Mittwoch, 23. September 2020

Kampf um “digitale Souveränität”

 US-China war headed for digital decoupling

Sep 10. 2020

Center for Southeast Asian Studies 

 

Die Bemühungen der Trump-Administration im vergangenen Monat, Huawei den Zugang zu Chips mit US-Design zu beschränken, ist eine weitere Salve, die im Technologiekrieg zwischen den USA und China abgefeuert wurde. Seit mehr als einem Jahrzehnt steht Huawei im Fadenkreuz der US-Regierung und gilt als Bedrohung für die Privatsphäre und die nationale Sicherheit.

Im Dezember 2018 verhafteten die kanadischen Behörden auf amerikanisches Ersuchen hin Huaweis Finanzchef Meng Wanzhou, die Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, wegen angeblicher Verletzung der Sanktionen gegen den Iran.

Die Trump-Administration verbot dem Unternehmen, sich am Aufbau von 5G-Netzen in den USA zu beteiligen.

Die Trump-Administration führte auch eine hochkarätige, hochgesteckte diplomatische Druckkampagne durch, um ihre Verbündeten wie Großbritannien, Australien, Kanada, Japan, Deutschland, Indien usw. daran zu hindern, Huawei den Aufbau ihrer 5G-Netze zu erlauben.

Die USA haben bei jedem diplomatischen Forum wiederholt behauptet, dass Huawei ein staatlich kontrolliertes chinesisches Unternehmen sei und es in drahtlosen Telekommunikationsnetzen der nächsten Generation zuzulassen eine Torheit sei.

Während Australien und Japan Huawei aus ihren 5G-Netzen verbannten, weigerten sich andere Länder oder zögerten aus einer Reihe von Gründen, diesem Beispiel zu folgen. Erstens glaubten sie, dass die Gefahren, die von der Zulassung von Huawei in 5G-Netzen ausgehen, dadurch gemildert werden können, dass die Telekommunikationsausrüstung von Huawei in einem "peripheren Netz" verbleibt und von ihren "Kernnetzen" ausgeschlossen wird.Zweitens ist die von Huawei bereitgestellte Ausrüstung billiger als die seiner Konkurrenten wie Nokia und Ericsson.Der andere Grund war, dass Huawei in vielen Ländern, darunter auch in Großbritannien, Teil ihres 4G-Telekommunikationsnetzes war.

Im Mai 2019, als die USA und China es versäumten, ein auf dem G-20-Gipfel in Bueno Aires im Dezember 2018 vereinbartes Handelsabkommen abzuschließen, verhängte die Trump-Administration erneut Zollaussetzungen und untersagte US-Unternehmen wie Qualcomm, Google und Micron den Verkauf von Chips und Software an Huawei. Dieser Schritt bedeutete eine große Eskalation, da chinesische Technologieunternehmen von Chips mit US-Design abhängig sind und die Hauptgewinnquelle der US-Chipfirmen aus dem Verkauf von Chips an Unternehmen wie Huawei stammt. Die US-Chipfirmen fanden eine rechtliche Lösung, die es ihnen ermöglicht, weiterhin Chips an Huawei zu verkaufen. Die Situation war eine Win-Win-Situation für alle. Einerseits konnte die US-Regierung die Halbleiter-Entwicklungsambitionen von Huawei drosseln, und gleichzeitig konnten die US-Chipfirmen weiterhin Gewinne erzielen.

Aber Huawei überlebte, obwohl sein Streben nach Eigenständigkeit bei Halbleitern untergraben wurde. Die Trump-Administration hatte auch ihre Drucktaktik auf die Verbündeten verstärkt, um sie zu zwingen, Huawei von ihren Telekommunikationsplänen der nächsten Generation abzubringen.

Washington drohte Deutschland mit der Rücknahme des Geheimdienstabkommens, falls Berlin Huawei in die Netzwerke der nächsten Generation einließe, doch der Druck war nicht einseitig.

China warnte Länder, dass ein Verbot von Huawei unter amerikanischem Druck eine Vergeltung Pekings in Form von Wirtschaftssanktionen nach sich ziehen würde.

Das bringt die Länder in eine doppelte Zwickmühle. Wenn sie Huawei in ihre drahtlosen Netzwerke der nächsten Generation einlassen, riskieren sie, ihre privilegierte Position als Sicherheitspartner der USA zu verlieren, und wenn sie Huawei verbieten, riskieren sie, den Zugang zum zweitgrößten Markt der Welt zu verlieren.

In den ersten Wochen des Jahres 2020 schien es, dass die US-Kampagne gegen Huawei ins Hintertreffen geraten war. Die britische Regierung beschränkte die Beteiligung von Huawei an ihren 5G-Netzen, verbot sie aber nicht vollständig. Die Europäische Union empfahl ihren Mitgliedsstaaten, die Beteiligung von "risikoreichen" Anbietern wie Huawei an ihren Telekommunikationsnetzen zu begrenzen, schlug aber kein völliges Verbot des chinesischen Unternehmens vor. Auch die erste Phase des Handelsabkommens zwischen den USA und China im Januar 2020 beruhigte die Lage im Pazifik, bis die britische Regierung im Juli 2020 ihre frühere Entscheidung rückgängig machte und chinesische Technologieunternehmen von ihren 5G-Netzen ausschloss. Die britische Regierung hat ihre Telekom-Betreiber aufgefordert, Huawei-Geräte bis 2027 aus ihren 4G-Netzen zu entfernen. Die indische Regierung hat ihre frühere Entscheidung, Huawei die Teilnahme an 5G-Versuchen zu erlauben, rückgängig gemacht. In ähnlicher Weise hat auch Israel das Verbot von Huawei aus seinen 5G-Netzen angekündigt.

Die Entscheidung Großbritanniens, Huawei zu verbieten, fiel vor allem deshalb ins Auge, weil das Land Teil der Five Eye - USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada - ist, des Netzwerks für den Informationsaustausch zwischen den englischsprachigen Ländern.

Das jüngste Verbot der Trump-Administration wird nicht nur US-Chipfirmen, sondern auch ausländische Chiphersteller zwingen, da die meisten Halbleiterfirmen in irgendeiner Weise von Silicon-Valley-Firmen abhängig sind, was die Entwicklung von 5G-Geräten betrifft. Das jüngste Verbot der Trump-Administration wird nicht nur US-Chipfirmen, sondern auch ausländische Chiphersteller zwingen, weil die meisten Halbleiterfirmen irgendwie von Silicon-Valley-Firmen abhängig sind, wenn es um Design und Software zur Herstellung und Installation von Chipsätzen geht. Ohne die Hilfe amerikanischer Technologiefirmen werden die meisten Unternehmen, wenn nicht sogar alle, Schwierigkeiten haben, Chips zu entwickeln. Und ohne diese ausländischen Chipsätze kann oder wird es für Huawei schwierig sein, 5G-Basisstationen und andere Ausrüstungen zu bauen.

Unterdessen gewährt die chinesische Regierung den einheimischen Unternehmen enorme Subventionen, um selbstständig und führend in der Halbleiterindustrie zu werden. In den letzten Jahren, insbesondere nach dem Fall von ZTE - für sie eine Art "Sputnik-Moment" - hat die chinesische Regierung ihre Anstrengungen zur Entwicklung der Halbleiterindustrie in China verdoppelt.

Aber es wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis China eine führende Rolle in der Halbleiterindustrie einnimmt. Die jüngste Aktion der Trump-Administration kommt also in gewisser Weise einem Todesurteil für Huawei gleich. China wird wahrscheinlich jeden Pfeil in seinem Bogen nutzen, um den Zusammenbruch seines Nationalstolzes zu verhindern.

Aber die digitale Entkoppelung zwischen den beiden Supermächten ist bereits im Gange, und sie wird den Ländern zusätzliche Milliarden Dollar kosten und die Einführung von 5G-Netzen in der ganzen Welt verzögern.https://www.nationthailand.com/opinion/30394291?utm_source=category&utm_medium=internal_referral


Kampf um "digitale Souveränität"

EU plant dreistellige Milliardenausgaben zur Schaffung einer von den USA und China unabhängigen digitalen Infrastruktur.

BRÜSSEL


Der für morgen geplante, auf nächste Woche verschobene EU-Gipfel soll die Initialzündung für eine Aufholjagd der EU gegenüber den USA und China auf zentralen High-Tech-Feldern liefern. Dabei geht es Beobachtern zufolge um nichts Geringeres als eine "digitale Souveränität", die Brüssel benötige, um nicht zum "Spielball der Großmächte" zu werden, sondern eigenständig die "globale Ordnung aktiv mit[zu]gestalten". Um die IT-Industrie zu fördern und die Digitalisierung entschlossen voranzutreiben, sind laut aktuellen Plänen der EU-Kommission 150 Milliarden Euro vorgesehen; sie müssten auch deswegen veranschlagt werden, weil die Privatunternehmen, die monetären Nutzen aus der Digitalisierung ziehen werden, zu ausreichenden eigenen Investitionen nicht bereit seien, erklärt EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die EU-Kommission hat etwa den Bau von Supercomputern im Blick, aber auch die Einführung eines "E-Ausweises", der helfen soll, nutzbare Datenströme zu generieren. Die "digitale Souveränität" zielt auf Eigenständigkeit der EU nicht nur gegenüber China (5G), sondern auch gegenüber den USA ("europäische Cloud").

Digitalisierung per Zehnjahresplan

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gibt sich entschlossen, den Rückstand der EU auf dem Feld der IT-Industrie und der Digitalisierung der Gesellschaft mittels umfassender Investitionen aufzuholen. Es gehe darum, innerhalb einer "digitalen Dekade" die EU in diesen Wirtschaftszweigen, die derzeit vor allem von US-amerikanischen und chinesischen Konzernen beherrscht werden, möglichst weit voranzubringen, erklärte von der Leyen vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der EU.[1] Die EU-Kommission soll dazu bald einen "digitalen Plan" vorlegen, der klare Zielsetzungen bezüglich "Konnektivität, digitaler Fähigkeiten und digitaler öffentlicher Dienste" bis zum Jahr 2030 beinhaltet. Die Digitalisierung zählt demnach zu den obersten Prioritäten der EU-Kommission, die insgesamt 150 Milliarden Euro dafür vorgesehen hat - 20 Prozent des auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossenen "Corona-Aufbaufonds" von 750 Milliarden Euro. Die Mittel seien "sehr wichtig", erklärte kürzlich Binnenmarktkommissar Thierry Breton, da die pandemiebedingte Rezession die Investitionsbereitschaft der Industrie einbrechen lasse; die Investitionen des Privatsektors in die angestrebten digitalen Industriezweige, die sich ursprünglich auf 800 Milliarden Euro summieren sollten, seien durch die Coronakrise ausgebremst, verschoben oder gar abgeblasen worden. Zudem musste der Binnenmarktkommissar einräumen, der Ausbau des 5G-Mobilnetzes in der EU gehe nur schleppend voran und bleibe hinter den ursprünglichen Planungen - flächendeckender Zugang bis Ende 2020 - zurück. Laut Bretons Schätzungen sind bislang nur 20 Prozent der 5G-Frequenzen in der Union vergeben worden.

Supercomputer für den Mittelstand

Bretons Äußerungen zufolge wird nun also eine aus Steuergeldern in dreistelliger Milliardenhöhe finanzierte Initialzündung neue Märkte ("Zukunftsfelder") für die Wirtschaft erschließen, da diese zu entsprechenden Investitionen ihrerseits nicht willens ist. Die EU will dabei vor allem die Infrastruktur bereitstellen, die dann Privatunternehmen nutzen sollen. Dabei bilden Supercomputer und Hochgeschwindigkeitsnetze einen Schwerpunkt der EU-Investitionsoffensive. Schon im Oktober 2018 investierte Brüssel rund 1,8 Milliarden Euro in diesen Bereich; nun folgen weitere Mittel für die Forschung und den Aufbau von acht weltweit führenden Rechenzentren in der Union - insgesamt rund acht Milliarden Euro.[2] Die neue Generation von Supercomputern soll ab 2022 in Betrieb gehen und rund eine Milliarde Operationen pro Sekunde ausführen können; dies entspreche der derzeitigen Rechenleistung aller Mobiltelefone weltweit, heißt es.[3] Europa sei der "erste Kontinent, der solche Rechnerkapazitäten schafft", erklärt Breton; damit sollten unter anderem mittelständische Forschung unterstützt und die "europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger" gemacht werden.

E-Ausweise

Ein weiterer Schwerpunkt der digitalen Agenda der EU besteht in der Schaffung von Infrastruktur zur Abschöpfung und Monetarisierung der großen Datenmengen, die im Internet täglich erzeugt werden - ein Geschäftsfeld, auf dem derzeit vornehmlich US-Konzerne operieren. Dazu will Brüssel allen EU-Bürgern einen "E-Ausweis" verordnen - eine Art "digitale Identität", mit der Identifizierung und Überwachung der Internetnutzer vereinfacht werden.[4] Dies käme, da sämtliche Onlineaktivitäten mit der "digitalen Identität" durchführt werden sollen - "vom Steuern zahlen bis hin zum Fahrrad mieten", wie von der Leyen erklärt - dem Ende jeglicher Anonymität im Netz gleich. Ziel ist auch hierbei laut EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager, mit öffentlichem Geld private Investitionen auszulösen. Den Planungen zufolge soll die Wirtschaft die Datenberge, die von den mit "E-Ausweis" ausgestatteten Internetnutzern generiert werden, zur Schaffung neuer Produkte und Dienstleitungen nutzen. Europa solle zu einem "Motor für Industriedaten" werden, kündigte Breton an. Laut von der Leyen sind die Daten "ihr Gewicht in Gold wert"; dass derzeit nur ein Fünftel von ihnen kommerziell Verwendung finde, sei "reine Verschwendung". Zur effizienten Auswertung und Überwachung der Datenflüsse will Brüssel massiv in Künstliche Intelligenz (KI) investieren. Schon 2021 will die EU-Kommission ein entsprechendes KI-Gesetz vorlegen.

EU-Cloud

Vestager, auch für den Wettbewerb in der EU zuständig, kritisiert zugleich, aktuell lege eine "Handvoll von Privatunternehmen" die Spielregeln auf den Märkten fest; dies könne Brüssel nicht zulassen. Die Äußerung richtet sich gegen die führenden IT-Konzerne aus den USA, die mittels der digitalen Offensive der Union aus dem EU-Markt gedrängt oder doch dort zumindest eingeschränkt werden sollen. Um die Abhängigkeit von außereuropäischen Konzernen zu verringern, soll die Industrie in der EU zudem einen Mikroprozessor der nächsten Generation entwickeln sowie einen eigenen Cloud-Dienst aufbauen, der auf der von Deutschland und Frankreich entwickelten Plattform Gaia-X fußen soll (german-foreign-policy.com berichtete [5]); Gespräche zur "Europäisierung" des deutsch-französischen Projekts finden zur Zeit in Brüssel statt. Die neue EU-Cloudinfrastruktur wäre geeignet, den Rahmen für die Monetarisierung der durch den "E-Ausweis" gewonnenen Datenströme zu schaffen. Von der Leyen sprach in diesem Zusammenhang von einer "echten Datenwirtschaft". Berichte stufen die Pläne offen als Kampf um die "digitale Souveränität" der EU ein, mit dem die Union sich aus der Dominanz US-amerikanischer und chinesischer Konkurrenten lösen wolle.[6]

Strategische Autonomie

In Kommentaren heißt es zu den machtpolitischen Hintergründen der Digitalisierungspläne, die EU wolle nicht mehr "Spielball der Großmächte" sein, nicht mehr "passiv unter dem militärischen Flügel der US-Amerikaner weilen" oder "dem Wachstum Chinas tatenlos zusehen", sondern möglichst schnell "strategische Autonomie" erreichen, um eigenständig die "globale Ordnung aktiv mit[zu]gestalten".[7] Die "digitale Souveränität" sei ein zentraler Baustein in den Bemühungen Berlins und Brüssels, die EU zu einem globalen Machtpol auszubauen. Wolle die Union weltweit "selbständiger auftreten", heißt es unter Bezug auf Eric Maurice von der Robert Schuman Foundation in Brüssel, dann müsse sie die Kontrolle über Schlüsseltechnologien erlangen. Dies sei heutzutage noch nicht der Fall; so speicherten etwa Privatpersonen und Unternehmen aus der EU ihre Daten immer noch bei US-Cloud-Anbietern wie Amazon, Microsoft oder Google, auf deren Infrastruktur US-Geheimdienste zugreifen könnten. Ähnlich verhalte es sich mit dem 5G-Mobilfunknetz, bei dem chinesische Konzerne wie Huawei zwar "hohe Qualität zum niedrigen Preis" anböten, zugleich jedoch die Sorge bestehe, Beijing könne Einfluss auf sie nehmen, um im Konfliktfall in der EU "kritische Infrastrukturen zu überwachen oder gar abzuschalten". Als Lösung empfiehlt Maurice, die EU solle ihre "eigenen Standards wählen".[8]

 

[1] Hans-Peter Siebenhaar: EU-Kommission will mit Milliarden-Investitionen die Digitalisierung vorantreiben. handelsblatt.com 18.09.2020.

[2], [3] Hans-Peter Siebenhaar: EU ruft zur digitalen Aufholjagd auf - Kritiker vermissen den großen Wurf. handelsblatt.com 16.09.2020.

[4] Hans-Peter Siebenhaar: EU-Kommission will mit Milliarden-Investitionen die Digitalisierung vorantreiben. handelsblatt.com 18.09.2020.

[5] S. dazu Deutschland auf Aufholjagd (I) und Die europäische Cloud.

[6], [7], [8] Philipp Grüll: Digitalisierung Europäischer Prägung: Brüssels Kampf um Souveränität. euractiv.de 11.09.2020.