Dienstag, 9. Juni 2020

Covid-19-Lockdown: wenig wirksam, enorm schädlich und rechtlich fragwürdig

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Die Corona-Pandemie stellt zweifellos eine ernste Bedrohung dar. Die Verantwortlichen werten den Rückgang der Infektionen als Beweis für die Richtigkeit des „Lockdowns“. Der damit angerichtete gesellschaftliche Schaden scheint aber den eventuellen Nutzen zu übersteigen. Teil 1 der Analyse beschäftigt sich mit den sozialen und rechtlichen Folgen.
Nicht nur die Ausbreitung der durch den neuen Corona-Virus Sars-Cov 2 ausgelösten Infektionskrankheit Covid-19 hält die Welt im Atem. Auch die dagegen verhängten Maßnahmen sorgen für Konflikte und Debatten. Die deutsche Politik reagierte zunächst sehr zaghaft. Ab Anfang März wurden wie in den meisten europäischen Ländern im Wochenrhythmus immer strengere Maßnahmen verordnet. Das führte bis hin zu strikten Kontaktbeschränklungen, dem sogenannten Lockdown oder Shutdown.
Dabei wurden Grundrechte so radikal eingeschränkt, wie es wohl niemand zuvor für möglich gehalten hatte. Das geschah allerdings auf umstrittener wissenschaftlicher Basis. Wie lange dieser faktische Ausnahmezustand anhalten soll, ist offen. Führenden Politikern zufolge könnte er mit gewissen Lockerungen solange dauern, bis ein wirksamer Impfstoff zu Verfügung steht. Dies wird frühestens in einem Jahr, vielleicht deutlich später oder auch nie der Fall sein. Bisher gibt es gegen keines der zahlreichen bekannten Corona-Viren einen Impfstoff.
Das neue Virus kann sich mit hoher Geschwindigkeit ausbreiten, was mit Hilfe verschiedener Maßnahmen gebremst werden muss. Ziel ist es, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird und möglichst viele schwere Covid-19-Erkrankungen verhindert werden. Die wichtigsten Maßnahmen sind neben der Einhaltung von Hygieneregeln, Erkrankte zu isolieren und häusliche Quarantäne für Kontaktpersonen.
Das ist unstrittig, ebenso wie große Menschenansammlungen zu verhindern, indem zum Beispiel Großveranstaltungen untersagt wurden. Dazu sollte der besondere Schutz von Personen kommen, die ein hohes Risiko haben, schwer an dem neuen Erreger zu erkranken. Solche Maßnahmen sind in einem längeren Zeitraum durchführbar und verkraftbar. Fraglich ist jedoch, ob es sinnvoll sowie verhältnismäßig und rechtlich zulässig war, darüber hinaus das gesamte öffentliche Leben über einen langen Zeitraum weitgehend zum Stillstand zu bringen.

Schockieren statt informieren

Angesichts der massiven sozialen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen des Lockdowns müsste es ständig eine breite öffentliche Debatte über die Maßnahmen geben. Eine solche offene Debatte gab es bisher jedoch kaum. Was dazu zu vernehmen war. das leidet „unter Angst, Einseitigkeit und Konformitätsdruck, auch unter Diffamierung und Ausgrenzung“, wie der Rechtsanwalt und Bürgerrechtsaktivist Rolf Gössner feststellte. Sie wird sogar durch gezielte Kommunikationsstrategien regelrecht unterdrückt und das Vorgehen gegen die Epidemie von Politik und Mainstreammedien als alternativlos hingestellt.
Auch wenn durch das Hinzuziehen von Gesundheitsbehörden und Fachleuten einen anderen Anschein erwecken sollte, hatten die drastischen Einschränkungen keine wissenschaftliche Basis. Fundierte alternative Einschätzungen und Empfehlungen wurden selbst dann ignoriert, wenn die Autoren den tonangebenden wissenschaftlichen Beratern der Regierung an beruflicher Stellung und Reputation völlig ebenbürtig sind.
So erging es einer Gruppe von sechs Gesundheitsexperten um den Gesundheitswissenschaftler Matthias Schrappe und dem von ihnen erstellten „Thesenpapier zur Pandemie“. Ähnliches widerfuhr den von einer Gruppe aus 14 renommierten Wissenschaftlern erstellten Empfehlungen „Die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie tragfähig gestalten“. Daran wirkten unter anderem Ansgar Lohse, Klinik-Direktor am Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE), Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und Hans-Georg Kräusslich, Direktor des Zentrums für Infektiologie der Uni Heidelberg mit. Lohse ist beim Deutschen Zentrum für Infektionsforschung für neu auftretende Infektionskrankheiten zuständig ist – gemeinsam mit dem medial präsenten Virologen Christian Drosten.

Fehlendes realistisches Bild

Die über die Medien verbreiteten Zahlen zeigten von Beginn an kein realistisches Bild vom Infektionsgeschehen, wie verschiedene Analysen deutlich gemacht haben. Gezeigt werden vor allem aufsummierte Gesamtzahlen gemeldeter Infektionen und Todesfällen. Da diese naturgemäß ständig steigen, wirken sie für sich schon bedrohlich. Aussagekräftig wären hingegen die Zahlen der täglichen neuen Fälle im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße und die prozentualen Differenzen zum Vortag, ergänzt um die relative Zahl der Testungen.
Um den Ernst der Lage einschätzen zu können, müssten auch die Zahlen der wegen Covid-19 im Krankenhaus bzw. auf Intensivstationen behandelten Patienten angegeben werden und ihr Verhältnis zu den vorhandenen Kapazitäten. Dieses Verhältnis wäre ein wesentlich besseres Kriterium für den Verlauf der Epidemie als wacklige Reproduktionszahlen (R), die sehr stark von der Testhäufigkeit abhängig sind.
Stattdessen wurden rasant steigende Kurven der Fallzahlen gezeigt und vor drohenden hundertausenden Toten gewarnt. So wurde die Bevölkerung so in Angst und Schrecken versetzt, dass eine Mehrheit auch die härtesten Anti-Corona-Maßnahmen begrüßte. Mit Verweis auf die dramatischen Situationen in den Hotspots der Pandemie wie in Italien an, im Elsass oder New York wurden Einwände vom Tisch gewischt.
Maximaler Infektionsschutz wurde zur offiziellen Leitschnur der Politik. Dabei war es anscheinende für die Regierungen von Bund und Ländern – wie für die Regierungen der meisten Staaten – einfacher, flächendeckende Verbote und Beschränkungen zu verordnen. Sie verzichteten auf gezieltere, aufwendigere Maßnahmen und auf begleitende Studien.

Chancen für Politiker

Für führende Politiker ist diese Situation wie jede Katastrophe eine Chance, sich als zupackende, verantwortungsbewusste Führer zu zeigen. Die Umfragewerte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und anderen stiegen entsprechend sehr schnell. Im Windschatten von Sars-Cov 2 werden sicherlich einige, schon seit längerem gehegte Pläne auf den Weg gebracht und wird ausgelotet, was in einer Krisensituation umsetzbar ist. Es wird wahrscheinlich versucht, die Grenzen des Machbaren zu erweitern, so im Bereich der Überwachungstechnik.
Auch wenn die meisten Grundrechtseinschränkungen nach Abklingen der Pandemie zurückgenommen werden, wird allen Erfahrungen nach das Eine oder Andere bestehen bleiben. Die nach 11. September 2001 eingeführten sogenannten Anti-Terrormaßnahmen ‒ von Kritikern wie dem Rechtsanwalt Gössner als „Notstandsgesetze für den Alltag“ bezeichnet ‒ sind bis heute weitgehend in Kraft.
Auch viele Linke in der Bundesrepublik befürworten einen maximalen Schutz vor Infektionen und wittern hinter Lockerungsforderungen nur wirtschaftliche Interessen. So reduzierte die Vorsitzende der Partei Die Linke, Katja Kipping, Anfang Mai die Debatte auf „die Frage, wie viel Menschenleben das Ankurbeln der Wirtschaft wert ist.“ In ihrem Engagement fürs Gemeinwohl schauen Linke wie Kipping aber nur auf eine Seite der Gleichung.

Soziale Folgen vernachlässigt

Viele renommierte Fachleute haben früh davor gewarnt, dass die extremen Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen anrichten werden, darunter John Ioannidis, international anerkannter Epidemiologe, Nobelpreisträger Michael Levitt und die deutschen Epidemiologen Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie im Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, und Stefan Willich von der Charité.
Doch eine Abwägung der sozialen und gesundheitlichen Folgen ist nicht erfolgt, obwohl der Lockdown mit Sicherheit neben Stress, Leid und Elend Todesopfer fordert. So bedeutet für viele prekär Beschäftigte der Ausfall ihres Einkommens einen Absturz in existenzielle Nöte.
Mit der durch den verordneten Stillstand zwangsläufig zunehmenden Armut, verringert sich bekanntlich die Lebenserwartung der Betroffenen, wie Studien zeigen. Versorgungsstrukturen für Obdachlose und sozial benachteiligte Menschen wurden durch den Lockdown großenteils stillgelegt.
Die Schließung von Schulen und Kindergärten treffen besonders stark die rund 2,6 Millionen Alleinerziehenden. Die generellen Kontaktsperren haben Folgen für die 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland. Eine pädagogisch-medizinische Arbeitsgruppe aus Pädagogen, Kinder- und Jugendmedizinern weist auf massive „psychosozialen Gesundheits-und Entwicklungsgefährdungen“ für Kinder durch den Lockdown hin.

Massive gesundheitliche Kollateralschäden

Aus verbreiteter Angst und aufgrund der Maßgabe, Kontakte zu meiden, verzichten viele Kranke auf medizinische Versorgung. Fachärzteverbände und Kliniken berichten, dass die Anzahl von Patienten, die mit akuten Herzbeschwerden ins Krankenhaus kommen, sich seit Beginn der Corona-Krise fast halbiert hat. Ähnliches gelte für Blinddarmentzündungen und Darminfarkte. Hinzu kommt, dass Operationen und diagnostische Eingriffe vertagt werden.
Im Zuge des Lockdowns werden zudem Depressionen, Alkoholismus, häusliche Gewalt und Selbstmorde zunehmen, befürchten Experten. Eine soziale Isolation über einen längeren Zeitraum kann das Risiko einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen erhöhen, wie internationale Studien zeigen. Dazu gehören Herzerkrankungen, Depressionen, Demenz und sogar Tod.
Schätzungen gehen davon aus, dass die Wirtschafts- und Finankrise von 2008/2009 in den westlichen Industriestaaten – USA, Kanada und Westeuropa – während der folgenden drei Jahre zu 10.000 zusätzlichen Selbstmordem führte. In der Rechtsmedizin der Berliner Charité wurden bereits mehrere „Corona-Suizide“ registriert und das John Muir Medical Center in Kalifornien berichtete von so vielen Suizidversuche innerhalb von vier Wochen wie sonst in einem ganzen Jahr.

Der rechtliche Schaden

Die angeordneten Maßnahmen „bringen praktisch für die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik schwerwiegende Einschränkungen, teilweise sogar faktische Suspendierungen zentraler Grundrechte mit sich: so etwa der Freiheit der Religionsausübung und der Versammlungsfreiheit, der Freiheit des Berufs und des Eigentums, der Freizügigkeit und der allgemeinen Bewegungsfreiheit,“ hält die 14-köpfige Expertengruppe in ihrem Papier fest.
„Das ist ein einmaliger und bis vor kurzem noch unvorstellbarer Vorgang, der zeigt, dass die Leben und Gesundheit vieler Menschen gefährdende Corona-Krise in der Folge nicht nur gewaltige wirtschaftliche und soziale Kosten, sondern auch beträchtliche ‚Grundrechtskosten‘ mit sich bringt.“
Die rechtliche Grundlage vieler Einschränkungen ist äußerst fraglich. Je gravierender die Kontaktbeschränkungen in das gesellschaftliche Leben eingriffen, je mehr Grundrechte eingeschränkt oder aufgehoben wurden, desto sorgfältiger hätten sie begründet und diskutiert werden müssen. Einschränkungen zum Schutz von Leben und Gesundheit sind legitim, aber nur dann, wenn sie sich tatsächlich auf das Nötige beschränken, d.h. das jeweils mildeste Mittel darstellen.

Zweifel an Rechtmäßigkeit

Regierungen und Behörden berufen sich bei ihren Verordnungen auf Paragraph 28 des Infektionsschutzgesetzes. Dieser erlaubt, dass gegenüber Infizierten oder Verdachtsfällen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Aber das könne nicht für 82 Millionen Menschen gelten, die „zum jetzigen Zeitpunkt in der Mehrheit gesund sind,“ erklärte die Rechtswissenschaftlerin Andrea Edenharter gegenüber der Zeitung „Frankfurter Rundschau“.
Der Paragraph gestattet es Behörden, Personen zu verpflichten, bestimmte Orte nicht zu verlassen, „bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. Diese Passage zielt laut Edenharter „jedoch ganz klar auf zeitlich und räumlich sehr eng eingegrenzte Beschränkungen. Vorstellbar ist zum Beispiel die Anordnung, ein Flugzeug zu verlassen, bis Infizierte isoliert und alles desinfiziert wurde. Aber eine wochenlange Einschränkung der Bewegungsfreiheit für ein ganzes Land lässt sich daraus auf keinen Fall ableiten – zumal es ja in Wirklichkeit gar keine Schutzmaßnahmen gibt. Das wäre vielleicht eine Impfung. Aber die gibt es ja nicht.“
Fragwürdig ist ebenso die mangelnde parlamentarische Mitwirkung an den Verordnungen. Die Humanistische Union fordert unter der Überschrift „Grundrechte gehören nicht in Quarantäne“ alle „Ermächtigungen der Exekutive“ ohne Mitwirkung parlamentarischer Körperschaften „wegen ihrer Verfassungswidrigkeit aufzuheben.“ Die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen“ (VDJ) mahnte unter der Überschrift „Demokratie - und Grundrechte-Abbau in der Corona Krise beenden!“, verfassungskonformer Gesundheitsschutz müsse „differenziert und Gefahren bezogen“ sein.
Die Corona-Pandemie stellt zweifellos eine ernste Bedrohung dar. Die Verantwortlichen werten den Rückgang der Infektionen als Beweis für die Richtigkeit des „Lockdowns“. Der damit angerichtete gesellschaftliche Schaden scheint aber den eventuellen Nutzen zu übersteigen. Teil 2 der Analyse beschäftigt sich mit den statistischen Angaben zur Pandemie.
Die politischen Verantwortlichen stützen sich bei der Rechtfertigung ihrer harten Anti-Corona-Maßnahmen auf die Zahlen gemeldeter Infektionen und Todesfälle. Diese haben jedoch nur eine geringe Aussagekraft. So stieg die Zahl registrierter Fälle zum guten Teil einfach aufgrund der Ausweitung der Tests und wird anderseits ein großer Teil der Infizierten überhaupt nicht erfasst. Das Robert-Koch-Institut (RKI), als Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten in Deutschland dem Bundesgesundheitsministerium unterstehen, zählt alle positiv auf Sars-Cov 2 getesteten Toten als Corona-Todesfälle, unabhängig von der tatsächlichen Todesursache.
Das Gesundheitsamt der Stadt Hamburg wertet dagegen nur jene als Corona-Todesfälle, bei denen durch eine Obduktion der Verstorbenen Covid-19 als primäre Todesursache bestätigt wurde. So stufte das Amt der Hansestadt am 9. April nur acht der vom RKI für Hamburg gemeldeten 14 Corona-Todesfälle als solche ein. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE), erklärte Ende April, alle der mehr als 140 untersuchten sogenannten Corona-Toten hätten schwere Vorerkrankungen gehabt.
Das stimmt mit einer Untersuchung des nationalen italienischen Gesundheitsamts (ISS) von 2.000 Todesfällen überein, Laut dieser hatten 99 Prozent der Verstorbenen eine oder mehreren Vorerkrankungen, 48,5 Prozent sogar drei.

Was sagen die Sterbezahlen?

Natürlich können auch Menschen unbemerkt an Covid-19 sterben. Die vom Präsidenten des RKI, Lothar Wieler geäußerte These, dass die Sterberate wahrscheinlich sogar unterschätzt werde, erscheint dennoch wenig plausibel. Eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zu den Sterbefällen zeigt für die ersten Aprilwochen eine etwas höhere Übersterblichkeit in Deutschland als durch die gemeldeten Corona-Todesfälle zu erwarten wäre. Sollte sich dies am Ende des Jahres bestätigen, müsste dies keineswegs darauf hindeuten, das die Corona-Todesfälle unterschätzt wurden. Sie könnte auch auf zunehmende Todesfälle in Folge der Gegenmaßnahmen, so durch aufgeschobene Operationen und Arztbesuche, Selbstmorde und ähnliches, hinweisen.
Indem die Zahlen der Infizierten unter- und die der Todesfälle überschätzt werden, wird auch der daraus abgeleitete Anteil von Infizierten, die an dem Virus sterben, stark überschätzt und damit die Ausbreitung des Virus. Auf den aus den gemeldeten Daten errechneten Fallsterblichkeitsraten von rund vier Prozen beruhen die Schätzungen, dass bei einer ungebremsten Ausbreitung des Virus in Deutschland bis zu zwei Millionen Menschen sterben könnten.
Das RKI gab die Rate für Deutschland am 30. April noch mit 3,8 Prozent an. Die Johns Hopkins Universität (JHU) gab in ihrer Länderübersicht „Mortalitäten“ in einer Bandbreite aus, die von 0,1 Prozent in Singapur über 4,4 Prozent in Deutschland und 6 Prozent in den USA bis zu mehr als 14 Prozent in Frankreich und Belgien reichen. Offensichtlich sind diese Prozentsätze nur ein Maßstab dafür, wie viele Menschen getestet wurden.

Überschätzte Sterblichkeit

Für die meisten Betroffenen verläuft eine Infektion mit Sars-Cov 2glimpflich. Von ihnen zeigen 80 bis 90 Prozent keine oder nur schwache Symptome. Dadurch überstiegt die Gesamtzahl der tatsächlich Infizierten mutmaßlich die der registrierten Fälle um ein Vielfaches. Und die Sterblichkeitsrate von Infizierten allgemein (Infection Fatality Ratio – IFR) wird entsprechend überschätzt wird.
Studien auf Basis von Bevölkerungsgruppen, bei denen weitgehend alle Infizierten erfasst werden konnten, deuteten schon Anfang März auf eine IFR von weniger als 0,5 Prozent hin. Das war zum Beispiel bei den Passagieren auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ der Fall. Eine japanische Studie, die die tatsächliche Zahl der Infizierten in der chinesischen Corona-Hochburg Wuhan auf Basis japanischer Heimkehrer schätzte, kam auf eine IFR von 0,12 Prozent. Die erste repräsentative Untersuchung in der Bundesrepublik, im „Hotspot“ Gangelt im Kreis Heinsberg, ergab eine Sterblichkeit von 0,37 Prozent.
Bereits Mitte März hatten Untersuchungen darauf hingewiesen, dass auf jeden bestätigten Corona-Fall vermutlich fünf bis zehn unentdeckte Fälle kommen. Neuere repräsentative Studien, kommen auf noch viel höhere Infektionsraten und damit zugleich auf niedriger Sterberate, so auf mittlerweile einen IFR-Wert von 0,3 Prozent und darunter. Die Schweizer Initiative „Swiss Policy Research“ hat auf ihrer Webseite eine Übersicht aller bekannter Studien zur CoViD-19-Sterblichkeit erstellt.

Keine Verharmlosung

Damit liegt die mutmaßliche Covid-19-Sterblichkeit in der Größenordnung der schweren Wintergrippe 2017/2018, für die eine Sterblichkeitsrate von knapp 0,3 Prozent errechnet wurde. Dadurch wirkt der neue Corona-Virus keineswegs harmlos. Während der Grippewelle 2017/2018 mussten in Deutschland rund neun Millionen Infizierte einen Arzt aufsuchen und etwa 45.000 in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Mehr als 25.000 Erkrankte starben damals Schätzungen des RKI zufolge.
Es ist daher keineswegs eine „verantwortungslose Verharmlosung“, wenn Experten wie Detlev Krüger, Vorgänger von Christian Drosten als Chef der Virologie an der Charité, „bisher keine höhere Gefährlichkeit“ des Virus als die „bestimmter Varianten des Grippevirus“ sehen. Wer generell jeden Vergleich mit der Influenza für unzulässig erklärt, stellt sich gegen den Versuch, das Risiko vernünftig einzuschätzen und einzuordnen. Zugleich macht er das Virus Sars-Cov 2 zu einer unvergleichlichen Gefahr.
Das Risiko, an einer entsprechenden Infektion zu erkranken oder zu sterben, ist abhängig vom Alter und von Vorerkrankungen der Betroffenen. Es ist sehr unterschiedlich über die Altersgruppen verteilt. 87 Prozent der Gestorbenen in Deutschland waren laut RKI 70 Jahre oder älter, obwohl nur 16 Prozent der Erkrankten zu dieser Altersgruppe gehören. Während einer Reihe von Untersuchungen zufolge unter 65jährige nur ein sehr geringes Risiko haben, nach einer Infektion zu sterben, steigt es für über 80jährige auf 16 Prozent an. Gelingt es diese gut zu schützen, kann die Gesamtsterblichkeit von Covid-19 stark gesenkt werden.
Bei Kinder und Jugendlichen sind den Untersuchungen nach Todesfälle sogar extrem selten. Nach dem Register stationär behandelter Kinder der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) gab es bis 18. Mai nur einen einzigen mit Covid-19 in Verbindung gebrachten Todesfall. Das RKI weist drei Todesfälle zwischen drei und 18 Jahren aus, die jeweils Vorerkrankungen hatten. Auch in anderen Ländern sind es einer Stellungnahme der DGPI und drei weiterer deutscher medizinischer Fachgesellschaften zufolge bislang wenige Einzelfälle.

Die verantwortlichen Politiker und ihre wissenschaftlichen Berater werten die nun zurückgehenden Infektionszahlen als Beweis dafür, dass ihr gesamten Anti-Corona-Maßnahmen-Paket richtig war und ist. Sie warnen vorsorglich vor dem sogenannten „Präventions-Paradoxon“, wonach eine Prävention gerade durch ihren Erfolg, das heißt dem Ausbleiben dessen, wovor sie bewahren soll, als überflüssig erachtet werden kann. Doch lässt sich umgekehrt mit dieser Logik auch jede staatliche Überreaktion als Erfolg verbuchen.
Realitätsnähere Darstellungen des Verlaufs der Infektionszahlen zeigen, dass bereits die ersten Maßnahmen ausgereicht hatten, die Epidemie einzudämmen. Das belegen selbst Daten, die das zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) mittlerweile veröffent­lichte, so im Lagebericht vom 7. Mai. Statt wie üblich die täglichen Zahlen der Neuinfizierten pro Meldedatum anzugeben, obwohl dieses fünf bis zehn Tage nach dem Datum der Infektion liegt, wurden sie hier zum Datum des Erkrankungsbeginns aufgetragen. Die aufgrund des Meldeverzugs noch fehlenden aktuellen Fälle werden mit einem statistischen Verfahren korrigiert.
Die so ermittelten Verlaufskurven beginnen nach einem anfänglich deutlichen Anstieg schon nach dem 9. März abzuflachen. Ab dem 19. März geht die Zahl der Neuinfektionen bereits stark zurück, also schon vier Tage, bevor am 23. März die umfassenden Kontaktsperren in Kraft traten. Danach beschleunigte sich der Rückgang kaum noch. Die auf Basis der Fallzahlen pro Erkrankungsdatum geschätzte Reproduktionszahl „R“, die angibt, wie viele Menschen im Durchschnitt ein Infizierter ansteckt, sank schon ab dem 12. März stark ab und liegt seit dem 19. März unter dem Wert 1.
Die Aussagekraft der Statistiken wird durch die unbekannte Dunkelziffer an Infizierten und der starken Abhängigkeit der Fallzahlen von der Testhäufigkeit beeinträchtigt. So dürfte das Abflachen des Rückgangs von R ab dem 15. März auf die massive Ausweitung der Tests zurückzuführen sein. In der Woche zuvor waren knapp 130.000 Tests durchgeführt worden, in der Woche danach rund 350.000, also 2,7mal so viel. Bei gleicher Testhäufigkeit wäre R daher damals schon weiter gefallen. In ihrem Bericht zur Methodik weisen die RKI-Wissenschaftler auch auf diesen Effekt hin.
Erste Maßnahmen am effektivsten
Anfang März waren die ersten Anti-Corona-Maßnahmen ergriffen worden, wie das Verbot von Großveranstaltungen, Quarantäne für Erkrankte und Kontaktpersonen, betroffene Schulklassen und andere, sowie Appelle veröffentlicht worden, Hygieneregeln einzuhalten. Firmen begannen Teile der Belegschaft ins Homeoffice zu schicken. Schon eine Woche danach begann die Reproduktionszahl zu sinken. Der Anstieg täglicher Infektionen war bereits gestoppt, als am 16. März unter anderem der Betrieb an Schulen, Kindergärten und Hochschulen eingestellt sowie Kultureinrichtungen, Sportstätten, Bäder und so weiter geschlossen wurden.
Die ersten Maßnahmen waren somit schon sehr effektiv und offensichtlich wesentlich wirkungsvoller als die anschließend verordneten Einschränkungen. Vermutlich trug wie bei anderen Corona-Viren oder der Grippe der Frühlingsbeginn zum Rückgang der Infektionen bei. Auf einen saisonalen Einfluss der Ausbreitung deuten auch die Entwicklungen in Australien und Südamerika hin, wo vermutlich der beginnende Herbst die Infektionsraten in die Höhe treibt.
Berechnungen des Verlaufs der Reproduktionszahl an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich zeigen auch für die Schweiz einen Infektionsrückgang vor dem dortigen Lockdown. Carl Heneghan, Direktor des Zentrums für evidenzbasierte Medizin der Universität Oxford, stellte in einer Analyse fest, dass die meisten Länder den Höhepunkt (Peak) der Epidemie schon vor dem jeweiligen Lockdown erreicht hatten.
Kontaktsperren bringen wenig Nutzen
Aus den erwähnten RKI-Statistiken ist nicht erkennbar, wie stark die Infektionsraten auch ohne Schulschließungen und dem folgendem kompletten Lockdown zurückgegangen wären. Das ursprünglich anvisierte Ziel, einen exponentiellen Anstieg der Infektionen zu stoppen, war jedoch auf jeden Fall schon ohne sie erreicht worden.
Eine Analyse von Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Basel untersuchte die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen auf Basis von Daten aus 20 westlichen Ländern. Sie ergab, dass tatsächlich Schulschließungen mit durchschnittlich acht Prozent und Lockdowns mit fünf Prozent am wenigsten zur Eindämmung in diesen Ländern beigetragen haben. Eine im medizinischen Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichte Studie kam zum Schluss, dass Schulschließungen nur zwei bis vier Prozent möglicher Todesfälle verhindern würden.
Die geringe Effektivität von Schul- und Kita-Schließungen liegt daran, dass „Kinder und Jugendliche bei der Virusübertragung auf andere Kinder und Jugendliche, aber auch auf Erwachsene eine untergeordnete Rolle spielen“. So schätzen es die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland (bvkj e.V.) in einer gemeinsamen Stellungnahme ein.
„Schweres Covid-19 ist nach derzeitigem Kenntnisstand in Deutschland bei Kindern keinesfalls häufiger als viele andere potentiell schwer verlaufende Infektionserkrankungen bei Kindern, die nicht zur Schließung von Schulen und Kindereinrichtungen führen.“
Dies alles deckt sich mit der Mehrheitsmeinung befragter deutscher Experten aus den Fachgebieten Virologie, Mikrobiologie, Hygiene, Tropenmedizin, Immunologie, Inneren Medizin und Intensivmedizin. Die Ergebnisse einer entsprechenden Umfrage hatte das Universitätsklinikum Tübingen Anfang Mai veröffentlicht. 70 Prozent der Befragten sprachen sich für die Abstandsregel und das Verbot von Großveranstaltungen als geeignete Eindämmungsmaßnahmen aus. Dagegen hielten nur fünf Prozent von ihnen Kitas- und Schulschließungen für sinnvoll.
Knapp zwei Drittel der befragten Wissenschaftler kritisierten zudem das Fehlen konstruktiver Fachdiskussion in den Medien. Ein Drittel sieht sogar die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft bedroht. Wissenschaftliche Belege für die Schutzwirkung von Masken, ob professionell oder selbst hergestellt, sehen nur wenige von ihnen, über 70 Prozent befürchten jedoch Risiken durch falsche Handhabung. Wohl eher aus dem Bauch heraus, so die Autoren der Studie, befürworten die meisten der Befragten dennoch das Tragen an gewissen Orten, wie z.B. in Bussen und Bahnen.
Der schwedische Weg
Die relative geringe Wirkung von Lockdown und Schulschließungen lässt sich auch an der Entwicklung in Schweden sehen. Dort wurde auf staatlich verordnete drastische Beschränkungen verzichtet und auf freiwillige Einhaltung von Schutzmaßnahmen gesetzt. Schulen, Läden, Restaurants und Freizeiteinrichtungen blieben geöffnet. Dennoch konnte die Epidemie dort ebenfalls soweit abgebremst werden, dass die tägliche Zahl der Infektionen und Toten nicht weiter steigt.
Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern, wo die Politik entschied, gaben in Schweden die Wissenschaftler der obersten Gesundheitsbehörde den Weg vor. Diese hatten schon früh aus den Daten aus Italien geschlossen haben, dass Schulen keine Treiber der Epidemie sind. Auch wenn oft der Eindruck erweckt wird, geht Schweden dabei keinen völlig anderen Weg. Hier ist ebenfalls das Ziel, die Infektionskurve genügend flach zu halten, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Eine schnelle „Herdenimmunität“ wurde anders als in Medienberichten oft behauptet nicht angestrebt. Dagegen setzte die schwedische Gesundheitsbehörde darauf, die Ausbreitung des Virus auch durch Immunität eines wachsenden Teils der Bevölkerung zu bremsen. Sie hätte anderseits nach dem im Land geltendem Recht gar nicht die Möglichkeit, so weitgehende Beschränkungen wie in Deutschland zu verordnen.
In dem skandinavischen Land gelten als wichtigste Regeln Händewaschen, Abstand halten und zu Hause zu bleiben beim ersten Anzeichen von Erkrankung. Versammlungen von mehr als 50 Personen wurden ab dem 29. März verboten. Bars und Restaurants müssen genügend Platz bieten, damit alle Kunden in der erforderlichen Entfernung voneinander sitzen können. Zudem haben die Schweden wie von der schwedischen Gesundheitsbehörde empfohlen generell ihre Aktivitäten stark reduziert. Viele Firmen wie Volvo haben ihre Werke geschlossen und der Tourismus ist durch die freiwillige Zurückhaltung der Schweden eingebrochen. So hat auch das Land im Norden mit einem wirtschaftlichen Einbruch zu kämpfen – nur sind die gesamten gesellschaftlichen Auswirkungen, insbesondere die sozialen, längst nicht so drastisch wie in den meisten anderen Ländern.
Oberflächlicher Blick statt interessierter Fragen
Statt es wohlwollend als interessante Alternative zu beobachten, aus der Lehren für das eigene Land gezogen werden können, wird das schwedische Modell in den deutschen Medien häufig als verantwortungslos angegriffen. Immer wieder wird sein nahes Scheitern prophezeit. Kritiker verweisen vor allem auf eine wesentlich höhere Zahl von Toten pro Einwohner als in den skandinavischen Nachbarländern oder in Deutschland. Tatsächlich lag sie in Schweden am 20. Mai mit 370 pro einer Million Einwohner fast doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg oder Bayern und fast fünfmal höher als in Norwegen.
Andererseits ist die Rate in einer Reihe europäischer Staaten, in denen ein strikter Lockdown verordnet wurde, ähnlich hoch oder sogar noch wesentlich höher. So betrug sie Ende April Angaben zufolge in den Niederlanden 330 Tote pro einer Million Einwohner, in Frankreich 420, in Großbritannien 540 und in Belgien 794. Letztlich lassen sich die Zahlen verschiedener Länder schwer vergleichen. So sind schon die Kriterien für die Registrierung von Todesfällen unter Covid-19 unterschiedlich streng. In Schweden landen ähnlich wie in Belgien nicht nur bestätigte, sondern auch bloß vermutete Covid-19-Todesfälle in der Statistik.
Vor allem sind die Ausgangsbedingungen unterschiedlich. Schweden gehört zu den Ländern mit einem heftigeren Start der Epidemie. Am Anfang stiegen die Infektionen und in der Folge auch die Todesfälle wesentlich schneller als in Deutschland oder Norwegen. Zudem war das Vorgehen in Schweden selbstverständlich nicht fehlerlos. Auch hier fordern Sparmaßnahmen und Privatisierung im Bereich von Gesundheit und Pflege in den Jahren zuvor ihren Tribut.
Ursachen in Schweden wie in anderen Ländern
So räumen die schwedischen Verantwortlichen selbst gravierende Versäumnisse beim Schutz von Menschen in Pflegeheimen ein, wodurch relativ viel alte Menschen erkrankten. Fast die Hälfte der an oder mit Sars-Cov 2 Verstorbenen waren pflegebedürftig. Als eine wesentliche Ursache dafür gilt der massive Einsatz von schlecht bezahlten Zeitarbeiterinnen ohne feste Verträge in der Altenpflege. Diese können es sich nicht leisten, wegen leichten Erkrankungen zu Hause zu bleiben und müssen jeden Tag andere Menschen versorgen müssen.
Erst relativ spät wurden in Schweden rigorosere Schutzmaßnahmen ergriffen. Mit dem hohen Anteil von Toten in Pflegeheimen steht das Land jedoch keineswegs allein da: In Frankreich lag er Statistiken zufolge Mitte Mai bei 51 Prozent, in Irland bei 62 Prozent und in Kanada sogar bei 82 Prozent, während für die Bundesrepublik 37 Prozent angegeben wurden. In Hessen kam fast jeder zweite der sogenannten Corona-Toten aus einem Altersheim, wie der Hessische Rundfunk (HR) berichtete.
Die Fehler in einzelnen Bereichen sprechen nicht gegen das schwedische Vorgehen insgesamt. Dadurch wurden auf der anderen Seite viele der sozialen Härten vermieden, die in anderen Ländern auch Opfer fordern. Wieviel Opfer die Pandemie in den verschiedenen Ländern insgesamt fordern wird, kann erst nach ihrem Ende abgeschätzt werden.
Schweden als mögliches Vorbild
Das wesentliche Ziel, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, war auch in Schweden nie in Gefahr. Der Unterschied zu anderen Ländern sei, so der schwedische Chef-Epidemiologe Anders Tegnell, dass sie „diese Art von Politik ohne weiteres monate-, vielleicht sogar jahrelang beibehalten könnten, ohne der Gesellschaft oder unserer Wirtschaft wirklichen Schaden zuzufügen.“ Das sagte er gegenüber der US-Zeitung „Washington Times“.
Schweden bleibt auf einem höheren Infektionsniveau, erreicht dadurch jedoch schneller eine Immunisierung eines relevanten Teils der Bevölkerung. In Schweden könnte sie, ausgehend von Fallsterblichkeiten zwischen 0,1 bis 0,3 Prozent ausgeht, Ende April schon bei vier bis 12 Prozent gelegen haben. Erste Testreihen mit einem neu entwickelten, zuverlässigen Antikörpertest ergaben Berichten zufolge für die Hauptstadt Stockholm Anfang Mai bereits 20 Prozent.
Das Land muss daher weniger als die Nachbarn eine neue Covid-19-Welle fürchten. Seinem Land drohe nicht „das Risiko einer riesigen Infektionsspitze“ wie in den Nachbarländern, hielt Tegnell der Kritik aus dem Ausland entgegen. „Norwegen und Dänemark sind jetzt sehr besorgt, wie man diesen vollständigen Lock-Down beenden kann, ohne dass diese Welle sofort einsetzt, sobald die Lockerung beginnt.“ Eine deutliche Mehrheit der Schweden steht laut Medienberichten hinter dem Umgang ihres Landes mit der Epidemie. Bei einer repräsentativen Umfrage des schwedischen Fernsehens Ende April bewerten ihn 80 Prozent mit „Gut“ oder „Sehr gut“.
Bundesdeutsche Experten empfehlen zu Recht, die Entwicklung in Schweden genau zu beobachten und sich stärker an dessen Vorgehen zu orientieren. Der Exekutivdirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Mike Ryan, der die weltweiten Maßnahmen gegen das Virus koordiniert, bezeichnete Schweden als „Vorbild“, aus dem Lehren gezogen werden könnte.