Freitag, 31. Juli 2020

„Imperium USA“


Historiker Ganser über das „Imperium USA“

27.06.2020

Der Schweizer Historiker und Friedensforscher hat ein neues Buch geschrieben, in dem er über das „Imperium USA“ aufklärt. Darin schlägt er einen weiten Bogen von der Besiedlung Nordamerikas durch Europäer bis zum digitalen Imperium in Gestalt von Facebook, Google und Co.
Nun hat Daniele Ganser einen Überblick über das „Imperium USA“ vorgelegt. Daniele Ganser EXKLUSIV: Die illegalen Kriege von USA und Nato

Im Gespräch erklärte der Schweizer Historiker und Friedensforscher, warum er das Buch schreiben musste. Die USA würden als das mächtigste Land der Welt immer wieder das Interesse der Menschen auf sich ziehen. „Weil sie auch die meisten Länder bombardiert haben“, würden sich Menschen immer wieder mit ihr auseinandersetzen. „Mir ist einfach aufgefallen, dass es keine kompakte Übersicht gibt, von der Gründung der ersten Kolonie 1607 bis zu Facebook“, sagte Ganser.
Mit seinem Buch möchte er diesen bisher fehlenden Überblick leisten. „Ich möchte, dass es vor allem junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren lesen können. Das heißt, das Buch ist so geschrieben, dass es kein Vorwissen braucht. Man kann es auch mit 50 oder 70 gut lesen.“

„Jedes Imperium ist gefährlich“
Der Historiker sieht die USA als Imperium in der Krise. Angesichts der aktuellen Unruhen in der US-Gesellschaft meinte er: „Die USA brennen.“ Zudem sei das Land politisch tief gespalten zwischen Arm und Reich sowie zwischen Republikanern und Demokraten, während gleichzeitig sein weltweites Ansehen sinke.

 „Ich finde, es war immer ein gefährliches Imperium“, sagte er zum Hinweis auf Emmanuel Todds „Nachruf auf die Weltmacht USA“ aus dem Jahr 2002. Der französische Politologe warnte damals vor der Gefährlichkeit des untergehenden Imperiums.

„Jedes Imperium ist gefährlich“, so Ganser dazu. „Und der US-Imperialismus war gefährlich, als sie über Vietnam Napalm abwarfen oder in Chile die Regierung stürzten. Ich sehe jetzt nicht, dass es im Moment gefährlicher ist als früher. Im Gegenteil: Trump hat weniger Kriege geführt als Obama. Das wird oft vergessen.“
Zum gegenwärtigen US-Präsidenten Donald Trump meinte der Historiker, dass dieser für ihn „sehr undurchsichtig“ sei. Er könne ihn nur schwer einschätzen, „weil er keine klassische imperiale Politik betreibt“. So habe Trump den Iran nicht bombardiert und dort keinen US-Militärstützpunkt etabliert. In den USA gebe es Stimmen, dass der derzeitige Präsident gegen den „Tiefen Staat“ der Eliten aus Politik, Wirtschaft, Militär und Geheimdienst kämpfe.

„Obama hat den Friedensnobelpreis nicht verdient“

Die von Trump befohlenen Militärschläge in Syrien, Afghanistan und Irak hätten bisher nur fortgesetzt, was seine Amtsvorgänger Barack Obama und George W. Bush begonnen haben. Allerdings sei der Präsident auch Geschäftsmann und Milliardär, erinnerte Ganser, der Trump „nicht sympathisch“ findet, was aber in der Analyse keine Rolle spiele.
Er sei „ganz klar der Meinung“, dass Trump-Vorgänger Barack Obama den Friedens-Nobelpreis nicht verdient habe, da er 2011 Libyen überfallen hatte. „Er hat zwar ein Mandat des UN-Sicherheitsrates gehabt, aber nicht für den Sturz oder die Ermordung von Gaddafi.
Obama hat auch mit der Bombardierung von Syrien angefangen, 2014 war das. Aber schon zuvor hat er die CIA reingeschickt und im Rahmen der Operation „Timber Sycamore“ alle Gegner von Assad bewaffnet. Das ist beides illegal und ein Verstoß gegen das Uno-Gewaltverbot.“
Zuvor habe George W. Bush Afghanistan und den Irak angegriffen. Trump habe diese Kriege nicht begonnen und Schwierigkeiten, wie angekündigt die US-Truppen abzuziehen. „Ich denke eigentlich, dass das Imperium im Moment, in der Zeit von Januar 2017 bis Sommer 2020, weniger aggressiv nach außen ist, “, sagte Ganser.

„Indianermorde sind Ursünde der USA“

Im Buch bringt er zahlreiche Beispiele aus den Etappen der US-Geschichte, seit der Besiedlung des Kontinents durch die europäischen Siedler bis heute. Damit beschreibt er den Weg zu dem Imperium USA, wie wir es heute erleben und auch kennen. „Man kann sicher sagen, die Indianermorde sind an und für sich die ‚Ursünde‘“, blickte der Autor auf die Anfänge zurück.
Von den etwa fünf Millionen Ureinwohnern in Nordamerika zum Zeitpunkt der ersten europäischen „Entdecker“ Ende des 15. Jahrhunderts seien um 1900 nur noch etwa 250.000 am Leben geblieben.
„Das heißt, wir haben netto vier Millionen tote Indianer. Diese vier Millionen toten Indianer sind ein ganz wichtiger Punkt, der in Erinnerung gerufen werden muss.“ Ganser bezeichnete das als einen „sehr brutalen Start für einen Staat“.

Ein weiterer wichtiger Zeitpunkt ist aus seiner Sicht das Jahr 1898: „Man hätte davon ausgehen können, dass die USA innerhalb dieses doch großen Landes zwischen Atlantik und Pazifik sich begnügen und nicht weiter expansiv sind. Aber so war es eben nicht, sie haben dann die Philippinen erobert, sie haben Kuba erobert, sie haben Puerto Rico und sie haben Hawaii erobert. Das war alles 1898, plus-minus ein paar Jahre.“

„Händler des Krieges“

Als weitere wichtige Etappe sieht Ganser den Ersten Weltkrieg, als die USA auf der Seite der Franzosen und der Briten Geld in den Krieg investierten. Daher sei „die Niederlage von Deutschland notwendig gewesen, weil Deutschland über Paris und London dieses Geld an die US-Banken zurückzahlen musste“. Der Historiker beschreibt die Vorgänge im Kapitel „Die Händler des Krieges“, einem für ihn „ganz wichtigem Teil des Buches“.
Im Gespräch verwies er außerdem auf den Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki 1945 durch die USA. „Das ist auch das einzige Mal in der Geschichte der Menschheit, dass überhaupt Atombomben auf Zivilisten abgeworfen wurden.“
Ein weiterer Etappenpunkt auf dem Weg zum globalen Imperium seien die etwa 600 Militärbasen gewesen, die seit 1945 und zum Teil schon vorher in fremden Ländern geschaffen wurden.
„Dann kommt natürlich 9/11, das ist für mich immer noch ein großer Einschnitt“, betonte der Friedensforscher. Er ärgere sich darüber, dass die Ereignisse vom 11. September 2001 nicht aufgeklärt werden:
„Man sagt: Ja, das ist jetzt schon lange her, des interessiert nicht mehr. Mich interessiert es, und das wird noch viele Generationen von Historikern beschäftigen. Ich bin eben der Meinung, dass WTC 7 gesprengt wurde. Ich stütze mich da auf eine neue Studie der Universität Alaska, die wirklich sehr detailliert das Gebäude untersucht hat. Aber man hat große Mühe, darüber zu sprechen.“

„Der Kommunismus als Gegner war nur Vorwand“

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde alles, was die USA politisch, militärisch und wirtschaftlich getan haben, als „Kampf gegen den Kommunismus“ ausgegeben. Ab 1989/90 verschwand erst der sozialistische Staatenblock und dann die Sowjetunion als großes Land, als erster erklärter sozialistischer Staat. Die Frage, warum das Imperium USA damals nicht die eigenen militärischen Ausgaben, das militärische Engagement zurückfuhr, beantwortete Ganser so:
„Weil es nie nur darum ging, den Kommunismus zu bekämpfen. Sondern es ging meiner Meinung nach darum, eine Vormachtstellung weltweit aufzubauen. Man geht außerhalb der eigenen Landesgrenzen, baut Militärstützpunkte, erschließt Handelsräume. Das ist eigentlich der Kern. Das hat aber nichts mit dem Kommunismus zu tun.“
Der Krieg gegen den Kommunismus von 1945 bis 1991 sei „nur eine Erzählung gewesen, um das Volk hinter sich zu scharen“.
Der Historiker nannte das Beispiel Vietnam, das von den USA überfallen wurde und auf das mehr Bomben abgeworfen wurden als im ganzen Zweiten Weltkrieg. Da sei erklärt worden: „Wir müssen Vietnam bombardieren, weil dort böse Kommunisten sind.“ Doch die eingesetzten US-Soldaten hätten bald erlebt, dass sie in Südvietnam gehasst wurden, weil sie die Felder anzündeten, die Frauen vergewaltigten und die jungen Südvietnamesen als angebliche „Commies“ erschossen. Zumindest einige wache US-Soldaten hätten festgestellt: „Wir sind die Besetzer!“

„Kampf um imperiale Vorherrschaft“
Nach dem Ende des Vietnam-Krieges, als die USA abziehen mussten und das ganze Land kommunistisch wurde, habe sich gezeigt, dass die „Domino-Theorie“ nicht stimmte. Dieser zufolge hätten nach Vietnam auch alle anderen asiatischen Staaten kommunistisch werden müssen, was aber bis auf Kampuchea und Laos nicht der Fall war.
Ganser verweist in seinem Buch auch auf das Beispiel Indonesien, das als blockfreies Land ins Visier der USA geriet. Washington stürzte mit Hilfe der CIA 1965 Präsident Suharto, „weil diese Idee der Blockfreiheit nicht von den USA unterstützt wurde“. Er habe als Historiker aus der neutralen Schweiz eine große Sympathie für diese Idee.
Nach dem Ende des Kalten Krieges habe es keinen Gegner gegeben – „und dann bombardiert man 1999 Serbien!“ Das habe gezeigt, dass es offensichtlich nicht um den Kommunismus ging. Aus imperialistischer Perspektive sei es aber sinnvoll gewesen, das wehrlose Serbien mit der Nato anzugreifen. „Das ist das Gleiche wie 1898, da sehe ich den großen Bogen“, so Ganser. Das habe sich auch gezeigt, als der Westen am 7. Oktober 2001 in Afghanistan einmarschierte:
„Das ist immer der Kampf um imperiale Vorherrschaft und die Gründe dafür werden nur vorgeschoben.“
„Das hat sich auch später daran gezeigt, dass es nach 1989 die erhoffte ‚Friedens-Dividende‘ nie gab. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hätte man das Wettrüsten einstellen können und man hätte eine ‚Friedensdividende‘ auszahlen können, für Bildung, für Versöhnungsprojekte, für die Menschheitsfamilie.“
Ganser hob im Gespräch hervor: „Die USA haben im Gegensatz zu Deutschland nie Kriegsreparationen bezahlt, auch nicht an Vietnam, obwohl sie diesen Krieg verloren haben.“
Im Fall des verdeckten Krieges gegen Nikaragua in den 1980er Jahren seien sie sogar vom UN-Gerichtshof verurteilt worden. Die damalige US-Führung unter Präsident Ronald Reagan habe das Urteil einfach ignoriert.
Die US-amerikanischen Kriege seien eindeutig Schuld der USA, was auch der Angriff auf den Irak 2003 zeige.

„Das Imperium nutzt die digitalen Kanäle“

Ganser beschreibt in seinem Buch auch das „digitale Imperium“ der USA, das geprägt ist vom Internet und Konzernen wie Microsoft, Apple, Facebook und Google. Zu den alten imperialen Mitteln wie Soldaten, Kanonen und Flugzeugträgern sind nun Drohnen und der Cyberwar hinzugekommen.
Dazu gehört aus Gansers Sicht, dass der Kampf um die Meinungshoheit heute digital und global geführt wird. Die dominierenden Digital-Konzerne seien zumeist Unternehmen aus den USA.
Dem Historiker ist bewusst, dass seine kritischen Vorträge über den US-Imperialismus bei Youtube auf einem US-Kanal laufen.„Im Moment ist das möglich. Ich weiß aber nicht, wie lange das möglich ist.“
Der Kampf um die Meinungshoheit werde immer mehr über die digitalen Kanäle ausgefochten. Er habe festgestellt, dass selbst in der Schweiz nur sehr wenig über den US-Imperialismus zu erfahren war und ist. Das sei „kein großes Thema“ gewesen, bis auf einige wenige linke Publikationen, erinnerte sich der heute 47-jährige Historiker an seine Studien- und Doktorats-Zeit.
„Das hat mich immer geärgert“, sagte er dazu und begründete es: „Wenn man in der Friedensbewegung ist, muss man doch zuerst darüber nachdenken, welches Land am meisten andere Länder bombardiert hat.“ Diese Tabelle führe ganz klar die USA an, stellte Ganser fest. Auch Russland und China hätten andere Länder bombardiert, „aber deutlich weniger“, fügte er hinzu.

„Die Nato-Osterweiterung destabilisiert“

Anlass dafür sind seine begründeten Zweifel und seine Kritik an den offiziellen Erklärungen zu den Ereignissen am 11. September 2001 in den USA. „Tatsächlich werden Menschen, die den US-Imperialismus kritisieren und 9/11 hinterfragen, mit einem abwertenden Wikipedia-Artikel zu ihrer Person bestraft“, schreibt er dazu in seinem Buch und berichtet, wie er das erlebt hat.
Er wehre sich dagegen, dass jeder der Ereignisse wie „9/11“ kritisch hinterfragt, auf Plattformen wie Wikipedia diffamiert werde, betonte er im Gespräch. „Ich setze mich dafür ein, dass die wissenschaftliche Forschung frei ist. Daher nehme ich diese Nachteile in Kauf. Da kann ich de facto nichts machen, weil die einflussreichen Autoren bei Wikipedia anonym sind. Die kämpfen nicht mit offenem Visier, sondern verstecken sich und diffamieren aus der Deckung heraus.“

„Kriege sichern Investitionen“

Die Schweizer Forschungsgruppe „Swiss Policy Research“ stellt fest: „Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist ein integraler Bestandteil des transatlantischen Medien- und Informationssystems.“ Die Forscher haben jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass die Geschäftsführerin der Wikipedia-Stiftung „Wikimedia“ Katherine Maher zuvor unter anderem bei der einflussreichen US-„Denkfabrik“ „Council on Foreign Relations“ (CFR) sowie bei einer Untergruppe der von der US-Politik gesteuerten Organisation „National Endowment for Democracy“ (NED) tätig war.
Ganser beschreibt in seinem interessanten Buch ausführlich die Rolle der US-Kriegsmaschinerie, die die Machtansprüche des Imperiums durchsetzt. Nur an einzelnen Stellen benennt er diejenigen, die im Hintergrund an den Kriegen verdienen und deren Profitinteressen auch militärisch durchgesetzt und abgesichert werden. Das macht der Historiker aber mit klaren Worten:
„Kriege werden geführt, um Investitionen zu schützen und möglichst hohe Renditen zu realisieren. Kriege dienen dazu, die Gier einer kleinen Gruppe zu befriedigen.“
Am Beispiel des Ersten Weltkrieges beschreibt er etwas ausführlicher die Rolle der „Händler des Todes“, die vom Krieg profitieren. Er macht darauf aufmerksam, dass ohne die Dollar unter anderem von der Bank J. P. Morgan aus New York ab 1915 und dem Kriegseintritt der USA 1917 der Erste Weltkrieg wahrscheinlich eher zu Ende gegangen wäre und einen anderen Ausgang genommen hätte.

Finanzen und Wirtschaft als Waffen des Imperiums

Hudson hatte schon 1972 in seinem Buch „Super Imperialism“ (2017 deutsch: „Finanzimperialismus“) beschrieben, wie die USA nach dem 2. Weltkrieg begannen, mit Hilfe von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) andere Länder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dazu habe später, 1971, der Wechsel des Weltwährungssystems vom Gold- zum Dollar-Standard weiter beigetragen. Für Hudson bedeutet Imperialismus der USA, dass sich diese das Einkommen und das Eigentum anderer Länder aneignen, deren Politik bestimmen und sie diese abhängig machen.Dazu werden alle Mittel genutzt, von rechtlichen und politischen über wirtschaftliche bis zuletzt die militärischen, wenn sich einzelne Länder quer stellen und weigern, dem US-Kurs zu folgen. Hudson bezeichnet die Weltbank und den IWF als verlängerten Arm des US-Kriegsministeriums Pentagon.
Diese Mechanismen hat der ehemalige US-Wirtschaftsberater John Perkins in seinem Buch „Bekenntnisse eines Economic Hit Man“ aus eigener Erfahrung beschrieben. John Perkins weiß, wovon er spricht. Er war ein Economic Hit Man. Im Auftrag von Großkonzernen hat der Wirtschaftskiller weltweit Länder zu überdimensionierten Investitionen bewegt, verbunden mit Großkrediten und Auftragsvergabe an amerikanische Unternehmen. Die einkalkulierte Verschuldung gab der US-Regierung ein Druckmittel, um politisch-ökonomische Eigeninteressen im Land durchzusetzen. Perkins Geschichte dokumentiert die Skrupellosigkeit von Wirtschaftskillern, die ihre betrügerischen Methoden perfektionieren und selbst vor Mord nicht zurückschrecken.
In der Dokumentation „Let’s make money“ von Erwin Wagenhofer berichtete Perkins:
„… Tatsache ist: Wir schreiben die Gesetze. Wir kontrollieren die Weltbank. Wir kontrollieren den Internationalen Währungsfonds. Wir kontrollieren sogar die UNO in hohem Maße. Wir schreiben also die Gesetze. Insofern tun Wirtschaftskiller nichts Ungesetzliches. Ländern große Schulden aufbürden und dann eine Gegenleistung verlangen, ist nicht verboten. Es sollte verboten sein, ist es aber nicht.“ 
Wenn es den Wirtschaftskillern einmal nicht gelinge, die Regierung eines Landes zu korrumpieren, würden die Schakale losgeschickt, erklärte Perkins: „Das sind Menschen, die Regierungen stürzen oder deren Führer ermorden.“ Sie seien immer da, „sie lauern im Schatten“, so Perkins im Buch. „Wenn sie auftauchen, werden Staatschefs gestürzt oder sterben bei ‚Unfällen‘.“
Im Buch und in dem Film verweist er auf das Beispiel das US-Krieges gegen den Irak 2003, auf das auch Ganser eingeht: „Saddam Hussein drohte, Erdöl auch gegen eine andere Währung zu verkaufen. Kurz bevor er gestürzt wurde ... Hätte er nachgegeben, würde er heute noch regieren. Wir würden ihm Flugzeuge und Panzer und sonst noch alles Mögliche verkaufen.“

„Fed produziert Dollars wie andere Klopapier“

Darauf angesprochen sagte der Schweizer Historiker, er habe sich damit begnügt, unter anderem in einem Unterkapitel darauf aufmerksam zu machen, dass 1913 die US-Zentralbank „Federal Reserve System“ (Fed) gegründet wurde. Die Fed ist anders als in anderen Ländern nicht von der Regierung kontrolliert, sondern von den großen privaten Banken der USA. Ganser zeigt im Buch, wie damals die US-Politik den US-Banken das Recht gab, die Währung zu kontrollieren. Die Fed „produziert, wenn nötig, Dollarscheine wie die Firma Hakle Klopapier“, zitiert er den Ökonomen Walter Wittmann.
Für jene, die sich für die wirtschaftlichen und finanziellen Seiten des US-Imperialismus interessieren, sei sein Buch „nicht die erste Adresse“, gestand der Historiker im Gespräch ein. Er bestätigte aber die Einschätzungen von Hudson und von Perkins. Doch die interessante Geschichte des „Dollars als Weltmacht“ sei schwierig zu erzählen.
„Es ist leichter, den Vietnam-Krieg zu erzählen als den Geldfluss. Die grossen Zahlen rund um die Vormacht des Dollars sind nicht so einprägsam.“ Deshalb seien in seinem Buch „die Flugzeugträger und die Militärstützpunkte und die bombardierten Länder aufgeführt. Weil da der Imperialismus ganz klar nachzuweisen ist.“

„Eurasien soll gespalten bleiben“

Im Buch geht Ganser auch auf den „Kampf um Eurasien“ und das westliche Vorgehen gegen Russland ein, einschließlich der Nato-Osterweiterung ab 1999. Russland sei zwar das größte Land der Erde, doppelt so groß wie die USA. Aber es sei kein Imperium und tatsächlich nur eine Regionalmacht, wie US-Präsident Barack Obama es sagte.
Das Bild des bösen und aggressiven Russlands in den deutschsprachigen Medien sei nur US-Propaganda, „um Eurasien und vor allem Deutschland und Russland zu spalten“, stellt der Historiker fest.

Es könne aber zusammen mit China gemeinsam ein Gegengewicht zum US-Imperialismus sein, erklärte er dazu im Gespräch. In beiden großen Ländern sei es für die USA nicht möglich, Militärbasen zu eröffnen.
Dafür würden „die Feinde meines Feindes“ unterstützt und bewaffnet, so wie in Afghanistan ab 1979.
Den damaligen sowjetischen Einmarsch in das Land am Hindukusch kritisiert er in seinem Buch „Illegale Kriege“ klar als illegal und einen Verstoss gegen das UN-Gewaltverbot. „Ich finde es auch illegal, dass die CIA in Afghanistan die Mudschaheddin aufgerüstet haben“, fügte Ganser hinzu.
Er sehe Russland und China nicht unkritisch, betonte er und verwies darauf, dass das UN-Gewaltverbot für alle gelte. Beide Länder hätten ebenfalls illegale Kriege geführt, „aber im Vergleich zu den USA weniger“.
„Wenn ich beobachte, dass die USA nur dann gebremst werden können, wenn ein Land von der Macht her ebenbürtig ist, dann sind China und Russland ganz klar ein Gegengewicht.“

Russisches Stoppzeichen für US-Imperialismus

Dafür sei der von den USA angefachte Krieg in Syrien das beste Beispiel. Dazu hätten die russischen und chinesischen Erfahrungen mit der Zustimmung im UN-Sicherheitsrat zu einer Flugverbotszone 2011 in Libyen beigetragen. Das sei von den Nato-Staaten ausgenutzt worden, um einen Regimewechsel in dem nordafrikanischen Land durchzusetzen. Moskau und Peking hätten gesehen: „Was machen denn die US-Amerikaner, wenn man ihnen den kleinen Finger gibt? Dann nehmen sie gleich die ganze Hand - und stürzen Gaddafi und lassen ihn töten.“
Der Krieg in Syrien sei der Moment, an dem Russland gesagt habe: „Nicht nochmal.“
Die russische Luftwaffe bombardiere in Syrien die Aufständischen, die zuvor von der CIA ausgebildet und bewaffnet wurden, betonte der Historiker.
„Das hat funktioniert: Assad wurde nicht gestürzt, weil Russland ihm geholfen hat.“
Die USA hätten eine Niederlage erlebt, die sie immer noch nicht akzeptieren würden.
„Syrien ist ein klares Beispiel dafür, dass die US-Amerikaner nicht in jedem Land die Regierung stürzen können, wie sie wollen.“
Im Buch geht Ganser ebenso auf die Nato-Osterweiterung ein, obwohl der Westen im Zuge der Verhandlungen zu deutschen Einheit 1990 Moskau versprochen habe, dass es nicht dazu komme.
Die Vorgänge in der Ukraine 2013/14 gehören aus seiner Sicht dazu. Dort habe „das US-Imperium gemäß der Strategie ‚Teile und herrsche‘ die Spannungen geschürt und 2014 die Regierung in einem geheimen Putsch gestürzt“. Es werde in der Öffentlichkeit aber selten gesagt, „dass Obama einen Putsch in der Ukraine gemacht hat“.

„Ukraine ist fehlender Baustein in Nato-Osterweiterung“

Die russische Reaktion darauf ist für den Historiker nicht überraschend. Mit seiner Behauptung im Buch, „Präsident Wladimir Putin besetzte daraufhin den Osten der Ukraine und sicherte sich die Halbinsel Krim“, folgt er allerdings westlichen Deutungsmustern. Hier bleibt Ganser ungenau und geht nicht konkret weiter ein auf die Vorgänge um die Basis der russischen Schwarzmeer-Flotte im Krim-Hafen Sewastopol. Ebenso benennt er nicht die damalige Gefahr, dass die Nato Russlands Zugang zum Schwarzen Meer bedrohte.
Er kritisiere das russische Vorgehen, sagte er dazu im Gespräch, verwies aber ebenso auf die Vorgeschichte:
„Ich bin der Meinung, dass die Ukraine der Baustein ist, der der Nato noch fehlt in der Osterweiterung.“
Diese sei eine Destabilisierung und noch immer würden die USA die Ukraine in die Nato ziehen wollen.
„Es ist ganz klar, dass es im 21. Jahrhundert nicht funktioniert, wenn ein Land versucht, die ganze Welt zu beherrschen und alle bombardiert, die nicht einverstanden sind“, stellte der Historiker gegenüber Sputniknews klar. „Ich sehe für den US-Imperialismus keine Zukunft. Das heißt aber nicht, dass er morgen weg ist.“ Es sei aber kaum vorherzusagen, wie lange das Imperium USA bestehen bleibt. „Aber es ist wichtig, zu verstehen, dass es den US-Imperialismus überhaupt gibt. Es ist einfach eine Tatsache.“

„Das UN-Gewaltverbot ist schon da“

Ganser setzt darauf, dass mit Hilfe des UN-Gewaltverbotes, festgeschrieben in der Charta der Uno, die Welt stabilisiert wird. Dieses Verbot sei schon da, das müsse nicht erst geschaffen werden, betonte er.
„Wenn wir das UN-Gewaltverbot geachtet hätten, es wurde 1945 unterschrieben, hätte es all die offenen und verdeckten Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben.“
Der UN-Sicherheitsrat sei aber blockiert, weil die fünf ständigen Mitglieder das Gewaltverbot immer ignoriert hätten, so zum Beispiel auch Frankreich und Großbritannien während des Angriffs auf Ägypten 1956.
Zudem plädierte der Historiker im Gespräch dafür, das Meinungsspektrum in den gesellschaftlichen Debatten zu öffnen.
„Wir haben so enge Meinungskorridore und das entspricht einfach nicht mehr der Informationsrevolution, in der wir uns befinden. Diese definiere ich einfach so:
Viel mehr Information für viel mehr Menschen in viel kürzerer Zeit zu viel tieferen Kosten, auch mehr Standpunkte, mehr Fakten.“
Ganser hält es für notwendig, dass sich die Friedensbewegung im 21. Jahrhundert vielseitig informiert und verweist auf den Mediennavigator der Forschungsgruppe „Swiss Policy Research“, der die bekannten Medienmarken aufführt. Um die Perspektive zu wechseln, sollten verschiedene Medien gelesen werden, „von ganz links bis ganz rechts, von ganz oben bis ganz unten“. Wenn die Medienkonsumenten lernen, sich in dieser Medien-Matrix zu bewegen und zu orientieren, könnten sie die Kriegspropaganda des Imperiums entschlüsseln. Wer sich nur einseitig informiere, habe auch nur einen einseitige Perspektive auf die Ereignisse und deren Hintergründe. https://swprs.files.wordpress.com/2020/02/medien-navigator-2020.png

„Die meisten Menschen wollen nicht töten“

„Die Medienkompetenz soll eigentlich dazu führen, dass wir erkennen, dass alle Menschen zur Menschheitsfamilie gehören“, erklärte er. „In allen Kriegen wurde der Gegner diffamiert und entmenschlicht. Das sind immer die gleichen Techniken.“
Alle Menschen seien unterschiedlich und er wünsche sich „keine Welt, wo alle gleich sind“.Es gehe darum, die Vielfalt zu respektieren und andere Menschen nicht abzuwerten und für ihr Anderssein zu töten.
„98 Prozent der Menschen wollen den Anderen nicht töten. Aber dann gibt es eine ganz kleine Gruppe, die uns immer wieder gegeneinander aufhetzt, und dazu eine Gruppe aus der Menschheitsfamilie ausschließt.“ Für Ganser ist der Begriff „Menschheitsfamilie“ das „Gegengift gegen Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Imperialismus“. Diese seien das, was trennt, während die „Menschheitsfamilie“ verbinde.
Im Fazit seines Buches schreibt der Historiker zudem:
„Das Prinzip Achtsamkeit ist der dritte Leitstern für die Friedensbewegung. Wir brauchen im 21. Jahrhundert einen Bewusstseinswandel und mehr Achtsamkeit.“
Damit meint er, „immer wieder den Blick nach innen zu richten und meine eigenen Gefühle und Gedanken zu beobachten“.
https://de.sputniknews.com/politik/20200628327425877-ganser-imperium-usa-teil-2/