Welt durch vier Jahre Trump-Politik verändert
The Trump trap: Biden’s own rhetoric has cornered him into carrying on Trump’s foreign policy
28 Nov. 2020
von Scott Ritter
Joe Biden glaubt, dass er
die USA und die Welt vor den Folgen der vier Jahre Donald Trump retten kann.
Stattdessen wird sich Biden in einer außenpolitischen Falle wiederfinden: Seine
knallharte Rhetorik wird ihn zwingen, das zu beenden, was Trump begonnen hat.
Hört man Joe Biden und
seine engsten nationalen Sicherheitsberater reden, so könnte man meinen, mit
nur ein paar Federstrichen könne man die vier Jahre Trump-Ära in der
US-Außenpolitik rückgängig machen.
Der Plan sieht vor, dass
Biden als US-Präsident eine Reihe von Erlassen unterzeichnet, die den zuvor
unter Trump eingeschlagenen Kurs umkehren und die Vereinigten Staaten wieder
auf den "Pfad der Größe" zurückführen – der sich aus der unangefochtenen
globalen Führung ableite, die das Markenzeichen der Obama-Jahre war, als
Biden als Vizepräsident und Baracks rechte Hand regierte.
Trump
akzeptiert Übergangsprozess und kämpft weiter gegen "korrupteste Wahl der
US-Geschichte"
Wiedereintritte – zum
Pariser Klimaabkommen, zum Atomabkommen mit Iran und zur
Weltgesundheitsorganisation – sind alles Maßnahmen, die Biden
sofort nach Amtsantritt ergreifen kann. Auch die Rücknahme von Trumps
Truppenabzug aus Afghanistan und der Stopp der Verlegung von
US-Streitkräften aus Deutschland stehen ganz oben auf Bidens Agenda.
Doch die bloße Umkehrung
einer Entscheidung, die in den vergangenen vier Jahren getroffen wurde, spult
die Zeit beileibe nicht zurück. So hat sich die Welt beispielsweise in Bezug
auf den Klimawandel weiterentwickelt, wobei Staaten wie China bei der
Verkündung von Plänen zur Erreichung einer
"Kohlenstoff-Null"-Position bis 2060 die Führung übernahmen....
Der Iran-Atomdeal
Bezüglich des
Nuklearabkommens mit Iran ist Biden in seiner eigenen Hardliner-Rhetorik
gefangen: Stellte er selbst doch seinerzeit Bedingungen, die ebenso
unrealistisch wie unerreichbar waren (etwa die Forderung an Iran,
Schlüsselaspekte des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans 2015 (JCPOA) als
Vorbedingung für den Wiedereintritt der USA in diesen Pakt neu zu verhandeln).
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif wies in einem Interview, in
dem er die schlechte Lage kommentierte, in die sich Biden manövriert hatte,
klugerweise darauf hin, dass Iran zu seinen JCPOA-Verpflichtungen zurückkehren
kann, wenn Biden einfach eine Ausführungsverordnung zur Aufhebung der unter
Trump verhängten Sanktionen unterzeichnet. Eine solche Anordnung wird Biden
wahrscheinlich nicht unterzeichnen, da sie von ihm verlangt, den JCPOA so, wie
er geschrieben steht, gutzuheißen – wogegen er sich bereits aussprach.
Internationale
Atomenergieorganisation: Iran reichert Uran in unterirdischer Anlage in Natanz
an
Truppenabzug aus Afghanistan
Eine der ersten
Entscheidungen, die Biden bei der Übernahme der Präsidentschaft treffen muss,
ist das weitere Vorgehen in der Frage zum Verbleib der aktuell in Afghanistan
befindlichen US-Truppen. Wenn die unter Trump beschlossenen
Truppenreduzierungen wie geplant bis zum 15. Januar abgeschlossen sind
(unter ganz großem Fragezeichen angesichts der Neigung des US-Militärs, Trump zu laufenden Truppeneinsätze zu belügen), wird Biden
vom Pentagon unter Druck gesetzt werden, dorthin unverzüglich bis zu 5.000
neue Soldaten zu entsenden. Ziel wird sein, die Streitkräftestruktur zu
schaffen, die man im Pentagon zur Gewährleistung der Stabilität beim Übergang
Afghanistans zum Frieden für notwendig hält.
Dies würde natürlich den
gemeinsamen Friedensplan der USA mit den Taliban zunichtemachen – und die
Voraussetzungen für noch mehr "ewige Kriege" schaffen.
Krieg, Regimewechsel,
noch mehr Krieg
Andere regionale Themen
treten hervor – die anhaltenden Bemühungen, in Venezuela Nicolás Maduro zu
stürzen, und der andauernde Krieg unter saudi-arabischer Führung im
Jemen, um nur zwei zu nennen. Bidens Anti-Maduro-Rhetorik ist genauso hart
wie die von Trump – das heißt, die Chancen auf eine Neuausrichtung der Politik
an dieser Front sind gering. Falls Trump seine Drohungen wahrmacht, die
Huthi-Rebellen im Jemen als terroristische Organisation anzuerkennen, wird es für Biden schwierig, diese
Entscheidung politisch rückgängig zu machen – zumindest ohne dass es aussieht,
als führe er damit den Willen Irans aus. Der Jemen-Konflikt wird ein weiteres
Beispiel für einen "ewigen Krieg" werden, der seinem Namen alle Ehre
macht.
Peinlichkeiten in Europa
Ein weiteres Thema, mit
dem sich Biden befassen muss, ist die laufende Verlegung US-amerikanischer
Truppen aus Deutschland. Trump sicherte zu, Tausende Mann dieser zu
verlegenden Truppen nach Polen zu entsenden.
Diesen Schritt kann Biden
nur schwer rückgängig machen. Am Ende wird Biden unter Druck gesetzt werden,
nicht nur den Abzug der US-Streitkräfte aus Deutschland aufzuhalten, sondern
auch neue Truppen zu finden, die das nach Polen zu verlegende Kontingent
ersetzen sollen.
Aber derartige
Entschlüsse müssen in Verbindung mit der anhaltenden Kontroverse über die
Gaspipeline Nord Stream 2 gesehen werden, die Russland mit Europa
verbindet. Trump verhängte Sanktionen, um die Fertigstellung der Pipeline zu
verhindern. Biden ist ebenfalls dagegen, dass die Pipeline zu Ende gebaut wird.
Deutschland dazu zu
bringen, sich zur (weiteren) Aufnahme von US-Truppen zu verpflichten, während
die USA unverhohlen in die deutsche wirtschaftliche Souveränität eingreifen,
ist ein Balanceakt, dem Biden möglicherweise nicht gewachsen ist.
USA verlassen Open-Skies-Vertrag zwischen NATO und Russland
Mechanismen der Rüstungskontrolle blockiert
Ebenso deutete Biden an,
dass er geneigt wäre, eine Verlängerung des demnächst auslaufenden
New-START-Vertrags zu unterzeichnen.
Russland besteht seit
Langem darauf, dass künftige Rüstungskontrollabkommen Fragen der
Raketenabwehr berücksichtigen müssen.
Unter der Trump-Regierung
wiederum haben die USA gerade einen Abfangflugkörper in der Konfiguration zur Abwehr
interkontinentalen ballistischer Raketen getestet – dieser Abfangflugkörper
ist integraler Bestandteil des in Rumänien und Polen aufgebauten
Raketenabwehrsystems Aegis Ashore.
Die Wahrscheinlichkeit,
dass Russland irgendwelchen neuen Rüstungskontrollmaßnahmen zustimmt, ohne dass
sich eine Biden-Administration verpflichtet, die in Europa stationierten
Raketenabwehrsysteme zu reduzieren oder sie ganz zu beseitigen, ist gleich
null.
Ebenso sind die Chancen
einer Biden-Administration, die Raketenabwehr in Europa abzuschaffen, gleich
null.
Als Ergebnis droht ein teures
Wettrüsten – zu einer Zeit, in der die USA es sich am wenigsten leisten
können.
Keine Tauwetterperiode im
neuen Kalten Krieg
Letztendlich erbt Biden
eine politische Haltung sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber China,
die sich in einer ebenso feindseligen Beziehung niederschlägt, wie seit Beginn
des Kalten Krieges zu beobachten ist.
Russlands
Streitkräfteaufstellung in Europa ist derart, dass die NATO Hunderte von
Milliarden Dollar ausgeben müsste, um es realistischerweise mit dem russischen
Militär in jedem konventionellen Bodenkonflikt in Europa aufnehmen zu können.
Darüber hinaus ist es
unwahrscheinlich, dass Europa der formellen Billigung eines solchen Ziels oder
dem zum Erreichen dieses Ziels erforderlichen wirtschaftlichen Einsatz
zustimmen wird.
Formelles Bündniss von China
und Russland gegen "westliche Hegemonie"
Erschwerend kommt hinzu,
dass China und Russland auf die aggressive Politik der USA, die der
Trump-Ära vorausging, reagierten, indem sie die Möglichkeit eines formellen
Bündnisses gegen die von ihnen so genannte "westliche Hegemonie"
in Erwägung zogen.
Ein solches Bündnis würde
jede Bemühung einer Biden-Administration erschweren, seine kleinmütige Rhetorik
in der Rolle des Präsidenten mit jeglicher tatsächlicher Stärke zu untermauern
– zumal jeder Konflikt in Europa automatisch eine Reaktion im pazifischen
Raum auslösen würde und umgekehrt.
Schanghaier
Organisation für Zusammenarbeit will eigene Koordination im Rahmen der UNO
verstärken
Die Dominanz Chinas
Unabhängig von allem
anderen wird die vielleicht größte Herausforderung für eine
Biden-Administration der Umgang mit den Folgen der Entscheidung Trumps sein,
sich aus der Trans-Pazifik-Partnerschaft (TTP) der Obama-Ära zurückzuziehen.
Dieses
Freihandelsabkommen, das unter Ausschluss von China eine wirtschaftliche
Führung der USA fördern sollte, ist mittlerweile gescheitert:
China unterzeichnete
kürzlich zusammen mit 14 anderen asiatisch-pazifischen Staaten das weltweit
größte Freihandelsabkommen.
Zu den Unterzeichnern
dieses Abkommens, das als RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership,
dt.: Regionale, Umfassende Wirtschaftspartnerschaft. Anm. d. Red.) bekannt
ist, gehören die zehn Länder der ASEAN (Association of Southeast Asian
Nations, dt.: Verband Südostasiatischer Nationen) sowie darüber hinaus China,
Japan, Südkorea, Neuseeland und Australien.
Zusammen erwirtschaften
sie rund 30 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.
Das RCEP zementiert
Chinas Status als dominierende Wirtschaftsmacht im asiatisch-pazifischen Raum –
und stellt eine erstaunliche Wende für die USA dar: War es doch deren
überstürzter Rückzug aus der TPP im Jahr 2017, der den Weg für Chinas
atemberaubenden diplomatischen Coup in dieser Region ebnete.
Neue
indopazifische Strategie der USA gegen China: USA und Indien unterzeichnen
Militärabkommen
Der Zusammenbruch der
TPP in Verbindung mit der Wirtschaftskrise, die durch die COVID-19-Pandemie
ausgelöst wurde, machte das RCEP für Staaten attraktiv, in denen Handel mit
China als der einzig gangbare Weg zum Wiederaufbau der angeschlagenen
Volkswirtschaft angesehen wird.
Die RCEP trägt zur
Festigung der regionalen geopolitischen Ziele der chinesischen
Belt-and-Road-Initiative ("Neue Seidenstraße") bei, indem sie die
Volkswirtschaften der asiatisch-pazifischen Region für chinesisch finanzierte
Entwicklungsprojekte öffnet.
Der diplomatische Sieg
Chinas bei der Verwirklichung des RCEP stellt eine verblüffende Niederlage für
die USA dar, die in ihrem andauernden Handelskrieg mit China regionale
Unterstützung gesucht hatten.
Südkorea:
Gelingt der Ausbruch aus dem US-Vasallentum?
Angesichts der
Verknüpfung von Wirtschafts- und Sicherheitsfragen untergräbt zudem die
Tatsache, dass wichtige regionale Verbündete wie Japan, Südkorea, Neuseeland
und Australien ihre Volkswirtschaften so entschieden an Chinas Wirtschaft anschlossen,
die laufenden Bemühungen der USA um den Aufbau einer regionalen Koalition zur Eindämmung
und schließlich zum Zurückdrängen der Präsenz Chinas im Südchinesischen Meer.
Während sich Biden als
gewählter US-Präsident an Japan und Südkorea wandte, um ihnen den Einsatz
seiner Regierung für ihre Sicherheit zuzusichern, ist eine künftige Biden-Regierung
schlecht positioniert, um dem wirtschaftlichen Einfluss Chinas
entgegenzuwirken, den es sich durch das RCEP gesichert hat.
Aus wirtschaftlicher
Sicht wurde der US-"Pendelschlag nach Asien" im Endeffekt
aufgehalten, und die asiatisch-pazifischen Staaten gehören nun fest zu
Chinas Einflusssphäre.
Welt durch vier Jahre
Trump-Politik verändert
Von Europa über
Südamerika, den Nahen Osten, Südwestasien bis hin zum Pazifik wird Biden als
Präsident eine Welt erben, die durch vier Jahre Trump-Politik verändert wurde.
Biden hat zwar
angedeutet, dass er geneigt ist, viele, wenn nicht sogar alle "Katastrophen"
der Trump-Außenpolitik rückgängig zu machen, sobald dies nach seinem
Amtsantritt praktisch möglich ist.
Aber in Wirklichkeit
werden ihm die Hände gebunden sein: Dafür sorgt die kombinierte Wirkung seiner
eigenen aggressiven Rhetorik, die in vielen Fällen parallel zu der von Trump
betriebenen Politik verlief, und der Tatsache, dass die heutige
geopolitische Lage eine Rückkehr zur Außenpolitik von früher nicht zulässt.
Scott Ritter
ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie. Er diente
den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des
INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman
Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der
UNO im Irak tätig.
https://www.rt.com/op-ed/507364-biden-trapped-trump-foreign-policy/