Freitag, 19. Juni 2020

Russlands neue Abwehrwaffe gegen hartes Fluggerät

 Keine Drohne, kein Hubschrauber, kein Kampfjet im Tiefangriff ist vor dieser Schulterwaffe sicher: Werba – das neue tragbare Flugabwehrsystem der russischen Infanterie. Was Besseres ist in dieser Kategorie nach fachmännischer Meinung gegenwärtig nicht zu haben.
Kampfpiloten sind nicht mal mehr unter dem Radar in Sicherheit. Tragbare Flugabwehrsysteme wirken in niedrigen und niedrigsten Höhen sehr effektiv: Jeder Fußsoldat kann mit einer Schulterwaffe millionenteures Fluggerät binnen Sekunden vernichten – und genauso schnell im Gelände verschwinden, wie er aufgetaucht ist.
Die Sowjetunion führte ihr erstes tragbares Flugabwehrsystem 1968 in die Truppennutzung ein: Strela-2 – es wurde sogleich eingesetzt. Im Jom-Kippur-Krieg schoss die syrische und ägyptische Flugabwehr circa 35 israelische Flugzeuge und Hubschrauber damit ab. In den allermeisten Fällen wirkten die Schützen auf kurze Distanz, blieben jedoch für die Angreifer unsichtbar und damit unerreichbar.
Es folgten verbesserte Systeme Strela-3, Igla – und jetzt Werba, erstmals vorgestellt in der Rüstungsausstellung Army 2015. „Es gibt inzwischen Ziele, die die früheren Abwehrwaffen mit gewohnter Wirkung nicht mehr bekämpfen können. Ich meine, die kompakten und schwer zu ortenden Drohnen aus Verbundwerkstoffen. Das Beste an der Werba ist die Fähigkeit, auch solche Geräte zuverlässig zu orten und zu bekämpfen“, sagt Militärexperte Alexej Leonkow im Sputnik-Gespräch.
Die Fähigkeit ist längst bestätigt: Am 3. August 2017 schossen russische Kräfte an einem Kontrollposten im syrischen Ost-Ghuta mit der Schulterwaffe eine Drohne der Dschabhat-al-Nusra ab, die dort Ziele für die Artillerie aufklärte. Ein Schuss mit der Werba genügte.
Drohnen sind nicht das einzige, was die Werba abwehren kann. Flugzeuge, Hubschrauber und Marschflugkörper zählen auch zum Einsatzprofil der Schulterwaffe – in Höhen von 10 bis 4500 Metern auf bis zu sechs Kilometer. Die amerikanische Stinger – zum Vergleich – bekämpft Ziele in bis zu 3500 Metern Höhe auf maximal viereinhalb Kilometer Entfernung.
Überdies ist die Werba mit einer Radaranlage ausgerüstet, die den Himmel bis zu 80 Kilometer weit überwacht: Dem Schützen bleibt nach der Zielortung genug Zeit, die günstigste Schussstellung einzunehmen. Zielinformationen kann die Schulterwaffe auch aus einem Verbund von Radarstellungen beziehen, mit dem sie sich verlinken lässt. Ein Gefechtsmanagementsystem erfasst die Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung von Flugobjekten und verteilt die Ziele samt den exakten Zielkoordinaten unter den Schützen, deren Positionen im GLONASS-System sichtbar ist.

Der Gefechtskopf der Rakete ist als ein zweieinhalb Kilogramm schweres Sprengbrandgeschoss mit einem Kontakt- und einem Abstandszünder ausgelegt: detoniert je nach Tempo und Richtung unmittelbar beim Aufprall oder in einigem Abstand zum Ziel. Um das Triebwerk eines Flugvehikels zu zerstören, reicht die Sprengwirkung allemal aus.
Den Rest übernimmt die Abwehrrakete. Deren tri-spektraler Zielsuchkopf arbeitet im nahen und mittleren IR- und UV-Bereich. Damit kann die Rakete echte Ziele – Flugzeuge und Hubschrauber – von Täuschkörpern unterscheiden. Soldaten, die das System bereits erprobt haben, sagen, dank der sensiblen Sensorik sei der Zielerfassungsbereich der Werba im Vergleich zu Vorgängersystemen zweieinhalb Mal so groß.

Russische Luftlandetruppen und mehrere motorisierte Schützenverbände haben die Werba bereits in Dienst gestellt. Doch das Abwehrsystem ist nicht nur als Schulterwaffe verfügbar, sondern kann auch auf Kampffahrzeugen, Hubschraubern und Schiffen installiert werden. Zum Beispiel ist auf der Basis des Allzweckfahrzeugs Tiger ein Luftabwehrsystem für den Nah- und Nächstbereich entstanden: Gibka-S, mit vier Abwehrraketen.
Wichtig für die Einsatztauglichkeit der Werba ist die vereinfachte Bedienung. Beispielsweise muss der Zielsuchkopf der Rakete nicht mehr tiefgekühlt aufbewahrt werden. Das komplette System ist binnen Sekunden einsatzbereit, unter allen klimatischen Bedingungen zwischen -50 und +50 Grad Celsius. Für den Einsatz bei Nacht nutzen die Schützen ein aufsetzbares Nachtzielgerät. Die meisten anderen Schulterwaffen dieser Kategorie sind ausschließlich bei Tageslicht einsetzbar.