Der Showdown zwischen
Russland und den Internetkonzernen kommt 2021: Löscht Russland YouTube &
Co?
Sind die
Interntetkonzerne private, auf Gewinnmaximierung angelegte Firmen, oder
Instrumente der USA im geopolitischen Informationskrieg?
Diese Frage wurde heute
von Twitter beantwortet, als es die Löschung von 69 Kanälen damit begründet
hat, dass sie “das Vertrauen in die Nato untergraben.”
In diesem Jahr sind in
Russland Parlamentswahlen und die US-Internetkonzerne stehen bereit, um sich
einzumischen. Im US-Wahlkampf haben wir ihre Macht gerade erst beobachten
können, als sie in der Endphase des Wahlkampfes rigoros alles zensiert und gelöscht haben, was ihrem Ziel, nämlich
Joe Biden zum Präsidenten zu machen, im Wege gestanden hat.
Westliche Einmischungen
in russische Wahlen
In Russland hat man allen
Grund zu der Annahme, dass das auch im russischen Wahlkampf passieren wird. Die
westlichen Einmischungen unmittelbar vor Wahlen und anderen Großereignissen in
Russland haben mittlerweile Tradition.
In Russland gibt es jedes
Jahr einen zentralen Wahltag, an dem alle Wahlen im Land abgehalten
werden. Die Sommerferien dauern in Russland vom 1. Juni bis zum 1. September
und daher wird jedes Jahr Anfang September, wenn alle aus den Sommerferien
zurück sind, an einem Tag gewählt. Von Regionalwahlen bis hin zu landesweiten
Parlamentswahlen finden an dem Tag alle Wahlen des Jahres statt.
Und jedes Jahr treiben
die westlichen Medien vorher eine neue Sau durch das weltweite mediale Dorf, um
der russischen Regierung zu schaden. Das ist im Grunde primitiv und leicht
durchschaubar, wenn man die Zusammenhänge mit dem nationalen Wahltag in
Russland kennt, aber wer weiß im Westen schon davon? Wer davon weiß, der müsste
sich doch fragen, ob die russische Regierung wirklich so dumm ist, jedes Jahr
erneut vor den Wahlen etwas zu tun, was ihr garantiert negative Schlagzeilen
und damit Schwierigkeiten bei den Wahlen einbringt.
Schauen wir uns nur die
letzten Jahre an, um zu verstehen, dass das tatsächlich eine jährlich
wiederkehrende Show der westlichen Medien ist.
2018: Skripal
2018 fand in Russland
die Fußball-WM statt. Für Russlands Regierung war das ein
Großereignis, dass sie auch als Gegengewicht gegen die westliche
Berichterstattung nutzen wollte.
Millionen Fans aus der
ganzen Welt sind nach Russland gekommen und waren ganz überrascht, dass Russland
so ganz anders ist, als in den westlichen Medien dargestellt. Die Menschen sind
nicht arm, sie feiern, sind freundlich und offen, das Land ist sicher, die
Städte sind sauber, die Polizei ist hilfsbereit, die WM war perfekt
organisiert.
Also musste man sich im
Westen etwas ausdenken, um dem entgegen zu wirken. Und wie es der Zufall
wollte, wurden drei Monate vor der WM angeblich
die Skripals vergiftet, was die Schlagzeilen vor und während der WM
beherrscht hat. Und nach der WM fanden dann die russischen Wahlen statt. Warum
Skripal so wichtig gewesen sein soll, dass Russland sich mit seiner angeblichen
Vergiftung die positiven Eindrücke der WM zerschießen sollte (die WM hat Milliarden
an Investitionen in die Infrastruktur gekostet), konnte im Westen bis heute
niemand erklären.
2019: Proteste in Moskau
2019 soll Russland
angeblich Oppositionellen die Kandidatur verboten haben. Das führte – befeuert
von Berichten in westlichen Medien – zu Protesten vor den Wahlen 2019, die im
August vor der Wahl die Schlagzeilen beherrscht haben.
Auch hier hat niemand
gefragt, warum Russland denn so etwas getan haben sollte, wenn es doch nur um
unwichtige Regionalwahlen ging und die Kandidaten der Opposition, die ihre
Wahlunterlagen ordnungsgemäß eingereicht haben, trotzdem keine nennenswerten
Erfolge bei der Wahl erzielen konnten.
Wer nun einwendet, in
Russland würden die Wahlen sowieso gefälscht, weshalb das Wahlergebnis
keinerlei Aussagekraft hätte, dem empfehle ich als Lektüre die Seite der OSZE,
die die Wahlen in Russland beobachtet und seit langem schon nichts mehr von
nennenswerten Unregelmäßigkeiten berichtet. Die Kritik der OSZE an russischen
Wahlen ist nicht umfangreicher, als bei Wahlen in westlichen Ländern, wo es
auch jedes Mal irgendetwas zu kritisieren gibt.
2020: Navalny
Ende August, wieder
kurz vor den Wahlen, wurde Navalny
angeblich vergiftet und wieder haben die westliche Medien daraus
eine anti-russische Kampagne gebastelt, die bis heute andauert.
Aber auch dieses Mal
bleiben die westlichen Propagandisten die Erklärung schuldig, warum die
russische Regierung unmittelbar vor der Wahl mit aller Macht etwas getan haben
könnte, was ihr bei den Wahlen Probleme bereiten musste. Navalny war nie allzu
wichtig in Russland und trotz der angeblichen Vergiftung haben die von ihm
unterstützten Kandidaten keine nennenswerten Erfolge eingefahren.
Alle Bemühungen der
westlichen Propaganda führen nicht zu nennenswerten Wahlerfolgen der vom Westen
unterstützten Opposition. Wie würde diese Opposition wohl bei Wahlen
abschneiden, wenn es nicht jedes Jahr diese Medienkampagnen zu ihren Gunsten
geben würde?
2021: Wahlen zur Duma
Nun stehen
Parlamentswahlen an und wir dürfen gespannt sein, welche Sau die westliche
Medien in diesem Sommer durch das Dorf treiben.
Wieder Nowitschok?
Wieder fehlerhaft
eingereichte Unterlagen zur Registrierung von Kandidaten, deren darauf folgende
Nicht-Zulassung zur Wahl dann die Schlagzeilen beherrscht? Oder einen
weiteren, frei erfundenen Korruptionsskandal? Wir dürfen gespannt
sein.
Was aber jetzt schon
sicher ist, ist die Tatsache, dass die Internetkonzerne die kommende
Medienkampagne nach Kräften befeuern werden und vielleicht sogar russische
Accounts zensieren, die dem gewollten Narrativ widersprechen.
Russland hat gerade
erst ein Gesetz erlassen, das (westlichen) Internetkonzernen
Strafen bis hin zur Sperrung in Russland androht, wenn sie russische Medien
oder russische Blogger zensieren.
Als ich darüber berichtet
habe, habe ich geschrieben, dass wir bald den Tag der Wahrheit erleben werden,
denn dann wird sich zeigen, ob YouTube & Co. gewinnorientierte Firmen
sind, die den wichtigen russischen Markt nicht verlieren wollen, oder ob sie westliche
Propaganda-Instrumente sind, denen westliche Propaganda ist, als die
Milliarden, die sie im russischen Internet verdienen.
Dass es den
Internetkonzernen eher um Politik als um Geld geht, konnte man in den letzten
Monaten vor der US-Wahl sehen. YouTube hat stolz mitgeteilt, über 8.000 Kanäle aus politischen Gründen gesperrt zu
haben. Das geht so weit, dass YouTube nur in Deutschland den Zugang zu einem Video gesperrt hat,
in dem der transatlantische Hardliner Norbert Röttgen Opfer eines
Telefonstreiches geworden ist...
Ein weiteres Beispiel
dafür, dass es den Konzernen eher um Politik als um Geld geht, war die Sperrung
von Trumps Accoounts, die Twitter große Kursverluste eingebracht hat. Der
politische Kampf war Twitter wichtiger, als Aktienkurse und Profite.
Für Twitter ist Kritik an
der Nato ein Grund zur Sperrung
Nun hat Twitter wieder
zugeschlagen und die Sperrung von hunderten Kanälen aus dem Iran, Armenien und
Russland gemeldet. Besonders aufschlussreich ist die Begründung für die Sperrung von 69 russischen Kanälen:
“Unsere erste
Untersuchung fand und entfernte ein Netzwerk von 69 Fake-Accoounts, die
sicher an russische staatliche Akteure gebunden sind.
Eine Reihe dieser
Accounts verstärkte die Narrative, die mit der Linie der russischen
Regierung in Einklang standen, während ein anderer Teil des Netzwerks sich
darauf konzentrierte, das Vertrauen in das NATO-Bündnis und seine Stabilität
zu untergraben.”
Das ist doch mal eine
ehrliche Aussage: Wer das Vertrauen in die Nato untergräbt, dem droht bei
Twitter die Sperrung. Das ist doch eine ehrliche Aussage darüber, worum es den
Internetkonzernen in Wahrheit geht.
Kommt der Showdown 2021?
Russland hat nun mit dem
neuen Gesetz die Grundlage geschaffen, um im Notfall die sozialen Netzwerke der
Internetkonzerne im Land zu sperren, wenn die es im Vorwege des Wahlkampfes mit
der Zensur übertreiben sollten. Das ist für beide Seiten ein zweischneidiges
Schwert.
Russland riskiert im
Falle einer Sperrung von YouTube oder Facebook natürlich Unzufriedenheit im
eigenen Land gepaart mit einer westliche Medienkampagne über Zensur in
Russland. Dass der Grund für die Sperrung die Zensur wäre, die die Konzerne
vorgenommen haben, würde in dem medialen Geschrei untergehen. Und da die Internetkonzerne
mit ihren Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram und so weiter auch in
Russland populär sind, könnte der Kollateralschaden für die russische Seite
groß werden.
Aber auch die
Internetkonzerne würden viel riskieren, denn Russland ist bei der
Digitalisierung und er Nutzung des Internets eines der führenden Länder der
Welt, was im Westen allerdings kaum jemand weiß. Und mit seinen über 140
Millionen Einwohnern ist Russland damit für die Internetkonzerne einer der
wichtigsten Märkte weltweit. Den zu verlieren würde wirklich viel Geld kosten.
Daher meine Formulierung,
dass 2021 vielleicht der Tag der Wahrheit kommt, an dem die Internetkonzerne
zeigen, worum es ihnen in Wahrheit geht:
Sind sie gewinnorientierte
Firmen?. Dann müssten sie die Zensur im russischen Internet einstellen, um
den russischen Markt nicht zu verlieren.
Oder sind sie Propaganda-Instrumente
der US-Politik? Dann werden sie die Konfrontation auf die Spitze treiben
und lieber einen so wichtigen Markt verlieren, als auf Propaganda und Zensur zu
verzichten.
Uns dürfte also auch bei
diesem Thema ein wirklich interessantes Jahr bevorstehen.
Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft. Zeige alle Beiträge von Anti-Spiegel