Freitag, 10. Juli 2020

„Macht des Drachen“: Wie China seine Luftwaffe und Seestreitkräfte massiv hochrüstet

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Eine aktuelle TV-Dokumentation zeigt die gewaltige militärische Stärke Chinas. Doch dabei bleibt „Die Macht des Drachen: Chinas globale Militärstrategie“ nicht stehen. „China sieht sich bereits jetzt als künftige globale Militärmacht“, blickt ein Politologe aus Peking im Film in die Zukunft. Sputnik mit einer Einschätzung zur neuen Doku.
„Noch kann es keine Militärmacht der Welt mit den USA aufnehmen, doch China holt auf“, beginnt die neue TV-Dokumentation „Die Macht des Drachen: Chinas globale Militärstrategie“. Der Film wurde von „ZDF Info“ Ende September im Fernsehen ausgestrahlt und kann aktuell immer noch in der Mediathek gesehen werden. 
Bis zum Jahr 2049 will Peking der Doku zufolge „militärisch auf Augenhöhe mit den USA sein“. Bereits heute stelle die Volksrepublik China das größte Heer der Erde. In der Volksbefreiungsarmee dienen etwa 2,2 Millionen Soldaten und werden über 9.000 Kampfpanzer eingesetzt. „Doch der Fokus verlagert sich zunehmend auf die Luftwaffe mit inzwischen etwa 2.500 Flugzeugen. Und auf die Marine Chinas, die mit ihren Fregatten, Zerstörern und U-Booten inzwischen etwa 200 Einheiten zählt“, erfahren die Zuschauer.

Chinas Militär-Investitionen: Über 250 Milliarden US-Dollar

2018 investierte die Volksrepublik China laut dem renommierten „SIPRI“-Institut über 250 Milliarden US-Dollar in ihr Militär und mit ihm verbundene Strukturen. Damit liege Peking „nun weltweit auf dem zweiten Platz“ – aber damit immer noch weit hinter „Branchenführer“ und Militär-Primus USA. Interessanter Fakt: „Auch China  gehört mittlerweile zu den Großen im internationalen Waffenhandel.“ Wohlhabende Waffenkäufer chinesischer Produkte seien dabei vor allem: Arabische Scheichs und die Golfstaaten. Pekings scheinbarer Vorteil: „China hat – im Gegensatz zu Deutschland – keine restriktive Waffenpolitik.“ 
Trotz dieser Erfolge sei China allerdings immer noch nicht auf militär-technischer Augenhöhe zur US-Streitmacht, betont der ZDF-Film. Doch die Lücke werde kleiner. Peking hole auf. Auch wegen ungeheurer chinesischer Anstrengungen. Das Team der Dokumentation lässt dazu den chinesischen Sicherheitspolitik-Experten Tong Zhao von der „Tsinghua Universität“ in der chinesischen Hauptstadt zu Wort kommen.
„Ich denke“, so der Pekinger Strategie-Analytiker, „dass sich China ganz klar als zukünftige führende Weltmacht sieht. Früher oder später wird China ein global einflussreiches Land sein. China betont immer wieder, dass es über 100 Jahre lang von ausländischen Kräften gedemütigt worden ist. Also hat sich die chinesische Nation geschworen, dass China – sollte es eines Tages zu einer Großmacht aufsteigen – niemals andere Länder so behandeln würde, wie es von den westlichen Mächten behandelt worden ist.“

Kampf um den Pazifik: Der „Drache“ gegen den US-„Adler“

US-amerikanische Flugzeugträger und Kriegsschiffe unter US-Flagge im Ostchinesischen Meer sehe Peking als strategische Bedrohung im Pazifik-Raum, so die Doku. 
„Die militärischen Drohgebärden der US-Supermacht gegen die aufstrebende Weltmacht China werden häufiger und deutlicher. Amerika sieht seine Interessen im Pazifik und die seiner Verbündeten dort, von Taiwan bis zu den Philippinen gefährdet. Doch: China kontert – mit Manövern in der Straße von Taiwan, und im West-Pazifik macht Peking seine regionalen Anspräche deutlich. Es ist nicht gewillt, sich von den USA einschüchtern zu lassen.“
Der Film zeigt den „ersten chinesischen Flugzeugträger“, der 2012 seinen Dienst antrat und „noch in der Sowjetunion konzipiert und geplant wurde.“ Peking plane aktuell, weitere Flugzeugträger zur Sicherung chinesischer Interessen in den Ozeanen zu bauen. „Ein deutliches Zeichen in Richtung USA“.
Diese Einschätzung kann im Film auch der Politologe Taylor Fravel bestätigen. „China ist auf dem Weg, eine der größten Marinen der Welt zu haben“, so der US-Politikwissenschaftler. „Wenn wir uns die wichtigsten Seestreitkräfte ansehen – Zerstörer, Fregatten, Korvetten, Flugzeugträger – dann wird die chinesische Seemacht in einigen Bereichen bald größer als die heutige US-Navy sein.“

Partner Russland und Pekings Pazifik-Konzept

„Eine zentrale Säule auf dem Weg zu einer chinesischen Armee von Weltrang ist die strategische  Partnerschaft mit Moskau“, berichtet die Doku. „Russland ist nicht nur seit zwei Jahrzehnten der wichtigste Waffenlieferant für China. Die beiden Länder kooperieren auch bei der Entwicklung neuer Waffensysteme und Gattungen sowie bei der Ausbildung eigener Einheiten.“ Das Fazit: „Europa muss sich an neue Machtkonstellationen gewöhnen.“ Ebenso wie an chinesische Schiffe in der Ostsee. 
Peking beanspruche im Pazifischen Ozean, „vor der eigenen Küste einen Einfluss- und Sicherheitsbereich bis weit in den Pazifik hinein, der zwangsläufig zu Konflikten mit dortigen Staaten und den USA führen muss. Die chinesischen Militär-Strategen sprechen schon lange von der sogenannten ‚Ersten‘ und ‚Zweiten Insel-Kette‘.“ Dieser erste Sicherheits-Ring „verläuft entlang der südjapanischen Inseln, mit Okinawa, schließt Taiwan ein und schlängelt sich entlang der Küsten der Philippinen und Malaysias im Südchinesischen Meer. Er markiert den engsten Bereich der von China beanspruchten Sicherheitszone.“ Die „Zweite Insel-Kette“ liege rund 1.000 Kilometer weiter im Pazifik. „Sie umfasst ein Seegebiet von Tokio bis nach Indonesien. Und sie berührt mit Guam US-Territorium und mit den Marshall-Inseln ein mit den USA assoziiertes Gebiet“, umreißt die Dokumentation die wesentlichen Konflikt-Schnittstellen zwischen den USA und China.

Chinas Strategie: „Vom Westen nicht akzeptiert“

„Die westlichen Länder empfinden die Politik Chinas als Bedrohung“, kommentiert der chinesische Politologe Zhao im Film. „China hat eine eigenständige politische (ideologische, Anm. d. Red.) Ausrichtung, die vom Westen nicht akzeptiert wird. Ich befürchte, dass das in Zukunft zu weiteren Konflikten führen wird.“ Auch die „Neue Seidenstraße“ würde die globale Wirtschaft – vornehmlich den kapitalistischen Westen – stark herausfordern. 
Strategische Bedenken haben auch Chinas Nachbarn, darunter die Philippinen oder „das demokratische“ Taiwan. Deren Sorgen in Bezug auf Pekings Pazifik-Konzepte werden in der Doku ebenso thematisiert. Diese Länder befürchten nämlich, China könne zu einem so riesigen Militär-Giganten werden, dass er damit die gesamte Pazifik- und Ostasien-Region dominiere – auf Kosten der Interessen kleinerer Länder dort. Auch die aktuell immer noch andauernden Proteste in Hongkong gegen die „autoritäre Einflussnahme“ der Staatsführung in Peking bespricht der Film in Szenen, die in ihrer Bildsprache auf emotionale Wirkung beim Zuschauer angelegt sind.

Wie der Westen China einst zerschlug …

Der Film zitiert ein neues Strategie-Papier Chinas, das die KP-Führung im Sommer 2019 veröffentlicht hatte. Das Dokument werde den Ausbau von Chinas Militär weiter vorantreiben. „Peking will sich offensiver und vor allem globaler aufstellen. Chinas neue Strategie soll das Land zurück zu einstiger Größe führen.“ Dies auch vor dem Hintergrund historischer und kolonialer Erfahrungen, die einst das alte chinesische Kaiserreich zerfallen ließen. An dieser Stelle sei nur an den vom britischen Empire angezettelten „Opium-Krieg“ in Ostasien, Mitte des 19. Jahrhunderts erinnert, der ganz China und dessen Bevölkerung quasi jahrzehntelang beuteln sollte. Auch frühere Angriffe Japans auf Chinas Festland stellt die Dokumentation in beklemmenden Bildern dar.

… und der „Drache“ wieder erwachte 

In schwarz-weißen Archiv-Bildern wird die „kommunistische Machtergreifung Maos“ gezeigt, die 1949 die uns heute bekannte moderne Volksrepublik China auf den Weg brachte. Der ZDF-Film verschweigt nicht die darauffolgenden, größenwahnsinnigen und menschenverachtenden Kollektivierungs-Versuche, wie die „Kulturrevolution“ oder „Der Große Sprung nach vorn“, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Auch Parteichef Deng Xiaoping, der Anfang der 1980er Jahre die Wirtschaft des modernen China kontrolliert für ausländische Investoren öffnete, findet in der Doku Erwähnung. Ohne seine Politik der Öffnung und Liberalisierung wäre der heutige technische, ökonomische und militärische Aufstieg des chinesischen „Drachens“ nicht denkbar.
"Zu doof zum zaehlen, diese Looser."