ANTI-SPIEGEL
5. Juni 2021
Thomas Röper
Die öffentliche Meinung wird gelenkt, das ist Aufgabe der Medien. Dazu gibt es eine Reihe von praktisch unbekannten Organisationen. Eine davon ist das Project Syndicate, das ich hier kurz vorstellen möchte.
von Anti-Spiegel5. Juni 2021 17:00 Uhr
Claus Kleber vom heute-journal sagte einmal sinngemäß, es wäre doch Unsinn zu behaupten, seine Berichterstattung wäre gesteuert, schließlich riefe ihn niemand in der Redaktion an, um ihm zu sagen, was er berichten soll. Das stimmt sicherlich, aber andererseits wissen er und andere Journalisten sehr genau, was sie berichten sollten, wenn sie den Job auch weiterhin machen wollen. Da braucht es natürlich keinen täglichen Anruf „von oben.“
Aber die „Qualitätsmedien“ bekommen auch reichlich Unterstützung, damit sie berichten, was gewünscht wird. Alleine das Pentagon hat über 27.000 Mitarbeiter, deren einzige Aufgabe darin besteht, Nachrichten zu produzieren, die dann über Nachrichtenagenturen den Weg in unsere Nachrichten finden (wenn das für Sie neu ist, lesen Sie hier die Details nach). Das ist per Definition Propaganda, und Claus Kleber hat kein Problem damit, diese Meldungen aus dem Pentagon als Nachrichten zu verkünden.
Die Medien haben mit rückläufigen Auflagen und fallenden Einnahmen zu kämpfen, was in jeder deutschen Redaktion schon zu Kündigungswellen geführt hat. Wenn aber immer weniger Journalisten in einer Redaktion die gleiche Menge Artikel „produzieren“ sollen, dann geht das zwangsläufig auf Kosten der Recherchen. Dafür ist keine Zeit mehr und das merkt man. Die meisten Artikel in den deutschen Medien sind fast wortgleich, auch die Überschriften. Der Grund ist, dass sie Meldungen von den Nachrichtenagenturen praktisch wortwörtlich übernehmen, wie jeder leicht überprüfen kann, indem er einen Schlüsselsatz aus einem Artikel über internationale Politik bei Google eingibt und die Suchmaschine als Antwort viele wortwörtlich identische Artikel bei anderen Mainstream-Medien anzeigt.
Im besten Fall wird der Artikel einer Nachrichtenagentur ein wenig umformuliert, mehr machen die Redaktionen meist nicht mehr. Und wer sich eine Regionalzeitung kauft, der muss wissen, dass die meisten Artikel dort längst aus einer Zentrale kommen, wo die Artikel für alle Regionalzeitungen einer Medienholding geschrieben werden. Vor Ort geschrieben wird bestenfalls noch der Bericht über das Jahrestreffen des örtlichen Schützenvereins.
Es findet also eine Zentralisierung statt, bei der einige Organisationen, beispielsweise das Pentagon, „Nachrichten“ produzieren und an die Nachrichtenagenturen weitergeben. Diese wiederum geben sie an die Medien weiter, die wir dann lesen. Eigene Recherche findet kaum mehr statt, stattdessen gibt es „copy&paste.“
Wer also kontrollieren will, was die Medien veröffentlichen, muss kontrollieren, was in die Nachrichtenagenturen kommt. Und dafür gibt es eine Reihe von Organisationen, das Pentagon ist nur eine davon. Die Regierung der USA hat noch andere Organisationen, die das Gleiche tun, zum Beispiel USAID, die dafür jedes Jahr ein Budget von mehreren Milliarden Dollar erhalten.
Natürlich gibt es auch private Produzenten von Nachrichten, und in diesem Zusammenhang bin ich auf eine interessante Organisation gestoßen, die in Prag sitzt und sich rühmt, dass ihre Artikel in 506 verschiedenen Medien in 156 Ländern und 64 Sprachen publiziert werden. Das ist also eine gewaltige Maschinerie, die die Meinungen von Millionen Menschen weltweit durch ihre Berichte beeinflusst und von der trotzdem kaum jemand je etwas gehört hat. Der Name dieser Organisation ist „Project Syndicate“
Als ich auf diese Organisation gestoßen bin, habe ich mich daran gemacht, zu recherchieren, wer „Project Syndicate“ eigentlich ist. Und das Ergebnis ist erschreckend. Nach eigenen Angaben ist das Syndikat eine gemeinnützige Organisation, die den Menschen auf der Welt „Zugang zu Informationen“ geben möchte:
„Project Syndicate produziert und liefert qualitativ hochwertige Kommentare an ein globales Publikum. Mit exklusiven Beiträgen prominenter politischer Führer, Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsführer und Bürgeraktivisten aus der ganzen Welt bieten wir Nachrichtenmedien und ihren Lesern modernste Analysen und Einblicke, unabhängig von der Zahlungsfähigkeit. Unsere Mitglieder umfassen über 500 Medien – mehr als die Hälfte davon erhalten unsere Kommentare kostenlos oder zu subventionierten Preisen – in 156 Ländern.“
Was so positiv und selbstlos klingt, bedeutet nichts anderes, als dass das Syndikat beeinflussen will, was die Menschen in 156 Ländern diskutieren und wie sie über bestimmte Fragen denken. Man will nicht weniger, als die weltweite öffentliche Meinung beeinflussen und verkauft das als „gemeinnützige Arbeit.“
Wie immer ist die entscheidende Frage, wer hinter dem Syndikat steht und wer es bezahlt. Wenn man das weiß, dann weiß man auch, wessen Meinung der Weltöffentlichkeit da vermittelt werden soll. Und schon da wird es schwierig. Das Syndikat veröffentlicht auf seiner Seite keine Jahresberichte, man weiß also nicht, wie viel Geld es von wem bekommt. Und wer es 1995 gegründet hat, ist auch nicht ersichtlich.
Man findet auf der Seite lediglich eine Liste der Partner, die das Syndikat unterstützen. Diese sind:
„Open Society Foundations, the Bill & Melinda Gates Foundation, the MasterCard Foundation, the European Climate Foundation, the European Journalism Centre, the Children’s Investment Fund Foundation, the Mohammed bin Rashid Al Maktoum Knowledge Foundation, the Heinrich Böll Stiftung, the Friedrich-Ebert-Stiftung, GAM, the Google Digital News Initiative, McKinsey Global Institute, the Nature Conservancy, and the Sustainable Development Solutions Network.“
In meinem neuen Buch „Abhängig beschäftigt – Wie Deutschlands führende Politiker im Interesse der wirklich Mächtigen handeln“ habe ich mich sehr intensiv mit der die Arbeit von NGOs und mit der Frage beschäftigt, wie westliche Politiker von den NGOs „gelenkt“ werden und wie sehr sie von diesen NGOs abhängig sind. Diese Liste zeigt das eindrücklich, denn das Syndicate hat die Medienmacht, einen Politiker zu schützen oder medial zu vernichten. In meinem Buch gehe ich darauf im Detail ein und zeige, wie die Mächtigen ihren Daumen über einen Politiker heben oder senken können und was das für dessen Karriere bedeutet.
Das Buch erscheint diese Woche ist derzeit ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.