Bolivien: Bevölkerung hindert Ex-Präsidentin Áñez daran, das Land zu verlassen
Die ehemalige Präsidentin der Putschregierung, Jeanine Áñez, wurde an der Flucht nach Brasilien gehindert. Bürger der Stadt Trinidad stellten sie unter Arrest. Gegen Áñez laufen Ermittlungen wegen Massaker an der bolivianischen Bevölkerung.
Jeanine Áñez Versuch, Bolivien zu verlassen, ist gescheitert. Eine Gruppe von Bürgern der Stadt Trinidad im nördlichen Departamento Beni hinderte sie am 23. November daran, ein Flugzeug zu besteigen, um sich nach Brasilien abzusetzen.
Gegen die abgesetzte Interimspräsidentin laufen Ermittlungen wegen der Massaker von Senkata und Sacaba. Im November 2019 stand Áñez als selbst ernannte Präsidentin an der Spitze der Putschregierung. Unter ihrem Oberkommando wurden Proteste der indigenen Bevölkerung und Anhänger von Evo Morales gegen den Staatsstreich gewaltsam niedergeschlagen. 37 Menschen starben dabei, über 800 wurden verletzt.
Ein Repräsentant des Departamento Beni wird von teleSUR zitiert:
Wir haben sie umstellt, als sie versuchte, nach Brasilien zu fliehen. Wir haben sie festgenommen und sie steht nun unter Arrest in einer Wohnung. Sie muss sich für die Morde in Senkata und Sacaba verantworten.
In der letzten Woche haben sich bereits Arturo Murillo, Innenminister unter der Putschregierung, und Fernando López, Verteidigungsminister unter der Putschregierung, nach Brasilien abgesetzt. Sie umgehen damit den bolivianischen Strafvollzug. Gegen sie wird ebenfalls wegen der Massaker von Senkata und Sacaba ermittelt, außerdem wegen Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern.
Nach Angaben des bolivianischen Polizeikommandanten, Jhonny Aguilera, befinden sich Murillo und sein ehemaliger Vizeminister, Javier Issa, mittlerweile in den USA.
#Bolivia | The former Minister of Government of the coup regime in Bolivia, Arturo Murillo, and former viceminister Javier Issa, pursued by Bolivia's justice system, are in the United States, according to commander of the Bolivian Police, Jhonny Aguilera.https://t.co/iFv1y0i3mE
— teleSUR English (@telesurenglish) November 24, 2020
Bolivien: Untersuchung der Massaker der Putschregierung eingeleitet
Die bolivianische Regierung leitet in Zusammenarbeit mit der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) eine Untersuchung von Massakern ein, die von der Putschregierung unter der selbst ernannten Präsidentin Jeanine Áñez verübt wurden. Am 23. November werden fünf Sachverständige der IAKMR in Bolivien eintreffen. Die Ermittlungen werden insbesondere in der Stadt Sacaba und der Gemeinde Senkata stattfinden.
Am 19. November erklärte der frühere Präsident Boliviens Evo Morales über Twitter:
Ein Jahr nach dem Massaker von Senkata erinnern wir uns der heldenhaften Kämpfer für die Demokratie und sprechen ihren Familien und den damals Verwundeten unsere Solidarität aus. Das bolivianische Justizsystem – in seiner staatlichen Funktion und seiner Verpflichtung für das Leben – muss die Ermittlungen vorantreiben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Es darf keine Straffreiheit geben.
A un año de la Masacre de Senkata, recordamos a los héroes por la democracia y nos solidarizamos con sus familias y con los heridos. La justicia boliviana, de oficio, por compromiso con la vida, debe avanzar en la investigación y dar con los responsables. No puede haber impunidad pic.twitter.com/bMjKcKbTv9
— Evo Morales Ayma (@evoespueblo) November 19, 2020
Nach dem Staatsstreich im November 2019 hat die Putschregierung gewaltsam den Protest der bolivianischen Bevölkerung, der Anhänger der Movimiento al Socialismo (MAS) niedergeschlagen. Nach offiziellen Angaben starben dabei 37 Menschen, über 800 wurden verletzt.
Exemplarisch war dabei das Vorgehen der Putschisten in Sacaba – überwiegend bewohnt von der indigenen Bevölkerung Boliviens und eine Hochburg der Anhänger von Morales und der MAS. Am 15. November 2019 schossen Soldaten des bolivianischen Militärs aus Hubschraubern auf die demonstrierenden Menschen. Elf Menschen wurden dabei getötet.
🎥🛑In #Bolivia mark the 1 year anniversary of the Sacaba massacre. 11 protesters were executed here by the US-backed coup regime, helicopters shot at the crowd while flying at 40 metres from the ground.
— ©halecos Amarillosᴳᴸᴼᴮᴬᴸ 🍀ʷAͤNͣOͬNͤYˡMͤOᵍUͥSͦⁿ (@ChalecosAmarill) November 16, 2020
🔻Families are one step closer to justice.pic.twitter.com/bpebXwp7tW
Die IAKMR schätzte schon 2019 die Vorgänge als Massaker ein. Die De-facto-Regierung unter Áñez weigerte sich jedoch, eine unabhängige Untersuchung zuzulassen. Nach dem Sieg der MAS bei der Präsidentenwahl im Oktober 2020 und der Vereidigung von Präsident Luis Arce am 8. November wurden die Forderungen der Hinterbliebenen und Verwundeten nach Aufklärung aufgegriffen. Es ist damit zu rechnen, dass Anklage gegen Áñez und andere führende Personen der damaligen Putschregierung erhoben wird.
Am 18. November erklärte das bolivianische Parlament die Opfer der Massaker posthum zu "Helden des plurinationalen Staates Bolivien", die "ihr Leben gaben in der Verteidigung der Demokratie".