Samstag, 16. März 2019

Die Ära der Großmachtrivalitäten

Die Ära der Großmachtrivalitäten
13.02.2019

MÜNCHEN (Eigener Bericht) -Mit düsteren Prognosen stimmen die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz auf die am Freitag beginnende Großveranstaltung ein.

Die Welt befaende sich gegenwärtig in einer "Ära der Großmachtrivalitäten", in der "zentrale Bausteine der internationalen Ordnung" neu sortiert würden, urteilt Wolfgang Ischinger, Leiter der Konferenz.

In den zentralen außen- und militärpolitischen Strategiepapieren der Vereinigten Staaten habe der neue "Großmächtewettbewerb" den "Anti-Terror-Krieg" als zentrales Kampffeld abgelöst, heißt es im
neuen Munich Security Report, einem Hintergrundbericht zu der Veranstaltung.

Dabei könne sich der Konikt mit China aus Sicht des US-Establishments "zumindest" zu einem neuen Kalten Krieg
entwickeln. Der Report geht davon aus, dass die Konikte mit US-Präsident Donald Trump in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit noch zunehmen.
Der EU bescheinigt das Papier unzureichende Bemühungen um "strategische Autonomie". Ob die "Übergangsperiode" zu einer neuen "Ordnung" der Welt "friedlich sein" werde, das sei, heißt es, überhaupt nicht klar.

"Führungsvakuum"

Mit düsteren Prognosen stimmt der einstige deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger auf die am Freitag beginnende 55. Münchner Sicherheitskonferenz ein. "Die Welt" durchlaufe gegenwärtig "nicht bloß eine Reihe kleinerer oder größerer Krisen", urteilt Ischinger, Leiter der Konferenz; es bestehe vielmehr "ein fundamentaleres Problem".

Demnach gebe es in der bisherigen "sogenannten liberalen Weltordnung" ein "Führungsvakuum", das mit einer neuen "Ära der Großmachtrivalitäten zwischen den Vereinigten Staaten, China und Russland" einhergehe. Zur Zeit würden "zentrale[...] Bausteine[...] der internationalen Ordnung" neu sortiert.
Entsprechend befasst sich die Tagung, an der in diesem Jahr 600 Personen, darunter 35 Staatsund Regierungschefs sowie 80 Außen- und Verteidigungsminister teilnehmen, insbesondere mit den
"Auswirkungen einer neuen Ära des Großmächtewettbewerbs".

Auf der Tagesordnung stehen darüber hinaus die Möglichkeiten für eine künftige "transatlantische Zusammenarbeit" und die "Selbstbehauptung der Europäischen Union".

"Mindestens ein Kalter Krieg"

Der "Großmächtewettbewerb" wird, wie der am Montag als Hintergrundbericht zu der Konferenz publizierte
Munich Security Report 2019 konstatiert, mittlerweile in zentralen Grunddokumenten der US-Außen- und Militärpolitik, etwa in der Nationalen Sicherheitsstrategie, als der prägende Faktor der derzeitigen internationalen Entwicklung beschrieben. Er hat, so heißt es, den "Anti-Terror-Krieg" der vergangenen beiden
Jahrzehnte abgelöst.

Der Begriff bezieht sich auf die US-Rivalität sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber China; Washington stuft beide explizit als Rivalen ein.

Zu China heißt es im Munich Security Report, in den USA werde heute die Auffassung weithin geteilt, das Land sei zum "dynamischsten und schwierigsten Konkurrenten der modernen Geschichte" geworden. Unter Trump hätten sich die US Beziehungen zu Beijing denn auch "mehr und schneller verschlechtert als zu jedem Zeitpunkt seit der Aufnahme offzieller Kontakte
im Jahr 1979". Die derzeitige Administration scheine "zum Mindesten" bereit "zu akzeptieren, dass das Ergebnis ein neuer Kalter Krieg sein könnte".
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7859/ 

Zur Frage, wie Russland zum Rivalen der Vereinigten Staaten geworden ist, zitiert der Munich Security Report aus einer im vergangenen Jahr publizierten Analyse von Wladislaw Surkow, einem früheren StellvertretendenMinisterpräsidenten Russlands und Berater  von Präsident Wladimir Putin. Surkow, der dem engeren Moskauer
Machtzirkel zugehört, nimmt in der Analyse Bezug auf die wiederholten Bemühungen Russlands bereits seit der Ära Peters des Großen, sich im Westen zu verankern.

Zuletzt hatte Moskau seit den 1990er Jahren versucht, mit den USA, dann, als dies als gescheitert eingeschätzt wurde, insbesondere mit Deutschland und der EU enger zu kooperieren.

Im Jahr 2014, als der Westen den Umsturz in Kiew erzwang, um die Ukraine umfassend in seinen Hegemonialbereich zu ziehen, sei dieser
Versuch denitiv gescheitert, konstatiert Surkow und urteilt:

"Russlands episches Streben nach Westen ist endgültig vorbei." Die "wiederholten und ausnahmslos fehlgeschlagenen Versuche", integraler Teil des Westens zu werden, seien "abschließend zum Stillstand gekommen".

Moskau bereite sich auf hundert, vielleicht auch zwei- oder dreihundert Jahre "geopolitischer Einsamkeit" vor.

"Noch stärkere Turbulenzen"

Pessimistisch gibt sich der Munich Security Report bezüglich der künftigen Politik der Trump-Administration. Der US-Präsident lege eine ungebrochene "Verachtung für internationale Institutionen und Vereinbarungen" an den Tag, heißt es in dem Papier. Verbündete würden "ignoriert", zuweilen gar "behandelt wie Konkurrenten oder Rivalen".

Konferenzleiter Ischinger urteilte bereits im Sommer vergangenen Jahres, "die Ära der gutartigen Hegemonie Amerikas" sei möglicherweise "vorüber". "Gutartig" bezog sich dabei auf die
ökonomischen und politischen Wachstumschancen, die Verbündete wie die Bundesrepublik unter der US Hegemonie vor dem Amtsantritt von Präsident Trump hatten. Freilich wurden derartige Chancen stets durch brutale Aggressionen gegenüber nicht verbündeten Staaten erkauft. Mit einer Wiederkehr solcher Chancen sei nicht zu rechnen, urteilt der Munich Security Report:

Weil Trump im Inland zunehmend unter Druck stehe und sein außen- und militärpolitisches Team inzwischen ausschließlich aus engen Gefolgsleuten bestehe, gebe es wenig Anlass zur Hoffnung auf einen Kurswechsel und vielmehr sogar "Grund, in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit sogar noch stärkere Turbulenzen zu erwarten".

"Nichtstrategische Abhängigkeit"

Berlin hat die konfrontative Politik der Trump-Administration in den vergangenen beiden Jahren systematisch genutzt, um die - schon zuvor explizit vorgetragene Forderung nach "strategischer Autonomie" für die EU und nach dem Aufbau europäischer Streitkräfte zu realisieren.

Den Erfolg stuft der Munich Security Report kühl als völlig unzureichend ein. Die Union sei - insbesondere auf militärischem Gebiet - erheblich näher an "nichtstrategischer Abhängigkeit" als an "strategischer Autonomie", heißt es in dem Papier; es bleibe "ein
weiter Weg, um zu erreichen, was Jean-Claude Juncker auf der letztjährigen Münchner Sicherheitskonferenz 'Weltpolitikfähigkeit' genannt" habe. "Weltpolitikfähigkeit" aber sei "bitter nötig". Politiker in der EU müssten jetzt endlich "langfristige strategische Ansätze entwickeln und die nötigen Ressourcen bereitstellen". Anders
könne man in der "Ära der Großmachtrivalitäten" seine Interessen nicht gegen diejenigen der Rivalen durchsetzen.

"Die Nach-Kalte-Kriegs-Ära - und die allgemeine Zuversicht, die mit ihr verbunden war - ist zum Ende gekommen", heißt es im Munich Security Report.

Allerdings sei völlig unklar, welche Art von globaler "Ordnung" nun heraufziehe, ob möglicherweise eine Welt mit konkurrierenden "Ordnungen" im Entstehen begriffen sei - "und ob die Übergangs periode friedlich sein wird".

Klar scheine nur, "das Interregnum" werde "eine Phase anhaltender Instabilität und Unsicherheit sein".

Pessimistisch äußert sich auch der - im Munich Security Report zitierte - US-Publizist Robert Kagan. "Wahrscheinlich schon früher als wir erwarten", schrieb Kagan im vergangenen Sommer, "wird der globale Friede aus den Fugen geraten. Trotz unserer menschlichen
Sehnsucht, das Beste zu hoffen, werden die Dinge nicht in Ordnung sein. Die derzeitige Administration scheine "zum Mindesten" bereit "zu akzeptieren, dass das Ergebnis ein neuer Kalter Krieg sein könnte".
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7859/