Dienstag, 21. April 2020

BILD attackiert China



21. April 2020  Renate Dillmann
Vorläufiger Höhepunkt einer Kampagne 

Feindbildpflege als journalistisches Kerngeschäft - Ein Kommentar
"Was China uns jetzt schon schuldet" - mit diesem Aufreißer zieht Deutschlands größte Tageszeitung wieder einmal gegen China zu Felde und verlangt in detaillierter "Rechnung" das, was die Corona-Pandemie "uns" kostet, von der Volksrepublik in Heller und Euro zurück.
Die chinesische Botschaft weist die Vorwürfe in einem Brief an den BILD-Chefredakteur Reichelt zurück, erklärt, dass China die WHO frühzeitig informiert habe, die anderen Staaten insofern ausreichend Zeit hatten, sich vorzubereiten und wirft ihm vor, Nationalismus zu schüren.
Reichelt legt daraufhin mit einem Brandbrief an Chinas Präsidenten Xi Jinping nach und verbreitet ihn unter dem Titel "Sie gefährden die ganze Welt" über YouTube mit chinesischen Untertiteln. Großer Applaus der hiesigen Leserschaft - Tenor: Endlich traut sich mal jemand, gegen dieses Unterdrücker-Regime aufzustehen, Kriegstreiberei ist das Gebot der Stunde, Leute zieht euch warm an.
Man könnte an dieser Stelle natürlich abwinken und sagen: eben typisch BILD. Mit Speck fängt man Mäuse und mit einem großen Maul viele zahlende Leser. Man könnte auch fragen, wer auf einen solchen Mist eigentlich hereinfällt. Hat schon mal jemand gefragt, wer die letzte Grippe-Epidemie ausgelöst hat? Und wenn man schon mal dabei ist: Haben die USA eigentlich schon für Aids gezahlt? VW für die Feinstaub-Toten? BILD kann sich solche Idiotien offenbar leisten - die Redaktion weiß sich in der Feindschaft gegen China so einig mit ihren Lesern, dass das Prinzip Draufhauen um jeden Preis völlig ausreicht.

BILD-Redakteur Reichelt entlarvt Xi Jinping

Was Chefredakteur Reichelt dann in seinem offenen Brief an Chinas Präsidenten loslässt, ist allerdings - bei allem, was man von BILD sowieso schon gewohnt ist und erwartet - von einer extra-ordinären Boshaftigkeit. Das ist, da haben die erfreuten Kommentare völlig Recht, Kriegs-Rhetorik.

Erster Vorwurf: "Sie regieren durch Überwachung. Ohne Überwachung wären Sie nicht Präsident."
Plädiert der BILD-Chefredakteur hier gerade etwas überraschend für die Abschaffung der "Dienste" in Deutschland und weltweit? Das Ende für die NSA? Konsequenzen aus den "Crypto-leaks"? Nö, natürlich nicht. Reichelt übt sich einfach nur mal wieder in der Kunst des Einteilens. Hier, im eigenen Land, sind Geheimdienste mit all ihren Methoden des Abhörens und Bespitzelns fraglos notwendig. Hier sind sie als Schutz der Demokratie vor ihren Feinden (den bösen Terroristen, den Linksextremen, den Chinesen) völlig gerechtfertigt, bei anderen Staatswesen dagegen einfach böse.

Dort, in China, hat der Staat keinen Grund (und schon gar keinen guten, d.h. von "uns" anerkannten Grund) für seine Maßnahmen. Der chinesische Staat und seine Politiker sind vom Charakter her übel, repressiv und überwachen einfach alles: "jeden Bürger", "jede kritische Zeitung" (auch für so etwas entdeckt BILD, wenn es passt, sein Herz!). Nur die "seuchenriskanten Tiermärkte" lässt der notorische Überwachungsstaat außen vor. Warum? Ach scheißegal bzw. noch böser: "Sie überwachen ihr Volk nicht nur, Sie gefährden es auch - und damit die ganze Welt."

Zweiter Vorwurf: "Überwachung führt zu Unfreiheit. Wer nicht frei ist, ist nicht kreativ. Wer nicht innovativ ist, erfindet nichts. Deswegen haben Sie ihr Land zum Weltmeister im Diebstahl von geistigem Eigentum gemacht."
Es ist zwar ganz in der Tradition des Hauses Springer, wenn Journalist Reichelt hier einen Hauptvorwurf der USA gegenüber China nachbetet. Aber vielleicht ist er da doch nicht so ganz auf der Höhe der Zeit.

Das könnte er bei seinem Kollegen, dem Handelsblatt-Journalisten Sieren, problemlos nachlesen:

Der chinesische Konzern Huawei belegte ihm zufolge bereits dreimal den Spitzenplatz der globalen Rangliste der Weltorganisation für geistiges Eigentum; beim Europäischen Patentamt liegt Huawei ebenfalls vorn; und 2017 kamen der National Science Foundation zufolge aus China mehr wissenschaftliche Veröffentlichungen als aus jedem anderen Land der Welt. Sieren zitiert auch Peter Jungen, den Ex-Präsidenten der europäischen Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in Bezug auf "start ups": "Die Chinesen sind heute experimentierfreudiger als wir."
Nebenbei:

Vielleicht sollte Reichelt auch einmal den Ursprung des Labels "made in germany" nachschlagen, das heute für "unsere" besondere Qualität stehen soll; erfunden wurde es jedenfalls im 19. Jahrhundert von England, um deutsche Waren international zu desavouieren, weil sich die englische Wirtschaft fortgesetzter Industriespionage durch deutsche Unternehmen ausgesetzt sah …
Und:
Dass der "größte chinesische Exportschlager, den keiner haben wollte, der aber trotzdem um die Welt gegangen ist, Corona ist" - das hätte der deutsche Patriot Julian Reichelt vielleicht gerne so. Stammt vielleicht aus dieser Ecke, also schlicht aus dem Neid auf Chinas Erfolge, der Kern seines Ärgers?

Dritter Vorwurf: "Als Sie, Ihre Regierung und Ihre Wissenschaftler längst wissen mussten, dass Corona von Mensch zu Mensch übertragen wird, haben Sie die Welt im Dunkeln darüber gelassen."
Die chinesische Botschaft hatte bereits zuvor auf die entsprechenden BILD-Vorwürfe geantwortet:
Bereits am 31.12.2019 haben die chinesischen Behörden die WHO über Fälle von Lungenentzündung unbekannter Ursache in Wuhan informiert. Ab dem 3. Januar 2020 informierte China die WHO und andere Länder wie die USA regelmäßig über den Verlauf. Zu dieser Zeit meldete Wuhan 44 Patienten mit der mysteriösen Krankheit. Am 8. Januar 2020 wurde der Krankheitserreger SARS-CoV-2 erstmals identifiziert. Am 11. Januar stellte China vollständige Genomsequenzen des neuartigen Coronavirus öffentlich online und teilte die genetischen Daten mit der WHO. Am 20. Januar bestätigte China aufgrund von fundierten epidemiologischen Untersuchungen die Übertragung des neuartigen Coronavirus von Mensch zu Mensch. Drei Tage danach wurde die Millionenmetropole Wuhan abgeriegelt und noch nie dagewesene umfassende, gründliche und rigorose Quarantänemaßnahmen wurden landesweit ergriffen. Die WHO bestätigt exakt diese Timeline und sie ist hier nachzulesen. Am 11. März schließlich erklärte die WHO die durch das Covid-19-Virus verursachte Krankheit zur Pandemie.


Man kann der chinesischen Politik sicherlich vorwerfen, dass sie auf das erste Auftauchen des Virus (inzwischen auf den 17.11. datiert) mit dem Versuch der Bagatellisierung reagiert hat. Auch in China haben zunächst die lokalen Behörden, später übergeordnete Stellen die Haltung eingenommen: Der erfolgreiche marktwirtschaftliche Betrieb soll nicht gestört werden, auch nicht durch Besorgnis erregende Mitteilungen über neuartige Krankheiten. Dazu gehörte auch die polizeiliche Aufforderung an Ärzte, keine Panik durch angebliche Fake News zu verbreiten.
Das ist - im Ziel wie in der Form - Bestandteil einer staatlichen Politik, die wirtschaftliches Wachstum nur mit sehr bedingter Rücksicht auf gesundheitliche Belange ihrer Bürger durchsetzt. Eine solche Politik, die mit gesundheitlichen Schäden der Bevölkerung kalkuliert, ist zu kritisieren - in China ebenso wie in Deutschland, wo genau diese Kalkulation keineswegs unbekannt ist, sondern Prinzip.

Vierter Vorwurf: "Die 'Washington Post' berichtet, dass Labore in Wuhan an Corona-Viren in Fledermäusen geforscht haben, ohne höchste Sicherheitsstandards einzuhalten. Warum sind ihre toxischen Labore nicht so abgesichert wie Ihre Gefängnisse für politische Gefangene?"
Schlamperei in "toxischen Laboren" - schon mal schön, wenn man einen solchen Allerweltsvorwurf verbreiten kann. Aber so richtig gut und giftig wird er, wenn man ihn kombiniert mit dem Feld, wo die Chinesen nicht schlampen, sondern einfach Spitze sind. Und das sind - na klar doch: Gefängnisse für politische Gefangene.

Ob Reichelt wirklich etwas über die Behandlung von politischen Gefangenen in China weiß oder Behauptungen einfach nur so raushaut - völlig egal. Ebenso egal, dass zur Zeit gerade das gelobte Land der Freiheit mit allen Mitteln politischer Erpressung gegenüber anderen Staaten versucht, jemanden für Jahrzehnte hinter Gitter zu bringen, weil er US-amerikanische Schandtaten im Irak-Krieg publik gemacht hat. Beziehungsweise nicht egal: BILD, Freund aller politischen Gefangenen, hat kräftig mitgehetzt gegen Assange, den man ganz offenbar gerne in ein "Gefängnis für politische Gefangene" schicken will …

Fünfter Vorwurf: "In Ihrem Land tuschelt man bereits über Sie. Ihre Macht bröckelt."
Ja, das wünscht ein deutscher Journalist einem Land wie China selbstverständlich aus ganzem Herzen: eine schöne Führungskrise. Am liebsten auch noch eine, an der er selbst ein bisschen mitgewerkelt hat - also schnell auf YouTube und darauf setzen, dass seine ebenso dummen wie gemeinen Vorwürfe im repressiven China, in dem angeblich "jede kritische Internetseite" dicht gemacht wird, Gehör finden. Vielleicht gelingt der US-freundlichen BILD-Zeitung so ja auch ein wenig "zivilgesellschaftliche" Diplomatie, wenn die Volksrepublik sich auf diese Art und Weise düpiert fühlt und ihre Beziehungen zu Deutschland verschlechtert …
Im Abspann seines Briefs macht Reichelt jedenfalls noch deutlich, was für ihn der Anlass dieser schönen Kampagne war. China hat nicht nur das Virus auf die Welt losgelassen. Nein, es stellt sich der Welt nun auch noch großzügig als Helfer dar, liefert Atemschutzmasken, Schutzbekleidung, medizinisches Gerät und Hilfspersonal. Der BILD-Chef weiß auch hier zu unterscheiden: Das ist "nicht Freundschaft", sondern "lächelnder Imperialismus".

Richtig erkannt, Herr Reichelt - und wirklich interessant, was für linke Begriffe einem völkischen Beobachter zur Verfügung stehen, wenn es aufs Desavouieren missliebiger Staaten und die Verhetzung ganzer Völker ankommt. Apropos: Schicken "wir" eigentlich Ärzte oder Waren in die Welt? Und tituliert BILD in Zukunft auch deutsche Entwicklungshilfe, Katastrophenschutz im Ausland und vielleicht sogar das "Brunnenbohren" in Afghanistan als "Imperialismus", von mir aus als "lächelnden"? Oder ist unser Schießen einfach schon per se Hilfe und deren Hilfe einfach per se Imperialismus und schwarz ist weiß und weiß ist schwarz, weil es sowieso um permanente Gehirnwäsche für deutsche Nationalisten geht.

Insgesamt jedenfalls ein schönes Beispiel für deutschen Qualitätsjournalismus. Größere Einwände "seriöser" Zeitungen oder der öffentlich-rechtlichen gegen den Bild-Redakteur wurden bisher nicht gesichtet. Insofern kann man davon ausgehen, dass - von Formfragen und einzelnen Übertreibungen einmal abgesehen - die anti-chinesische Stoßrichtung nicht aus dem allgemeinen Rahmen fällt, das Feindbild China im "weltoffenen", "toleranten" und "aufgeklärten" Deutschland also allgemein geteilt wird.
Warum das so ist, dazu in aller Kürze noch Folgendes.

Feindbild und Feindschaft

Ein solches Feindbild entspringt immer einer realen Konkurrenz und einer tatsächlichen Feindschaft. Die Gründe dafür liegen im Fall China einerseits auf der Hand:

China ist das neue ökonomische, politische und auch militärische Schwergewicht auf der Welt. Es macht den EU-Europäern, die ihrerseits die Dominanz der USA attackieren wollen, das Leben schwer, und die USA wiederum leiden darunter, dass ihre einzigartige Supermachtstellung angegriffen ist und sie dieses Land nicht in ihre Weltordnung einsortieren können.

Andererseits ist mit diesem lapidaren Befund noch nicht viel erklärt. Denn auf diese Weise wird die gesamte ökonomische und politische Ordnung dieser Welt als gegeben und selbstverständlich unterstellt. Von da aus werden dann Chancen und Risiken der einzelnen Konkurrenten betrachtet, deren jeweilige Strategien erörtert, um sich entweder auf die eine oder andere Seite zu schlagen oder unparteilich darüberzustehen. Die wesentliche Frage, warum und um was alle Staaten konkurrieren und wieso sie das immer wieder in ein feindseliges, am Ende sogar kriegsträchtiges Verhältnis zueinander treibt, bleibt dabei ungeklärt. Hier zumindest einige Hinweise.

Moderne Staaten leben nicht von Raub oder Plünderung, sondern von dem Wirtschaftswachstum, das sie - zunächst an ihren "Standorten" - bewerkstelligen. Das aber reicht weder ihren heimischen Unternehmen, die auf grenzenloses Kaufen, Verkaufen und Investieren sinnen, noch ihnen selbst.

Auf der Basis wechselseitiger Anerkennung souveräner Staaten haben sie deshalb den gesamten Globus zu einem Weltmarkt als Mittel ihrer Bereicherung hergerichtet. Es hat etliche kleine, große und kalte Kriege gedauert, bis es soweit war. Dann erst war der exklusive, "kolonialherrschaftliche" Zugriff auf die Gebiete in Übersee beendet und der "kommunistische Block", der das Prinzip des freien Kapitalverkehrs ablehnte, überwunden.
Inzwischen gibt es eine weltweit gültige Geschäftsordnung, nach der im Prinzip freier Austausch von Waren und Kapital auf der ganzen Erde herrscht. Was damit etabliert wurde, ist allerdings kein Verhältnis wechselseitigen Vorteils, keine Win-win-Situation, wie gerne behauptet wird. Handel und Kapitalverkehr zwischen kapitalistischen Nationen dienen der Bereicherung. Es gibt zwar Phasen, in denen die diversen Regierungen davon schwärmen, dass ihre Handels- und Investitionsverträge allen Beteiligten von Nutzen sind und es für alle aufwärtsgeht. Letztlich aber werden die Erfolge eines Landes auf Kosten eines anderen errungen - das zeigen Handels- und Leistungsbilanzen und vor allem der Verlauf der Währungskonkurrenz. Und irgendwann - spätestens in aufkommenden Krisensituationen - werden sich die Staaten auch dessen bewusst, dass ihre schöne "Kooperation" durchaus ausschließenden Charakter hatte und hat.

Ökonomische Kooperation macht also Konfrontation, am Ende sogar eine militärische Auseinandersetzung, keineswegs überflüssig. Die populäre Vorstellung, dass nicht geschossen wird, solange Handel getrieben wird, ist darin ganz und gar verkehrt. Denn geschossen wird irgendwann, weil gehandelt wurde.

Auch wenn sich die USA bisher an China ungemein bereichert haben, stellt sich für sie inzwischen die Frage, ob sie weiterhin den Nutzen aus China-Geschäft und Welthandel ziehen oder ob sich die Verhältnisse nicht umgedreht haben und China nun stärker profitiert.

Zum "friedlichen" Handel gehört die Gewalt notwendigerweise dazu, und zwar von allem Anfang an, damit die Staaten einander überhaupt respektieren und in ein ökonomisches Verhältnis miteinander treten, dann als stetige Begleiterscheinung zur Abwicklung der ökonomischen Interessengegensätze und schließlich als selbständiges strategisches Programm, um im globalen Gewalthaushalt für sich günstige Positionen zu erobern.

Auch die Bundesrepublik entwickelt - seit geraumer Zeit macht ihre politische Elite das mehr und mehr deutlich - das Bedürfnis nach einer autonomen, vom "Schutz" des amerikanischen Freundes emanzipierten geostrategischen Absicherung ihrer "nationalen Interessen". Stichwort "Unsere globale Verantwortung".

Dazu gehört dann auch, das inzwischen schon sehr mächtig gewordene China irgendwie "in den Griff zu bekommen" - gerade weil man dieses Land, das inzwischen bereits seit drei Jahren in Folge wichtigster Handelspartner und auch drittgrößter Investitionsstandort deutscher Unternehmen ist, ökonomisch unbedingt braucht.

Also versucht auch Deutschland, geostrategische Positionen in Asien aufzubauen - als Teilnehmer am Shangri-La-Dialog (dem asiatisch-pazifischen Pendant zur Münchner Sicherheitskonferenz) und als Waffenlieferant an Singapur.

Gleichzeitig möchte sich Berlin von der US-amerikanischen "Konfrontationspolitik" absetzen. Bei der ist man erstens nicht gefragt worden, und man hält sie zweitens auch nicht unbedingt für förderlich, schon allein deshalb, weil angesichts bestehender Uneinigkeit in der EU und mangelnder eigener Mittel kein hinreichend großer Einfluss auf China genommen werden kann. Um so wichtiger ist es, wenn Deutschland seine diplomatischen Verhandlungspositionen mit einigen kleinen Druckmitteln unterfüttern kann, die der chinesischen Regierung die Verletzbarkeit ihres Erfolgswegs vor Augen führen:

Neben der bewährten Menschenrechtswaffe (der Klage über mangelnde Pressefreiheit und schlechte Behandlung der Oppositionellen) kommen vor allem die bereits latent bestehenden Separatismusprobleme in Xinjiang und Tibet sowie neuerdings in Hongkong aufs Tableau.

Gerade diese Fragen eignen sich hervorragend, weil sie China in einem Kern treffen - der souveränen Verfügung über Land und Leute als Mittel seines ökonomischen Aufstiegs.

Dass eine uigurische "Exilregierung" in München sitzen darf, der Dalai Lama verehrter Gast bei deutschen Politikern ist, Joshua Wong, der Führer der Hongkong-Demonstrationen, vom deutschen Außenminister Heiko Maas empfangen wird, sind die Nadelstiche, mit denen die deutsche Diplomatie China berechnend ärgert und die sie, wenn nötig, jederzeit zum ernstzunehmenden Erpressungsmittel ausbauen kann.

Und gerade die Grünen tun sich auf diesem Feld als moralische Scharfmacher hervor.
Die deutsche Presse kann sich bei ihrem patriotischen Publikum darauf verlassen, dass es Vorbehalte gegen jedes "Ausland" gibt. Die Feindschaft erzeugen muss sie also nicht und könnte das auch nicht. Beim Feindbild aber ist sie in ihrem Metier. Sie setzt die Konjunkturen der deutschen Außenpolitik im wahrsten Sinne des Wortes ins BILD und bietet dem Publikum Orientierung bei der Frage, welche "Regime" für "uns" gerade unten durch sind und welche nicht. Ob erschütternde Reportagen des Alltags, Berichte über drangsalierte Minderheiten oder korrupte und bösartige Herrschaften - dem Weltspiegel wie der Bildzeitung sind da alle Mittel ihrer journalistischen Kunst recht, wenn es darum geht, für jeden Bildungsgrad auf angemessene Art und Weise nationale Stimmung zu machen.

Und wenn irgendwann der nächste Tobias R. das alles bitter ernst nimmt und diejenigen abknallt, die er für Deutschlands Feinde hält, hat Chefredakteur Reichelt schon wieder schöne Schlagzeilen von einem "wirren Täter", "Verschwörungstheorien", einem "grotesken Manifest" und so weiter … (Renate Dillmann)