Montag, 27. Juli 2020

Washington verdammt Peking zu Kaltem Krieg in alle Ewigkeit

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Wahlen vorherzusagen, ist eine undankbare Aufgabe. Zumal Wahlen, deren Ausgang womöglich nicht in den Wahllokalen entschieden wird, sondern auf den Straßen – durch gewaltsame Zusammenstöße nach südamerikanischem Muster. Gleichwohl lohnt sich ein Blick darauf, was die Welt erwarten könnte, sollte Joe Biden das Weiße Haus erobern.
Worauf es nach Bidens eventuellem Wahlsieg ankommen wird, ist (so viel kann man schon erkennen) nicht Bidens Meinung. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten ist nur ein Strohmann: dazu da, die Stimmen all der Amerikaner auf sich zu vereinen, die eine Sehnsucht verspüren nach der „Normalität“ der Obama-Zeit. Übernehmen die Demokraten das Amt des US-Präsidenten, wird nicht Biden die Vereinigten Staaten führen, sondern jene US-Elite, die die Wahlen von 2016 verloren hat.
Wovor stünde die Demokraten-Regierung außenpolitisch? Jedenfalls vor einem Problem, das schwerwiegender ist als die Konfrontation mit Russland der letzten Jahre. Davon kann man sich überzeugen, wenn man kurzzeitig die Sicht der striktesten Fürsprecher von Biden übernimmt: der Journalisten von „New York Times“, dem Parteiblatt der US-Demokraten. Die Analysten dieser Zeitung beschreiben weitschweifig, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Washington und Peking in der Regierungszeit Trumps verschlechtert habe, und stellen fest, dass die amerikanischen Regierungsvertreter das Verhältnis zwischen den USA und China immer weiter auf einen „Point-of-no-Return“ hintrieben.
Allerdings könnte es sein, schreibt „NYT“, dass dieses Verhältnis auch dann unverändert bleibe, wenn Biden die Wahl gewinne: „Die Idee von einer auf Wettstreit mit China ausgerichteten US-Politik genoss in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren starke Unterstützung der beiden Parteien.“ Freilich habe China selbst dazu beigetragen: „Der anfänglich falsche Umgang der chinesischen Regierung mit dem Coronavirus, das Vorgehen in Hongkong“ hätten „eine tektonische Verschiebung in den Ansichten entlang des gesamten politischen Spektrums Amerikas“ befördert. „Die Anti-China-Falken im Kabinett des Präsidenten haben sich daran festgekrallt, um ihren Standpunkt voranzubringen: dass nämlich Chinas Kommunistische Partei entschlossen sei, ihre Ideologie und autoritäre Weltsicht in der ganzen Welt zu verbreiten, und dass Bürger liberaler Länder sich dieser Gefahr bewusst und auf den Konflikt vorbereitet sein müssen, der Jahrzehnte dauern könnte“, schreibt die Zeitung.
Diese Zeilen erwecken den Eindruck, die amerikanische Elite vertrete kollektiv die Ansicht, ihr Land brauche dringend einen neuen langen Kalten Krieg. Das heißt, im gegenwärtigen Konflikt innerhalb der USA geht es um das Recht, das Land in diesem neuen Kalten Krieg zu befehligen. Und China passt hierbei aus mindestens dreierlei Gründen perfekt in die Rolle des „größten, schlimmsten Feindes“.

Der Artikel von „New York Times“ ist derweil nicht das einzige Anzeichen für eine anstehende Eskalation hin zum Kalten Krieg zwischen Washington und Peking. Die Zeitschrift „Newsweek“ 
lobt „ihren“ Kandidaten Biden, weil dessen Plan zur Förderung der US-Wirtschaft zwar dem von Trump ziemlich ähnlich sei, aber doch China ins Visier nehme. In die gleiche Kerbe schlägt auch das Anti-Trump-eingestellte Politmagazin „Foreign Policy“ mit einem in diesem Monat veröffentlichten Aufruf, die Vereinigten Staaten sollen „das Ausmaß der Missetaten“ in der Provinz Xinjiang anerkennen, weil dort „der hochtechnologischste Völkermord der Welt“ stattfinde.Denn erstens: Die Vereinigten Staaten können von einem Konflikt mit China wirtschaftlich profitieren. Sei es allein durch die Rückverlagerung von Industrien in die USA oder in US-befreundete Gebiete, die über die vergangenen Jahrzehnte nach China ausgelagert wurden. Zweitens: Militärisch ist China zumindest im Moment weniger stark als andere Rivalen, weshalb man das Land nach Ansicht der Washingtoner Falken genau jetzt fertigmachen müsse, bevor es ordentlich aufgerüstet habe. Und schließlich drittens: Die negative Einstellung China gegenüber eint in den USA (anders als etwa die Konfrontation mit Russland) die Wähler beider Parteien, was wichtig ist für den künftigen Präsidenten, der nach den Wahlen das Land wird wieder zusammenfügen müssen.

Man sieht also: Die amerikanische Propagandamaschinerie läuft, Politiker üben sich in der Rolle des Retters der Nation vor der „chinesischen Bedrohung“ und Waffenlobbyisten reiben sich wahrscheinlich die Hände angesichts künftiger Profite. Wer auch immer bei den Wahlen im November gewinnt: Die Vereinigten Staaten bekommen keine Rückkehr in die Zeit vor Trump, sondern einen Kalten Krieg mit China. Dieses „Amerika gegen alle“ wird kurzfristig die Welt labiler machen und langfristig sich selbst einen unerfreulichen Abgang sichern.