Montag, 18. Januar 2021

The end of the road for American exceptionalism

 

Das US-Imperium ist gefallen


16 Jan. 2021

Nebojša Malić

Die Uhr zurückzudrehen, um das US-Reich so wiederherzustellen, wie es vor Donald Trumps Präsidentschaft war, ist eine sprichwörtliche Sisyphos-Arbeit: Es gehört bereits der Vergangenheit an – und der Sturm auf das Kapitol war bloß der Halm, der dem Kamel das Rückgrat brach.

Sie müssen mir aber auch nicht aufs Wort glauben, denn:

“Wenn es einen Startschuss für die post-US-amerikanische Ära geben sollte, dann ist er mit ziemlicher Sicherheit am heutigen Datum gefallen.”

So argumentierte schließlich kein Geringerer als der Chef des Council on Foreign Relations – der führenden Denkfabrik im Dienste des Washingtoner Imperiums – nach  der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar durch mehrere Hundert Trump-Anhänger, die gegen die Bestätigung zugunsten Bidens Wahlsieg protestierten.

Hier der dramatisierende Abgesang von Richard Nathan Haass in Gänze:

“Wir sehen Bilder, von denen ich nie gedacht hätte, dass wir sie in diesem Land jemals sehen würden – in irgendeiner anderen Hauptstadt ja, aber nicht hier. 

Wahrscheinlich wird niemand in der Welt uns wieder auf die gleiche Weise ansehen, respektieren, fürchten oder sich auf uns verlassen. 

Wenn es einen Startschuss für die post-US-amerikanische Ära geben sollte, dann ist er mit ziemlicher Sicherheit am heutigen Datum gefallen.”

….Dieses unfreiwillige Bekenntnis zum “US-amerikanischen Exzeptionalismus” besagt im Grunde, dass es in Ordnung ist, wenn von den USA unterstützte Aktivisten die Parlamente von “Regimen” stürmen, die dem offiziellen Washington missfallen und die man darum ändern will – doch wenn US-Amerikaner gegen ihre eigene Regierung rebellieren, von der sie glauben, dass sie unrechtmäßig handelt, dann sprengt das jedes Maß.

Obwohl das, was am Mittwoch geschah, keine wirkliche “farbige Revolution” war, so waren dennoch die visuellen Eindrücke immerhin ähnlich genug, dass die ganze Welt davon Notiz nahm.

Es wäre dennoch falsch, den “Aufstand” im Kapitol für den Untergang des US-amerikanischen Imperiums verantwortlich zu machen: Hier ist lediglich der letzte Dominostein umgefallen.

Nochmals, auch hierzu müssen Sie sich nicht allein mit meinem Wort begnügen – hier ist Ishan Tharoor, ein Kolumnist bei der notorisch dem Establishment hörigen Washington Post. 

Er erklärte https://www.washingtonpost.com/world/2021/01/07/american-exceptionalism-end-capitol-mob/, dass für “viele im Ausland” die Vision von den USA als der erleuchteten Stadt auf dem Hügel mit einem entsprechenden globalen moralischen Einfluss und ihrer Autorität “bereits [zuvor] tausend Tode gestorben ist”.

Und für einige dieser Leute, argumentiert Tharoor, war dieses Narrativ “schon immer eine Illusion, mit der die von Washington inszenierten Putsche und die Militärregime in seinen Satellitenstaaten verhüllt werden sollten.” In der Tat.

Die Demokraten und ihre neokonservativen Verbündeten verbrachten die vergangenen vier Jahre damit, Trumps “America First”-Politik zu tadeln. Sie beklagten, dass er einseitig handele, “Verbündete” vergräme und in der Welt gar ein “Führungsvakuum” schaffe…

Auch Trump billigt tatsächlich das US-amerikanische Imperium voll und ganz – er hat sich bloß all der höflichkeitsbedingten Fiktionen entledigt, mit deren Hilfe es sich im Laufe der Jahre als etwas anderes verkleidete.

Doch ironischerweise war es die Mobilisierung des gesamten politischen Establishments der USA ausgerechnet zu dem Zweck, Trump loszuwerden – beginnend mit der “Russlandaffäre“, dem Amtsenthebungszirkus wegen des Telefonats mit der Ukraine, gefolgt von landesweiten Unruhen über “Rassen-Gerechtigkeit“, ihrerseits nebenher erweitert um zu politischen Waffen umfunktionierte COVID-Sperren  –, welche den Löwenanteil jenes Sprengsatzes unter dem zuvor aufrechterhaltenen Mythos einer US-Hegemonie darstellten – im Inland wie im Ausland.

Erinnern Sie sich an den “Tiefen Staat“, der ja angeblich eine Verschwörungstheorie Marke Trump war? Doch seine Existenz wurde im Laufe der Anhörungen zu seinem Amtsenthebungsverfahren sogar bestätigt, ein ehemaliger CIA-Direktor lobte ihn ungeniert offen, und als letztendlich ein FBI-Komplott zum Anschmieren von General Flynn entlarvt wurde, waren alle restlichen Zweifel zerstoben.

Der Kriegskampagne der Mainstream-Medien gegen Trump, der sich später auch die “Sozialen” Medien anschlossen – die rigide Zensur gegen die legitime und präzise Berichterstattung über Hunter Bidens Laptop kurz vor der jüngsten Wahl war hierfür lediglich das ungeheuerlichste Beispiel – durfte doch auch hier die ganze Welt beiwohnen. Am Ende wurde Trump – als wohlgemerkt noch amtierender Präsident – von jedem sozialen Netzwerk verbannt, und das, obwohl er sogar angekündigt hatte, seinen Posten friedlich zu räumen.

Im Grunde war das gesamte US-Establishment so sehr von dem Wunsch besessen, Trump auf dem sprichwörtlichen Scheiterhaufen zu verbrennen, dass sie das Gerüst, das ihr Imperium aufrecht hielt, zu Brennholz kleinhackten.

In einer kürzlich gehaltenen Rede schwor Joe Biden feierlich, “wieder aufzubauen und Amerikas Platz in der Welt” als den eines Landes, das “erneut für Freiheit und Demokratie eintreten wird, wieder einzufordern.” Das ist eine gewaltige Aufgabe, vergleichbar damit, den Geist wieder in die Flasche einzusperren, die sprichwörtliche verschüttete Milch wiedereinzusammeln oder Humpty Dumpty (Anm.: ein zerbrechliches, kaum reparierbares menschenähnliches Ei aus einem bekannten britischen Kinderreim) wieder zusammenzusetzen.

Ironischerweise könnte das Einzige, was das Ansehen der USA in der Welt wiederherstellen könnte, darin bestehen, die US-amerikanische Republik zusammenzuflicken, die durch die vier Jahre “Widerstand” gegen Trump fast auseinandergebrochen ist. Aber da dies einen gewissen Grad an Selbsterkenntnis und Aufwand zur Seelenfindung voraussetzen würde, bleibt dies auch weiterhin wohl – sagen wir mal – nicht gerade “highly likely”.

Nebojša Malić ist ein serbisch-amerikanischer Journalist, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com geschrieben hat und auch als Autor für RT tätig ist.

Das Ende des amerikanischen Exzeptionalismus

Jan. 8, 2021

Ishaan Tharoor

…”Während wir sprechen, sind die Augen der Welt auf diese Kammer gerichtet und fragen sich, ob Amerika immer noch das leuchtende Beispiel der Demokratie ist, die leuchtende Stadt auf dem Hügel”, sagte Sen. Charles E. Schumer (D-N.Y.) …

Nur wenige Augenblicke später durchbrach ein Mob rechtsextremer Trump-Anhänger die überraschend mageren Schutzvorkehrungen um das Kapitol, stürmte das Gebäude und stürzte das Verfahren – und das Land – ins Chaos. Mindestens vier Menschen starben bei dem Tumult. US-Gesetzgeber waren gezwungen, Schutz zu finden, ducken sich unter Schreibtischen, kauernd hinter ein paar bewaffnete Sicherheitskräfte. Der Mob tobte durch das erhabene Herz der amerikanischen Demokratie und stürmte scheinbar ungestraft die Büros des Kongresses.

Einige amerikanische Kommentatoren und Politiker kämpften um Worte, um zu beschreiben, was geschah.

Sie verwiesen auf die Instabilität der Kriegsgebiete im Nahen Osten, wenn sie über die Wut der Menschenmassen sprachen.

Sie verwiesen auf die Käuflichkeit von Kleintopfdespoten in Bananenrepubliken, wenn sie über Trumps Aufwiegelung eines Aufstands sprachen.

Biden, in Bemerkungen später Mittwoch geliefert, sagte die Ereignisse “nicht ein wahres Amerika widerspiegeln. Sie repräsentieren nicht, wer wir sind.”

Während Erklärungen des Schocks und der Bestürzung von besorgten US-Verbündeten hereinfluteten, beklagten Doyens der Washingtoner Außenpolitik-Gemeinschaft, was mit Amerikas Image in der Welt geschehen sei. “So viel zur friedlichen Machtübergabe, zum amerikanischen Exzeptionalismus, zu unserer Rolle als leuchtende Stadt auf dem Hügel”, twitterte Richard Haass, Präsident des Council on Foreign Relations.

@SpeakerPelosi bezeichnete die Unruhen in Hongkong einmal als “einen schönen Anblick” – es bleibt abzuwarten, ob sie dasselbe über die jüngsten Entwicklungen auf dem Capitol Hill sagen wird.

@globaltimesnews) January 7, 2021

“Die gestrigen Ereignisse haben gezeigt, dass die USA kein moralisches Recht haben, eine andere Nation unter dem Deckmantel der Aufrechterhaltung der Demokratie zu bestrafen”, twitterte der simbabwische Präsident Emmerson Mnangagwa und beklagte die von der Trump-Administration gegen sein Land verhängten Sanktionen.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani sagte, das Drama im Kapitol zeige, “wie schwach die westliche Demokratie ist.”

Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, sagte mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit, dass ihre Kollegen “hoffen, dass das amerikanische Volk so bald wie möglich Frieden, Stabilität und Sicherheit genießen kann.”

… (The Washington Post) “Nach dem gestrigen Tag werden sie eine Quelle der Hoffnung weniger haben, einen Verbündeten weniger, auf den sie sich verlassen können”, schrieb Anne Applebaum im Atlantic und bezog sich dabei auf Dissidentenbewegungen, die unter autokratischen Regimen leiden.

“Die Macht von Amerikas Beispiel wird schwächer sein als früher; amerikanische Argumente werden schwerer zu hören sein.”

Aber ist das wirklich wahr?

…Umfragen zeigen bereits, dass eine jüngere Generation von Amerikanern weniger an die “außergewöhnliche” Natur ihres Landes glaubt und eher möchte, dass die Vereinigten Staaten eine begrenztere, bescheidenere Rolle auf der Weltbühne spielen.

Aber es sind die Älteren, einschließlich der Schlüsselfiguren des Washingtoner Establishments, die den Mythos des amerikanischen Exzeptionalismus zu brauchen scheinen, um daran festzuhalten…

– Jacinda Ardern (@jacindaardern) January 7, 2021

Für viele im Ausland ist die Vision von der “shining city on the hill” bereits tausend Tode gestorben. Für einige war es immer eine Illusion, um die von Washington eingefädelten Putsche und Klientel-Militärregime zu verschleiern, die ihre nationale Politik jahrzehntelang bestimmt haben. Für andere wurde der Glaube, den sie an das amerikanische Beispiel hatten, in den Folterkellern von Abu Ghraib und den gigantischen, milliardenschweren Exzessen der letzten zwei Jahrzehnte ruinöser Kriege der Vereinigten Staaten zunichte gemacht.

Dann kam Trump, der die Gültigkeit des amerikanischen Exzeptionalismus ausdrücklich in Zweifel zog, bevor er ihn als stumpfen nationalistischen Knüppel schwang, um linke Gegner anzugreifen…

https://www.washingtonpost.com/world/2021/01/07/american-exceptionalism-end-capitol-mob/