ein konsequentes Verteidigen eigener Interessen – Germany first — eigentlich gefallen
Handschlag verweigert
Trotzdem hat Merkel in ihrer Rede in München auch mehrmals den USA die Hand ausgestreckt, freundschaftlich, fast kumpelhaft. Herr Pence, der unmittelbar nach der Kanzlerin die Bühne betrat, ging jedoch überhaupt nicht auf Merkels Rede ein und ratterte einfach seine vorbereitete Anklageschrift herunter. Die USA hatten offensichtlich nicht vor, Europa zu umgarnen in München. Amerika fühlt sich noch stark genug, zu drohen. Pence war mit einem Katalog von Forderungen und einer Best-Of der Errungenschaften der glorreichen Trump-USA nach München gereist. Sein Auftritt bestätigte alle Vorurteile, die man nur haben kann gegen einen Weltpolizisten USA.
Amerikanisches Wachsfigurenkabinett
Die amerikanische Delegation in München wirkte wie ein Wachsfigurenkabinett — ewig lächelnd, aber irgendwie wie gelähmt. Der Trump-Shutdown der letzten zwei Jahre schien ihnen deutlich in den Knochen zu stecken. Der Streit zwischen Demokraten und Republikanern über Trump hat das ganze Land gespalten. Entsprechend schwer fiel es, den US-Vertretern in München mit einer gemeinsamen leichten Zunge zu sprechen. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses und angeblich gerade mächtigste Frau Amerikas, hatte überhaupt keinen Auftritt auf dem Hauptpodium der Siko, genauso wie Trump-Tochter Ivanka und ihr Ehemann Jared Kushner, die beide als sehr einflussreich gelten. Ein anderer Top-Politiker, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, drängte dagegen auf die Bühne, obwohl er vor einer Woche noch gar nicht im Programm stand, um Wahlkampf für seine Anti-Trump-Kandidatur im nächsten Jahr zu machen. Biden veranschaulichte in seiner Rede deutlich, womit die Demokraten bei den nächsten Wahlen punkten wollen: aggressives Russland-Bashing.
Ein bisschen mehr Isolation wäre schön
Nun weiß man nicht, was hinter den Kulissen dieser hochkarätigen Konferenz mit 35 Staatschefs und 80 Ministern passierte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow klagte jedenfalls auf seiner Abschluss-Pressekonferenz ironisch, dass Russland ruhig ein bisschen mehr isoliert sein könnte. Er und sein Team hätten Rückenschmerzen nach mehr als zwanzig Treffen mit dem „Who is Who“ der Weltpolitik. Wohl kaum jemand war in München so gefragt wie der russische Außenminister. Auch hielt sich bei den öffentlichen Auftritten das Russland-Bashing relativ in Grenzen. Relativ. Natürlich war die Panelrunde mit den im Russland-Hass vereinten Präsidenten Georgiens und der Ukraine auf der Siko unerträglich. Und auch der britische Verteidigungsminister wurde nach seiner martialischen antirussischen Rede von Lawrow zu Recht als Kriegsminister bezeichnet. Auch bei Joe Biden hatte man den Eindruck, hier spricht Ronald Reagan im Jahre 1985. Aber Biden hat gerade nichts zu entscheiden. Mike Pence schon. Und der hielt sich zum Thema Russland auffallend zurück in seiner Rede. Auch Lawrow bestätigte, dass er den Eindruck hatte, dass man ihm dieses Jahr in München mehr zugehört hat und Russlands Standpunkt hören wollte.
„Klub der Auserwählten“ abgebrannt
In seiner Rede auf der Siko warnte Lawrow vor Versuchen der USA, die Welt zu spalten und die Vereinten Nationen durch einen „Klub der Auserwählten“ zu ersetzen. Genau diesen Eindruck hatte man auch in München, dass alte Allianzen um ihre Existenz kämpfen und die neuen Realitäten der Welt zu neuen pragmatischen Kontakten führen. Auf der Bühne vermied man tunlichst sowohl direkte Konfrontation als auch Verbrüderung mit den nach transatlantischer Lesart falschen Verbündeten. Es bleibt zu wünschen, dass wenigstens in den Nebenräumen des Bayerischen Hofs Klartext geredet wurde, der die Weltuntergangsuhr zumindest nicht noch weiter auf Zwölf gedreht hat. Denn wer redet, schießt nicht. Wollen wir hoffen, dass die Zehntausend Anti-Siko-Demonstranten draußen nicht umsonst auf die Straße gegangen sind.
https://de.sputniknews.com/politik/20190217324007776-fazit-zur-muenchner-sicherheitskonferenz/
Münchner SiKo: Warum der globale Hegemon mit eisigem Schweigen empfangen wurde
18.02.2019
Iwan Danilow
Den größten Eindruck bei vielen Journalisten und Experten hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) der Kontrast zwischen frenetischem Applaus und dramatischer Stille hinterlassen.
Wie ein Rockstar wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit einem langanhaltenden Applaus, der zum Teil in Standing Ovations überging, gefeiert. Der US-amerikanische Vizepräsident Mike Pence musste sich hingegen mit Totenstille abfinden, als er nach seinen Begrüßungsworten im Namen des US-Präsidenten Donald Trump eine Pause einlegte und vergeblich auf klatschende Hände wartete.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eine Diskussionsplattform, die gewöhnlich vom kollektiven Westen und der restlichen Welt genutzt wird, um die Beziehungen untereinander zu klären. Das Format der Konflikte bleibt dabei fast immer unverändert: Die Vertreter des kollektiven Westens greifen zu Vorwürfen und Drohungen, während jene, gegen die die Aggression gerichtet ist, nach bestem Vermögen antworten.
Weil Wladimir Putin diese Spielregeln einst umdrehte und die Münchener Tribüne für eine verbale Attacke auf die „westlichen Partner“ nutzte, löst seine damalige Rede bis heute nervöse Reaktionen aus. Im Gedächtnis blieb der russische Präsident als Quertreiber haften...
Die Beziehungen zwischen den USA und der EU (und konkret Deutschlands) erinnern seit langem an einen Scheidungsprozess, der durch den schwierigen Charakter Trumps, die Aufteilung von Vermögen und Immobilien (die Rolle der gemeinsamen Immobilien spielen die östlichen EU-Länder) sowie den Kampf um das Sorgerecht der Kinder erschwert wird.
Unter gemeinsamen Kindern werden in diesem Kontext politische Eliten solcher Länder wie Polen, Lettland, Kroatien u.a. verstanden. In diesem Sinne ist klar, warum viele große Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr nicht nach München kamen – weder Putin noch Trump und sogar Macron. Wer will sich angesichts der geopolitischen Scheidung der USA und Deutschlands denn noch an dem verbalen Kampf beteiligen?
Dennoch muss zugegeben werden, dass es jedenfalls eine Show gegeben hat, und zumindest das europäische Publikum das demonstrative Auspeitschen des US-Vizepräsidenten Mike Pence, der mit vielen Forderungen an Deutschland, Russland, China, den Iran und die Welt im Ganzen nach München gekommen war, durch Angela Merkel vergnüglich beobachtete.
Bei den Gesprächen in München erschien de facto ein ganz anderes Amerika, an dessen neues Image sich nur wenige angepasst haben. Das war das Image des globalen Hegemons, der sich gekränkt fühlt, weil seine Wünsche nicht mehr wie früher erfüllt werden. So präsentierte Pence Deutschland und der EU eine lange Liste von Vorwürfen. Er kritisierte das Gasprojekt Nord Stream 2 und warf Deutschland vor, dass es wegen dessen Unterstützung die Abhängigkeit der EU von Russland fördert.
„Wir können nicht die Verteidigung des Westens sicherstellen, wenn unsere Verbündeten sich vom Osten abhängig machen“, sagte Pence. Von der EU wurde gefordert, die Versuche aufzugeben, die US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen, und sich ihnen vielleicht auch anzuschließen. Selbst die US-Medien hoben die aggressive Rhetorik der US-Seite hervor. „Im Unterschied zur Bundeskanzlerin konzentrierte sich Pence weniger auf die gemeinsame Arbeit als viel mehr auf die Liste der Forderungen gegenüber den US-Verbündeten, die auf US-Interessen basieren“, schrieb die Zeitung „The New York Times“.
Die Rede von Pence war konstruiert nach den Regeln der amerikanischen Polit-PR, deswegen enthielt sie nicht nur Forderungen der USA gegenüber der Welt und insbesondere Deutschland, sondern auch die Errungenschaften der Administration Trumps, für die sich die ganze Welt bei Washington bedanken soll.
Unter Errungenschaften und Erfolgen wurden die entschlossene Treue Trumps zu Ausbau und Stärkung der Nato und der Druck Washingtons zur Aufstockung des Wehretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seitens der Nato-Mitgliedsstaaten genannt. Zudem wurden die Konflikte mit der Führung Chinas und Nordkoreas zu den Erfolgen Trumps gezählt. Darüber hinaus wurde angedeutet, dass das größte Geschenk Washingtons für die ganze Welt die „erneuerte Führungsrolle der USA“ sei. Pence fragte jedoch nicht, ob die Weltgemeinschaft diese Führungsrolle der USA braucht, doch die Stille während seines Auftritts, die im starken Kontrast zur Reaktion auf die Rede Merkels stand, kann als Antwort auf diese Frage betrachtet werden.
Bemerkenswert ist, dass Merkel, die vor Pence auftrat, ihre Rede auf vorhersehbaren Vorwürfen des Gesandten Trumps aufbaute und dabei ins Schwarze traf. Natürlich kam es beim Auftritt der Kanzlerin nicht ohne antirussische Paranoia aus – sie warf Russland verklausuliert die Organisation der deutschen Schülerproteste gegen den Klimawandel in den sozialen Netzwerken vor. „Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen“, sagte Merkel. Zuvor hatte sie in ihrer Rede Moskau wegen der Taktik des „Hybrid-Kriegs“ kritisiert.
Im Übrigen waren die Thesen der Bundeskanzlerin schwer zu kritisieren. Sie erinnerte die Amerikaner daran, dass „ein russisches Gasmolekül ein russisches Gasmolekül bleibt, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.” Deutschland habe bereits im Kalten Krieg Gas aus der Sowjetunion eingeführt. Sie deutete an, dass es eine schlechte Idee ist, China zum einzigen Käufer des russischen Rohrgases zu machen. Der Bruch der Beziehungen zu Russland wäre äußerst unerwünscht für Europa. Russland bleibe ein Partner, sagte Merkel.
Merkel übte Kritik an Washington – wegen des Ausstiegs aus dem INF-Vertrag, des Truppenabzugs aus Syrien, des Bruchs des Atomdeals mit dem Iran (das verhindert Verhandlungen zu den wichtigen Fragen für die EU) und des Handelskrieges mit der EU. Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit bewerten können.
Für Russland spielt in diesem Fall keine besondere Rolle, wer in diesem diplomatischen Duell gewonnen hat. Allerdings ist es natürlich angenehm, bei Europas führender Politikerin einzelne Erscheinungen von gesundem Menschenverstand und Pragmatismus gegenüber Russland zu sehen. Die größte Schlussfolgerung der Münchner Sicherheitskonferenz wurde wohl vom einflussreichen US-Politologen und Gründer der westlichen Consulting-Firma Eurasia Group, Ian Bremer, formuliert:
„Das außenpolitische Establishment der USA meint da in München, dass wir, wenn Trump gegangen ist, zur US-geführten Weltordnung zurückkehren können. Es gibt nichts, was der Wahrheit ferner ist.“
https://de.sputniknews.com/kommentare/20190218324017501-totenstille-pence-msk-hegemon/
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