Im transpazifischen Kalten Krieg
BERLIN/BEIJING(Eigener Bericht) - Fast täglich
gesteigerte US-Aggressionen gegen China begleiten die heute zu Ende gehende
Europareise des chinesischen Außenministers Wang Yi. Wang führt heute Gespräche
in Berlin; er sucht einen transatlantischen Schulterschluss gegen Beijing zu
verhindern und hat während seiner Reise vor einem "neuen Kalten
Krieg" gewarnt.
Die Trump-Administration hat nicht nur ihre Sanktionen
gegen Huawei erheblich ausgeweitet und chinesische Internetkonzerne mit
einem Verbot ihrer Geschäftstätigkeit in den USA bedroht, sondern zuletzt
auch Sanktionen gegen Tochterfirmen des staatlichen Baukonzerns CCCC verhängt;
US-Politiker bezeichnen die Firma, die eine wichtige Rolle für Bauprojekte im
Rahmen der Neuen Seidenstraße spielt, vielsagend als "Huawei der
Infrastruktur".
Zudem verschärfen die USA militärische Provokationen.
Berlin hat zuletzt bekräftigt, die von Washington geforderte
"Entkopplung" von Beijing abzulehnen.
Wangs Europareise wird von systematisch
orchestriertem Protest begleitet, der - günstig für die US-Aggression - die
Kooperation stören soll; eine zentrale Rolle spielen dabei Bündnis 90/Die
Grünen.
Verhältnis zu China: "kompliziert"
Im Zentrum der heute zu Ende gehenden Europareise des
chinesischen Außenministers Wang Yi steht das Bemühen, einen umfassenden
transatlantischen Schulterschluss gegen die Volksrepublik zu verhindern.
US-Außenminister Mike Pompeo hatte Ende Juli in London die Schaffung
einer "breiten Allianz" gegen Beijing gefordert und erklärt,
sämtliche Demokratien müssten "eine Koalition" bilden, um
gemeinsam gegen die Volksrepublik vorzugehen. Mitte August hatte der vormalige
CIA-Direktor dann Polen, Tschechien, Slowenien und Österreich bereist,
um seine antichinesische "Allianz" zu fördern.
Berlin sucht den Schulterschluss zu meiden. Anfang
August hatte der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth in einem
Namensbeitrag erklärt, "das Verhältnis der EU zu China" sei
"kompliziert"; Beijing sei zwar einerseits "Systemrivale",
andererseits aber auch - vor allem ökonomisch - "wichtiger
Partner": "Unsere Volkswirtschaften sind miteinander verflochten,
Zusammenarbeit liegt im beiderseitigen Interesse." Insbesondere erklärte
Roth, die von Washington geforderte "möglichst weitgehende
'Entkoppelung' von China" sei "für die EU ... keine Option".
Das "Gesetz des Dschungels"
Wang sucht nun dem US-Druck etwas entgegenzusetzen.
Bereits am Dienstag warnte er auf der ersten Station seiner Europareise in Rom,
"ein neuer kalter Krieg" werde die ganze Welt als Geisel nehmen.
China lehne ihn dezidiert ab - und biete allen die Hand, "sich jedem
zu widersetzen", der versuche, "uns wieder in das 'Gesetz des
Dschungels' zu ziehen". Die Äußerung war klar auf Washington und seine
global zunehmenden unilateralen Aggressionen gemünzt.
Konkret diente die Reise des Außenministers nicht
zuletzt dem Ziel, die Videokonferenz der EU mit Chinas Präsident Xi Jinping
vorzubereiten, die für den 14. September angekündigt ist; zudem stellte Wang
auf einer Veranstaltung am Sonntag in Paris in Aussicht, das geplante
Investitionsabkommen zwischen der EU und China noch in diesem Jahr zum
Abschluss zu bringen.
Nach Aufenthalten in Italien, Frankreich, den
Niederlanden und Norwegen hält sich Wang am heutigen Dienstag zu Gesprächen
in der deutschen Hauptstadt auf. Zudem wird Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi,
Mitglied des Politbüros, noch diese Woche in Griechenland und Spanien
erwartet - ebenfalls ein Teil der Bemühungen Beijings, seine Beziehungen zu
Europa zu stabilisieren.
Eskalierende Sanktionen
Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem die
Vereinigten Staaten ihre Aggressionen gegen China beinahe täglich steigern. So
hat die Trump-Administration jüngst ihre Sanktionen gegen Huawei so verschärft,
dass nun alle Chiphersteller weltweit, die auch nur in geringem Maße
US-Produkte nutzen, dem chinesischen Telekomkonzern keinerlei Halbleiter mehr
liefern dürfen. Aufgrund der bedeutenden Stellung von US-Konzernen in der
High-Tech-Branche läuft das auf einen kompletten Halbleiterboykott und
womöglich auf den Kollaps des Unternehmens nach dem Aufbrauchen der vorhandenen
Reserven hinaus, die Experten zufolge allenfalls bis zum kommenden Frühjahr
reichen. Die Trump-Administration bedroht darüber hinaus chinesische Apps wie TikTok
oder WeChat mit dem Verbot - und verbindet dies im Mafia-Stil mit dem Angebot,
TikTok zu einem per Verbotsdrohung, also gewaltsam gesenkten Preis an einen
US-Konzern zu verkaufen. Vergangene Woche hat Washington darüber hinaus Sanktionen
gegen 24 Unternehmen verhängt, die auf Inseln im Südchinesischen Meer
Aktivitäten entfalten, darunter fünf Tochterfirmen des Baukonzerns CCCC
(China Communications Construction Company). Die Folgen sind noch nicht
abschließend geklärt. Beschränkten sich die Sanktionen auf einen Lieferboykott,
hätten sie wenig Folgen; CCCC kauft kaum US-Produkte.[6] Allerdings ist unklar,
ob sich Kooperationspartner des Konzerns abschrecken lassen. CCCC, von
US-Politikern bereits vielsagend als "Huawei der Infrastruktur"
etikettiert, führt annähernd 1.000 Projekte in mehr als 150 Staaten
durch und spielt bei Bauvorhaben im Rahmen der Neuen Seidenstraße eine
herausragende Rolle.
Militärische Provokationen
Darüber hinaus weiten die Vereinigten Staaten ihre
militärischen Provokationen aus, insbesondere im Südchinesischen Meer. Dort hat
die U.S. Pacific Fleet ihre Manöver verstärkt und mehrmals gemeinsam mit
Marineschiffen Australiens Kriegsübungen durchgeführt, zum Teil in
unmittelbarer Nähe zu chinesischen Schiffen. Mitte August trainierten B-1-
und B-2-Bomber der U.S. Air Force in Verbindung mit einer US-Flugzeugträger-Kampfgruppe
nahe Japans und über dem Indischen Ozean; vergangene Woche durchquerte ein US-Lenkraketenzerstörer
demonstrativ die von China beanspruchten Gewässer um die Paracel-Inseln. Nur
kurz zuvor war ein U-2-Spionageflugzeug der U.S. Pacific Air Forces
ungenehmigt in eine nordostchinesische Flugverbotszone eingedrungen, während
die chinesischen Streitkräfte dort ihrerseits Übungen durchführten - ein
riskanter Schritt, der auch in westlichen Militärkreisen bestehende
Befürchtungen nährt, die USA könnten mit einem - gewollten - Unfall eine
bewaffnete Auseinandersetzung zu provozieren suchen.
Beijing hat in den vergangenen Tagen unter anderem mit
vier gleichzeitig abgehaltenen Manövern - im Süd- und im Ostchinesischen
Meer, im Gelben Meer und im Golf von Bohai - klargestellt, dass es auf eine
etwaige Verteidigung gegen US-Angriffe vorbereitet ist. Zudem haben die
chinesischen Streitkräfte in einer Übung mehrere Raketen der Modelle DF-21D
und DF-26B ins Südchinesische Meer gefeuert. Die DF-21D gilt als hocheffiziente
Antischiffsrakete und wird daher auch "Carrier Killer"
genannt; die DF-26B kann gegebenenfalls den US-Militärstützpunkt Guam im
Pazifik erreichen.
Kampagne gegen Beijing
In dieser Situation hat ein antichinesisches
Parlamentarierbündnis, in dem rechte US-Hardliner und deutsche Grünen-Politiker
eine führende Rolle spielen, die Europareise des chinesischen
Außenministers mit PR-Aktionen begleitet, die offen darauf zielen, die
Spannungen noch weiter zu verschärfen.
Bei dem Bündnis handelt es sich um die Inter-Parliamentary
Alliance on China (IPAC), einen Zusammenschluss, der auf Initiative unter
anderem des Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer gegründet
wurde; prominentes Führungsmitglied ist US-Senator Marco Rubio, im IPAC-Beirat
ist nicht zuletzt ein langjähriger CIA-Spezialist aktiv. Die IPAC hat
Protestaktionen mit Hongkong-Aktivisten am Rande des Wang-Besuchs,
Protestbriefe und in den Niederlanden eine angebliche Einladung an Wang zum
Gespräch über die Lage in Xinjiang organisiert; in Deutschland haben die drei
IPAC-Mitglieder Michael Brand (CDU), Gyde Jensen (FDP) und Margarete Bause (Bündnis
90/Die Grünen) die Regierung aufgefordert, in den Gesprächen mit dem
chinesischen Außenminister auf eine "zurückhaltende Sprache" zu
verzichten und "Klartext zu reden".
Vorwand sind menschenrechtliche Argumente,
die die IPAC-Mitglieder allerdings gegen westliche Mächte nicht vorbringen (völkerrechtswidrige
Kriege gegen Jugoslawien, Irak, Libyen, Menschenrechtsverbrechen im
"Anti-Terror-Krieg", bei der EU-Flüchtlingsabwehr etc.). Faktisch
begünstigt das Störmanöver den von der Trump-Administration gewünschten
transatlantischen Schulterschluss gegen Beijing.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8366/