Sonntag, 17. März 2019
„Der Westen. Ein Abgesang“: Läutet Trump das Ende der westlichen Welt ein?
26.01.2019
Alexander Boos
Der Wertverlust des US-Dollars, Wirtschaftskrisen westlicher Industriestaaten, der überdehnte Militärapparat der USA und Symptome wie der „Brexit“ machen deutlich: Die westliche Welt steckt in der Krise. Im Buch „Der Westen. Ein Abgesang“ versucht Helmut Böttiger diese nachzuzeichnen. Im Sputnik-Gespräch sagt er, wie Russland und China reagieren.
Besonders „Tragedy and Hope“ habe Dr. Helmut Böttiger inspiriert, sein aktuelles Werk „Der Westen. Ein Abgesang“ zu verfassen. In diesem gut belegten Werk beschreibt der Soziologe und Pädagoge die Vorreiterrolle der britischen und US-amerikanischen Eliten zur Durchsetzung der Marktgesellschaft im sogenannten Westen. Das Buch bespricht ebenso die gegenwärtig zu beobachtende Verlagerung der ökonomisch-politischen Macht vom Westen weg hin zum asiatisch-pazifischen Raum, der nicht nur aus dem Wirtschaftsriesen China besteht.
„Die wahren Ziele des Westens offenlegen“
…„In meinem Buch geht es darum, die eigentlichen Interessen und Absichten dieses Bündnisses aus britischem Hochadel und internationaler Hochfinanz hinter den vorgeschobenen, anhand typischer und oft zu wenig beachteter Aspekte der englischen und späteren US-Geschichte herauszuarbeiten.“
„Der Westen verstößt permanent gegen Völkerrecht“
Die „transformatorische Außenpolitik“ des Westens sei von „einer Negation grundlegender völkerrechtlicher Prinzipien gekennzeichnet“, so der Autor. Er nannte als eines der Beispiele den völkerrechtswidrigen Krieg in Jugoslawien in den 90er Jahren.
„Der Jugoslawien-Krieg reihte sich – innenpolitisch gesehen – in die üblichen Herrschaftsmittel der jeweils Herrschenden ein: Jede Form der Angstmache und Verunsicherung. Hinzu kommen andere Maßnahmen wie Unterwanderung, verdeckte Interventionen, Finanzierung und Ausrüstung von Terrorgruppen, Anstachelung innenpolitischer Konflikte in anderen Ländern, falsche Propaganda, Bewusstseinsmanipulation, Umerziehung. Wie das mit dem Völkerrecht und den Begriffen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den übrigen sogenannten ‚Werten‘, mit denen sich der westliche Hegemon und seine Gläubigen schmücken, vereinbart werden kann, bleibt mir ein Rätsel.“
„Regime Changes“ durch die USA
Es „war und ist der Wunsch des anglo-amerikanischen Establishments, die gesamte Welt ihrem einheitlichen Herrschaftskonzept zu unterwerfen. Die dabei tragende Motivation entspringt unter anderem auch der Geldgewinn-Möglichkeit, die sich durch die Möglichkeit der Aufschuldung neuer, in Abhängigkeit gebrachter Territorien ergibt. Es geht letztlich um den entschädigungslosen Ersatz alter Schuldverhältnisse durch neue.“
Der Buchautor gab eine kurze historische Rückschau. „Diese Absicht steckte mehr oder weniger offen in den vielen, von US-Regierungsstellen angeregten Regierungsumstürzen in Lateinamerika, im Nahen Osten und auch 2014 in der Ukraine. Die ‚Bekenntnisse eines Economic Hitman‘ von John Perkins liefern dazu bestes Anschauungsmaterial.“
Trump und das anglo-amerikanische Establishment
Die Methoden dieses Vorgehens hätten sich in den Jahrzehnten und unter den sich wandelnden Bedingungen natürlich geändert. Außerdem ist in den letzten zwei Jahren ein neuer Faktor in der US-Politik dazugekommen:
US-Präsident Donald Trump. Er ist laut Böttiger ein Vertreter des „nationalen real-produzierenden US-Kapitals, das nicht mehr bereit ist, die Kosten der Weltherrschaftsträume des anglo-amerikanischen Establishments zu finanzieren, und das allmählich begreift, dass diese Kosten das eigentliche Amerika ruinieren werden.“
Trump als schillernde Figur sei „ein hervorragender PR-Mann und politischer Jongleur. Er wurde aufgrund der selbstherrlich eklatanten Fehleinschätzung des Establishments gewählt und versucht nun, von der ‚Ständigen Bürokratie‘ des Establishments umstellt, möglichst viel seiner Politik durchzusetzen, ohne dabei ‚impeached‘ zu werden oder das Schicksal eines John F. Kennedy zu erleiden. Seine Geschicklichkeit spiegelt sich in der Wut des Establishments und deren gläubiger Jünger.“
„Chaos als Strategie“
In seinem Buch beschreibt Böttiger auch die neue „strategische Chaos-Theorie“ des US-Militärstrategen und Diplomaten Steven R. Mann, die Eingang in die US-Außenpolitik gefunden hat. Mann hatte laut dem Soziologen „1992 mit Bezug auf die damals in Mode gekommene Chaos-Theorie den ökonomischen Vorteil einer entsprechenden Strategie gegenüber anderen Gesellschaften herausgestellt und damit die neuere Vorgehensweise des US-Establishments eingeleitet.“
Es gehe „dabei darum, Konflikt-Potenziale in den Ziel-Ländern, die noch nicht auf US-Linie sind, anzuregen und diese zum Beispiel über gezüchtete Terrorbanden (wie der ‚Islamische Staat‘ IS*, Anm. d. Red.) oder andere Maßnahmen ins Chaos zu stürzen, um sie dann im Sinne der USA neu zu ordnen. Arthur K. Cebrowski, Chef des ‚US Office of Force Transformation‘ hat das US Militär im Sinne dieser neuen strategischen Aufgabe umorganisiert.“
„Chaos und Globalisierung“
Im Zuge der Globalisierung, also „im Zuge der Verlagerung der Güterproduktion in Niedriglohnländer, ging es nun weniger darum – wie noch bei Perkins beschrieben, den USA den Zugriff auf die Rohstoffe in den anderen Ländern zu sichern, sondern darum, den Zugriff der meist im Westen niedergelassenen internationalen Unternehmen auf die Rohstoffe in diesen Ländern zu kontrollieren. Dazu sind diese Länder möglichst in ein nicht mehr regierbares Chaos zu stürzen und darin zu halten.“ So die Kurzfassung dieses strategischen Ansatzes.
Diese Zusammenhänge versuche der Autor anhand der geschichtlichen Entwicklung, „insbesondere der letzten 150 Jahre“, deutlich und verstehbar zu machen.
US-„Chaos“-Strategien gegen Russland
„Der Zusammenstoß der Zivilisationen wurde auf diese Weise an der Frontlinie zum Islam entzündet“, schreibt er in „Der Westen. Ein Abgesang“. „Durch ähnlich inszenierte Destabilisierungen der säkularen Staaten der Islamischen Welt wurde der Nahe Osten in Flammen gesetzt. Später wurde mit dem Putsch in der Ukraine und den Kriegen in Syrien dem chinesisch-russischen Infrastruktur-Entwicklungsplan für ganz Eurasien, „One Belt, One Road“ oder „Die Neue Seidenstraße“ genannt, eine deutliche Grenze gesetzt.“ Neuerdings werde dergleichen für die Karibik vorbereitet, ergänzte der Autor im Interview.
Zum „US-geführten“ Putsch in der Ukraine 2014 schreibt er in seinem Werk:
„Victoria Nuland aus dem US-Außenministerium bestätigte (…), dass die USA fünf Milliarden Dollar für den Putsch aufgewandt hätten, um die Ukraine von Russland wegzubrechen und in die US-Einflusssphäre einzugliedern.“
Russland und der Dollar
„Der drohende Zusammenbruch des Welt-Dollarsystems in der Krise von 2008 löste eine künstlich angeregte Geldschwemme im Westen und ein heftiges finanz- und machtpolitisches Ringen zwischen dem Westen, Russland, China und den größeren aufstrebenden Ländern wie Indien oder Brasilien aus.“
Der Wertverlust des Dollars entwertete zudem die nationalen Währungsreserven Russlands und Chinas und führte zu Gegenmaßnahmen – wie die immensen Goldkäufe der beiden Staaten zeigen, die „zur Implosion des Dollars und damit des Machtgefüges des Westens führen können“, schreibt der Autor.
Das westliche Wesen und die „nach-westliche Welt“
„Das Wesen der westlichen Welt ist die Marktwirtschaft konkurrierender Wirtschaftssubjekte nach der teilweisen Befreiung von standesmäßiger und staatlicher Bevormundung“, sagte Böttiger. „Damit gelang eine enorme Produktivitätssteigerung, um die bisherige materielle Knappheit zu überwinden. Der Markt bewirkt systembedingt eine Vermögenskonzentration, welche die realen Macht- und Herrschaftsverhältnisse prägt. Die wenigen hinter der Politikshow real Herrschenden sind – wiederum systembedingt – dazu übergegangen, die Knappheit künstlich aufrechtzuerhalten und sogar zu verschärfen, um die Herrschaftsverhältnisse zu erhalten.“
Der Autor betonte: „Diese Vorgehensweise muss früher oder später scheitern.“ Er zitiert in seinem neuen Buch auch den Ökonomen und US-Politiker Paul Craig Roberts: „Jede westliche Demokratie ist vom Winde verweht, am Ende und erledigt. Alle Werte, die einmal die westliche Zivilisation charakterisierten und sie groß gemacht haben, wurden von Macht, Gier und Überheblichkeit korrumpiert und hinweggespült.“
https://de.sputniknews.com/politik/20190126323715730-trump-gefahr-fuer-westliches-wertesystem/