Keine Publicity für US-amerikanische Kriegsverbrechen? US-Staatsanwälte im Fall Julian Assange haben es einem Bericht des britischen Guardian zufolge versäumt, eine der schockierendsten Videoenthüllungen der Plattform WikiLeaks in die Anklageschrift aufzunehmen. Kritiker werfen den USA nun vor, sie wollten nicht, dass ihre Kriegsverbrechen in der Öffentlichkeit breitgetreten werden.
Der gesundheitlich angeschlagene Assange befindet sich derzeit in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, die USA versuchen, seine Auslieferung zu erwirken. Es geht um insgesamt 18 Anklagepunkte, darunter auch Verschwörung zum Erwerb und zur Offenlegung geheimer Informationen. Die Anklage bezieht sich weitgehend auf die Interventionen des US-Militärs im Irak und in Afghanistan, einschließlich der Veröffentlichung der Einsatzregeln des US-Militärs im Irak.
In der Anklageschrift wird behauptet, Assange habe durch die Freigabe von Hunderttausenden von US-Geheimdienstdokumenten das Leben der US-Amerikaner gefährdet. Eine der berühmtesten Veröffentlichungen von WikiLeaks war ein Video – aufgenommen vom US-Apache-Hubschrauber Crazyhorse 18 –, das zeigt, wie am 12. Juli 2007 im Irak elf Zivilisten getötet wurden. Unter den Getöteten waren auch zwei Reuters-Journalisten.
Laut dem damaligen Bürochef der Journalisten in Bagdad, Dean Yates, habe ihn das US-Militär wiederholt darüber, was an diesem Tag passiert sei, belogen. Erst als Assange im April 2010 das Video – das WikiLeaks mit dem Titel "Collateral Murder" veröffentlichte – veröffentlicht habe, sei die volle brutale Wahrheit der Morde aufgedeckt worden.
"Was er getan hat, war zu 100 Prozent ein Akt der Wahrheitsfindung, der der Welt enthüllte, wie der Krieg im Irak aussieht und wie das US-Militär gelogen hat. (...) Die USA wissen, wie peinlich der Kollateral-Mord ist, wie beschämend er für das Militär ist – sie wissen, dass sich auf diesem Band potenzielle Kriegsverbrechen befinden", so Yates im Guardian.
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Der australische Anwalt Greg Barns, Rechtsberater einer australischen Assange-Kampagne, die eng mit den britischen Assange-Vertretern, einschließlich seines Rechtsteams, zusammenarbeitet, sagte, die US-Anklage gegen Assange erwähne zwar "den Kollateral-Mord nicht ausdrücklich (...), er ist aber sehr wohl Teil des umfassenderen Strafverfolgungsverfahrens [aufgrund dessen, was er über die US-Einsatzregeln veranschaulicht], und er ist einer der vielen Gründe, sich dem entgegenzustellen, was mit Assange geschieht". Und weiter:
Der Kollateral-Mord zeigt die unrechtmäßige Tötung durch Australiens engsten Verbündeten", sagte Barns. "Das ist etwas, worüber wir Bescheid wissen sollten. Seine Veröffentlichung war und bleibt eindeutig im öffentlichen Interesse.
Die australische Kampagne für Assange setzt sich bei der Regierung dafür ein, dass sie sowohl ihren engsten Verbündeten, die USA, dazu drängt, die Anklage zurückzuziehen, als auch Großbritannien dazu bringt, die Sicherheit von Assange zu gewährleisten.
Der tasmanische Senator Peter Whish-Wilson von den australischen Grünen, ein Gründungsmitglied der parteiübergreifenden parlamentarischen Gruppe "Bring Julian Assange Home Group", erklärte: "Die Auslassung des durchgesickerten Filmmaterials zum Kollateral-Mord in der Anklageschrift hat mich überrascht, aber nach reiflicher Überlegung liegt es natürlich nicht im Interesse der US-Regierung, ihre eigenen Ungerechtigkeiten, Betrügereien und Kriegsverbrechen hervorzuheben."
Und er ergänzte: "Der Fall der US-Staatsanwaltschaft konzentriert sich darauf, Julian anzuklagen und auszuliefern, weil er Leben in den USA oder in der Koalition in Gefahr gebracht haben soll, aber was ist mit den vielen Leben, die sie durch ihre angeblichen Einsatzregeln in Gefahr gebracht haben?"
Der Kollateral-Mord entlarve den Verlust unschuldigen Lebens durch das US-Militär und die Vertuschungen, Lügen und Betrügereien, um diese Tatsache nicht anzuerkennen.