Die EU hat mit fast zwei Jahren Verspätung die erste Zahlung für ein Geschäft mit dem Iran über das seit langem vollmündig dafür angekündigte Instrument INSTEX abgewickelt.
Nachdem die USA das Atomabkommen mit dem Iran im Mai 2018 gebrochen und dann einseitig völkerrechtswidrige Sanktionen gegen das Land verhängt haben, haben europäische Banken sich geweigert, Zahlungen mit dem Iran abzuwickeln, da sie dann unter die US-Sanktionen fallen könnten. In dem Atomabkommen haben sich die Staaten der EU jedoch verpflichtet, den Handel mit dem Iran zu ermöglichen. Daher hat die EU vollmundig angekündigt, die Abwicklung der Zahlungen zu übernehmen. Das hätte die EU problemlos über die EZB tun können, aber die EU hat offensichtlich zu viel Angst vor den USA und hat daher die Entwicklung eines gesonderten Instrumentes für den Zahlungsverkehr mit dem Iran angekündigt und es INSTEX genannt. Die Chronologie und die Details zum Atomabkommen mit dem Iran finden Sie hier.
INSTEX ist allerdings kein Zahlungssystem wie etwa SWIFT, sondern eher so etwas wie eine Tauschbörse, bei der Import- und Exportgeschäfte mit dem Iran gegeneinander verrechnet werden sollen. Zu INSTEX habe ich schon im Mai 2019 einen ausführlichen Artikel geschrieben, den Sie hier finden.
Nun wurde Ende März endlich die erste Transaktion zwischen der EU und dem Iran über INSTEX abgewickelt. Ob INSTEX den Handel mit dem Iran tatsächlich möglich machen kann, bezweifle ich immer noch, aber wir werden demnächst sehen, wie viele Geschäfte tatsächlich über INSTEX verrechnet werden.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharova, ist bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstag ebenfalls auf diese erste Transaktion über INSTEX eingegangen. Ich teile die optimistische Sicht nicht, die in der russischen Erklärung durchklingt, aber ich habe die russische Erklärung der Vollständigkeit halber übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Es gab Medienberichte über die erste europäische Lieferung von Medizinprodukten für den Iran, wofür die EU-Länder ein eigenes Tool geschaffen haben. Die Rede ist von INSTEX.
Natürlich sind Fortschritte bei der Entwicklung dieses Mechanismus, der zur Erhaltung einer normalen geschäftlichen Zusammenarbeit und einer legitimen Handels- und Wirtschaftskooperation mit dem Iran angesichts der US-Sanktionen beitragen, zu begrüßen, was wir ja während seiner Entwicklung auch getan haben. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen, dass die so genannten Vorbereitungsarbeiten – ein Teil davon waren natürlich wirklich Vorbereitungen – leider sozusagen ein „Kampf gegen Windmühlen“ waren. Die Arbeit daran hat fast ein Jahr gedauert. Informationen über den Beginn der Vorbereitungen erschienen erstmals im Juni 2019.
Wir verstehen, dass die Schaffung wirksamer Instrumente zur Neutralisierung der Auswirkungen illegaler und einseitiger US-Sanktionen ein neues und zeitaufwändiges Geschäft für die Europäische Union ist. Es wurde jedoch ein Ergebnis erzielt und jetzt ist es notwendig, die Bemühungen in dieser Richtung fortzusetzen, die entwickelten Systeme und ihre Qualität und Dynamik konsequent zu verbessern. Aus unserer Sicht ist es für die Wirksamkeit dieses Mechanismus unerlässlich, darüber nun auch Waren zu handeln, die unter die amerikanischen Sanktionen fallen und die Ausweitung des Mechanismus auf Länder, die nicht Mitglieder der Europäischen Union, aber wichtige Handelspartner des Iran, sind. Wenn das geschieht, gibt es Hoffnung, dass INSTEX an Stärke gewinnt und den geweckten Erwartungen als wirksames Element der globalen Anti-Sanktions-Infrastruktur gerecht wird. Wir werden die Details beobachten und Ihnen mit Zahlen und Fakten berichten. Der Bedarf an solchen Werkzeugen steigt insbesondere angesichts gemeinsamer Herausforderungen wie der Coronavirus-Pandemie. Die Anwendung einseitiger Sanktionen ist unter diesen Umständen völlig inakzeptabel, zynisch und unmoralisch.
Wegen Untätigkeit der EU: Iran setzt zwei Teile des Atomabkommens aus
Der Iran hat angekündigt, Teile des Atomabkommens auszusetzen. Was bedeutet das und wie stellt es die deutsche Presse dar?
Das Atomabkommen wurde 2015 nach langen Verhandlungen geschlossen. Der Iran hat sich darin verpflichtet, sein Atomprogramm einzustellen und im Gegenzug sollten die Sanktionen gegen den Iran abgeschafft werden. Der Iran hat sich seit dem an das Abkommen gehalten, niemand wirft ihm vor, es verletzt zu haben.
Trotzdem haben die USA den Vertrag gebrochen. Sie sind nicht etwa aus dem Abkommen „ausgestiegen“, wie deutsche Medien es gerne formulieren, sondern sie haben es gebrochen, denn ein solcher einseitiger Ausstieg war laut Vertrag gar nicht möglich.
Aber damit nicht genug. Als die USA vor einem Jahr diesen Vertragsbruch verkündeten, konnte man sogar bei der Tagesschau folgendes dazu lesen:
Es handelt sich bei dem „Ausstieg“ der USA aus dem Atomabkommen also nicht „nur“ um einen Vertragsbruch, sondern um einen Bruch des Völkerrechts. Das aber haben die Medien heute in diesem Zusammenhang längst vergessen, wenn sie vom „einseitigen Ausstieg“ der USA reden.
Dieser Völkerrechtsbruch der USA dürfte in erster Linie dem Einfluss von Trumps Schwiegersohn geschuldet sein, der von Trump zum Nahost-Beauftragten ernannt wurde. Kushner, der Schwiegersohn von Trump, ist ein langjähriger, enger persönlicher Freund von Israels Ministerpräsident Netanjahu und er macht im Nahen Osten eine einseitig pro-israelische Politik. Daher auch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und die Anerkennung der israelischen Besetzung der Golanhöhen durch die USA. Und darin dürfte eben auch der Bruch des Atomabkommens begründet sein.
Nach diesem Vertragsbruch durch die USA war es die Verantwortung vor allem der Europäer, das Abkommen und damit die Einhaltung des Völkerrechts zu schützen. Die US-Sanktionen sorgten dafür, dass die weltweiten Sanktionen de facto wieder eingeführt wurden. Das bedeutete, dass der Iran de facto das Abkommen einseitig einhielt, indem er auf sein Atomprogramm weiterhin verzichtete, aber wieder strengen Wirtschaftssanktionen ausgesetzt war. Hier hätten sich die Europäer gegen die Sanktionen stemmen und sie ignorieren müssen, was sie aber nicht getan haben.
Wichtig wäre in erster Linie gewesen, den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrecht zu erhalten, denn europäische Banken weigerten sich aus Angst vor Strafen der USA, den Zahlungsverkehr zu erhalten. Ohne Bezahlung ist aber Handel unmöglich. Die EU hat auf dem Papier reagiert und im Januar endlich Instex geschaffen, eine Art Tauschbörse, die keinen Zahlungsverkehr durchführt, sondern nur verrechnet. Das war aber nicht ausreichend.
Damit war der Handel zwischen der EU und dem Iran praktisch tot und die EU ist damit trotz aller schönen Worte, das Atomabkommen erhalten zu wollen, den US-Sanktionen gefolgt.
Vertragsparteien des Atomabkommens sind der Iran, die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Außer den USA wollen alle Parteien das Abkommen erhalten, auch wenn die EU außer schönen Worten nicht viel getan hat. Russland hat diese „Feigheit der EU“ mehrmals scharf kritisiert.
Nun also hat der Iran, nachdem er ein Jahr lang still gehalten hat, angekündigt zu reagieren. Seine Reaktion ist dabei ausgesprochen zurückhaltend, er will nur zwei Punkte des Abkommens aussetzen: Es geht dabei um die Beschränkungen der Lagerung von angereichertem Uran und Schwerem Wasser.
Auch hier gibt der Iran jedoch den anderen Vertragsparteien 60 Tage Zeit, ihren Teil der Vereinbarungen endlich umzusetzen, er würde seinen Teil sofort wieder einhalten. Dies ist als Ansage an die EU zu verstehen, denn die USA wollen das Abkommen gar nicht einhalten und Russland und China haben den Handel mit dem Iran nicht eingeschränkt, das hat nur die EU getan. Wenn die EU das Atomabkommen also erhalten will, dann wird es höchste Zeit, nach einem Jahr den schönen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Die EU denkt aber gar nicht daran. Schon gestern hat Frankreich mitgeteilt, dass die EU ihre Sanktionen wieder aufnehmen könnte, wenn der Iran das Abkommen nicht auch weiterhin vollständig umsetzt.
Nun stehen Politik und Medien in Deutschland vor dem Problem, dies der Bevölkerung verkaufen zu müssen. In einer ersten Reaktion berichtet der Spiegel noch weitgehend korrekt, das wird sich in den nächsten Tagen ändern, wenn man sich auf das offizielle „Wording“ verständigt hat. Lediglich in zwei Punkten schreibt der Spiegel schon die Unwahrheit. So schreibt er Spiegel:
Wie gesagt gab es die Möglichkeit einer einseitigen Kündigung nicht, es handelt sich um einen Bruch des Völkerrechts. Aber dass die USA Verträge und sogar das Völkerrecht einfach brechen, wenn sie ihnen nicht mehr gefallen, kommt einem Spiegel-Redakteur natürlich nicht über die Lippen.
Weiter schreibt der Spiegel:
Nur ist Instex aber kein „Finanzierungsmechanismus“, sondern eine Tauschbörse, die nicht funktioniert. Aber da der Spiegel das nicht erwähnt, wird beim Leser der Eindruck erweckt, die EU habe alles getan, was sie konnte und der Iran steigt trotzdem aus dem Abkommen aus. Der Spiegel schiebt also die Schuld schon mal dem Iran zu, obwohl sie bei der EU liegt, die ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen, vor allem im Bereich Öl und Banken, nicht erfüllt hat. Die offizielle Erklärung des Iran enthält denn auch folgenden Teil:
Ein eindeutiger Seitenhieb auf die Untätigkeit der EU.
Der Iran teilte weiter mit, dass er, wenn die „anderen Vertragsparteien“, also vor allem die EU, nach Ablauf der 60-Tages-Frist ihren Teil der Vereinbarung nicht umsetzen, wieder mit der Anreicherung von Uran beginnen wird.
Nun liegt es an der EU, zu zeigen, ob sie das Abkommen tatsächlich erhalten will, oder ob sie als Schoßhündchen der USA vor Washington kuschen wird. Aber es dürfte klar sein, dass letzteres eintritt. Die Folgen für die Situation im Nahen Osten dürften verheerend sein.
Der Iran hat genau ein Jahr still gehalten, denn die USA haben ihren Vertragsbruch am 8. Mai 2018 verkündet. So viel Geduld hat vor einem Jahr niemand erwartet, die Analysten haben eine Reaktion des Iran bereits nach sechs Monaten, im November erwartet.
Nachtrag: Um zu unterstreichen, wen der Iran kritisiert, ist der iranische Außenminister heute in Moskau eingetroffen. Bei dem Treffen fand auch der russische Außenminister Lawrow deutliche Worte: