17.09.2020
Rüdiger
Rauls
Der Militärputsch in Mali bedroht die westlich geprägte Stabilitätsarchitektur in der Sahel-Zone. Damit scheint dort nun ein weiterer Krisenherd mit unkalkulierbaren Folgen für den Wertewesten zu entstehen.
Mali,
Minsk und Hongkong
Mali
ist weit weg sowohl für die deutsche Öffentlichkeit als auch für die
Meinungsmacher hierzulande. Die Vorgänge in Weißrussland bestimmen die
Schlagzeilen der Medien in Europa: Vorwürfe von Wahlfälschung, Proteste der
Bevölkerung gegen einen autokratischen Herrscher, Forderungen nach Neuwahlen
oder gar Absetzung des Autokraten. Putin wird die Mitschuld an den Zuständen in
Weißrussland gegeben. Denn er hält seine schützende Hand über Lukaschenko, so
die Sicht des Westens und seiner Meinungsmacher.
All
das, was über Weißrussland und Putin von den westlichen Medien in Umlauf
gebracht wird, gilt aber genau so für die Situation in Mali. „Gegen den jetzt
abgesetzten Präsidenten Boubacar Keita hatte es seit Juni Massenproteste
gegeben“(1).
Wo war die Unterstützung des Westens für die
Protestierenden in Mali, wo die ausführliche Berichterstattung der westlichen
Medien? Anders als in Weißrussland flossen keine Millionen zur Unterstützung
der Opposition. Auch Malis Bürger „warfen dem Präsidenten die Manipulation der
Parlamentswahl vom März und April vor. [ Diese hatte] bereits 2018 stattfinden
sollen“(2), wurde damals aber aus Sicherheitsgründen abgesagt. Als sie dann
endlich für 2020 angesetzt worden war, wurde der Kandidat der Opposition,
Soumaila Cissé, nur wenige Tage vor der Wahl verschleppt.
Trotz
ähnlicher Verstöße, die man in Weißrussland aufs schärfste verurteilt, wurde
das Wahlergebnis in Mali dennoch international anerkannt.
All das geschah unter den Augen des Wertewestens, der seit Jahren mit starker Militärpräsenz im Land ist.
Es
ist nicht bekannt, dass westliche Vertreter ihr politisches Gewicht in dem Maße
in Mali für die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten eingesetzt
hatten, wie man es jetzt aus ähnlichem Anlass in Weißrussland oder Hongkong
versucht.
Der
Westen hielt also ebenso schützend die Hand über Keita, wie man es im Falle
Lukaschenkos Putin zum Vorwurf macht.
Einhellige
Empörung schlug China aus den westlichen Medien entgegen, als die Wahlen in
Hongkong aus Sicherheitsgründen wegen Corona verschoben wurden. Von allen
Seiten hagelte es Kritik und neue Sanktionen. Als 2019 Demonstranten das
Parlament in Hongkong stürmten und verwüsteten, hatte die westliche Presse viel
Verständnis für die Demonstranten. Scharf wurden dagegen die chinesischen
Sicherheitskräfte für ihr „brutales“ Vorgehen verurteilt. Als Demonstranten in
diesem Jahr in Bamako versuchten, das Parlament zu stürmen, antworteten
„Polizei und Militär mit Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition“.(3)
Während
gegenüber China eine Welle der Entrüstung in Gang gesetzt worden war, geschah
in Mali bei vergleichbarem Anlass nichts, kein Aufschrei der Empörung, keine
Sanktionen. Selbst die gemeinsamen Militäroperationen mit der malischen Armee
liefen uneingeschränkt weiter.
Undurchsichtig
Die Lage in Mali und der Sahel-Zone insgesamt ist nicht leicht zu durchschauen. Das liegt zum einen daran, dass westliche Politik kein großes Interesse an Berichten über Vorgänge hat, die dem eigenen Ansehen schaden und darüber hinaus auch in der eigenen Gesellschaft vielleicht für Unruhe sorgen könnten.
Denn
anders als in Weißrussland sind in Mali und der Sahel-Zone westliche Staaten
aktiv und damit auch mitverantwortlich für die dortigen Vorfälle.
Zum
anderen haben die westlichen Medien wenig Interesse an Themen, aus denen sich
keine Aufregung oder Emotionalisierung herleiten lassen. Medien, besonders die
privaten, leben von der Aufmerksamkeit, die sie über Aufreger schaffen können.
Das sorgt für Interesse bei den Medienkonsumenten und spült Geld in die Kassen.
Je mehr Interesse, um so höher Auflagen, Leserzahl und damit die Einnahmen aus
Anzeigen und Aufrufen.
Das
mangelnde Interesse der Medien an Mali und der Sahel-Zone erklärt sich aber
auch daraus, dass die meisten Berichterstatter und Kommentatoren die Vorgänge
dort nicht verstehen. Sie können sich die Vorgänge in der islamischen Welt nur
unter dem Blickwinkel von Religionskonflikten und islamistischem Terror
erklären. Vorgänge, die diesem Muster nicht entsprechen, werden entweder
ausgeklammert oder aber durch neue Theorien beziehungsweise „Expertenmeinungen“
der herrschenden Sichtweise angepasst, wodurch sie aber auch immer
widersprüchlicher werden. Die meisten Berichterstatter gewinnen ihre
Informationen nicht aus ihrer Anwesenheit vor Ort, sondern erhalten sie von
Dritten, deren Interessen nicht immer klar sind, bzw aus Berichten von
Nachrichten-Agenturen, die ähnlich denken wie sie selbst. Das erschwert den
unvoreingenommen Blick auf Stimmungen und Entwicklungen in den betroffenen
Gesellschaften.
Als
Peter Scholl-Latour über den Vietnam-Krieg berichtete, konnte er eine Woche
lang hautnah aus dem Lager des Vietkong berichten. Er befand sich in dessen
Hoheitsbereich und führte Interviews mit dessen Führer. Das waren authentische
Aussagen von offiziellen Vertretern der Gegenseite. Der westliche
Medienkonsument konnte also aus dem Munde des Vietkong dessen Ansichten zu den
Vorgängen hören und sich ein ausgewogenes Bild machen, wenn er denn gewollt
hat. Das ist heute nicht mehr möglich.
Der
Westen besonders die USA haben aus der Niederlage in Südost-Asien gelernt. Denn
der Vietnam-Krieg ging zu einem nicht unerheblichen Teil in eigenen Land
verloren durch die Berichterstattung über die Gräuel der Amerikaner und die
Lügen ihrer Politiker. Dem hat man vorgebeugt.
Betreute
Berichterstattung
Heute
gibt es für den westlichen Medienkonsumenten so gut wie keine authentischen
Berichte und Stellungnahmen mehr von der Seite, die vom Wertewesten bekämpft
wird. Alle Meldungen, die er über die Vorgänge in Konfliktgebieten erhält, sind
vermittelt durch westliche Medien und westliche Geheimdienste.
Seit
fast 20 Jahren führen westliche Staaten in Afghanistan und anderen Staaten der
islamischen Welt „Krieg gegen den Terror“. Der Medienkonsument hierzulande hat
immer nur die Informationen und Stellungnahmen erhalten, die ihm westliche
„Terrorismus-Experten“, westliche Nachrichten-Agenturen, westliche Medien,
westliche Politiker und westliche Geheimdienste haben zukommen lassen.
Direkte
Berichte aus den Kriegsgebieten waren fast immer „embedded“. Das heißt,
Berichterstatter bekamen von den Militärs nur das zu sehen, was die westliche
Öffentlichkeit erfahren sollte.
Betreute
Berichterstattung für betreutes Denken. Durch diese gelenkte Information ist
nicht nur den Medienkonsumenten sondern auch den Meinungsmachern selbst das
politische Einschätzungsvermögen verloren gegangen. Das politische
Urteilsvermögen bezüglich gesellschaftlicher Vorgänge verkümmert in den
westlichen Gesellschaften immer mehr.
Mit
dem Untergang der Sowjetunion ist nicht nur ein politisches System
untergegangen, sondern es verschwand auch das, was den Sozialismus ideologisch
ausgemacht hatte: die materialistische Weltanschauung. Dass diese
Betrachtungsweise besonders in den westlichen Gesellschaften weitgehend
verloren gegangen ist, macht sich bemerkbar in der Qualität von Analysen und
Berichten. Heutige Berichterstattung ist weitgehend geprägt von emotionaler
Parteinahme und der Bewertung der Ereignisse nach der Messlatte
moralisch-idealistischer Vorstellungen. Das Herausarbeiten, Offenlegen und
Einordnen von gesellschaftlichen Grundlagen und Entwicklungen, die Darstellung
historischer und sozialer Zusammenhänge ist eine Disziplin, die von den meisten
Berichterstattern, aber auch von sogenannten Experten kaum mehr beherrscht
wird.
So werden die Vorgänge in Mali und der Sahel-Zone hauptsächlich auf das Wirken von Dschihaddisten und Islamisten zurückgeführt, ohne dass erklärt wird, was der Unterschied zwischen beiden ist. Haben Islamisten und Dschihadisten von einander abweichende Motive und Ziele oder all die anderen Gruppen wie Al Qaida, Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqmi) oder Jamaa Nusrat ul Islam wa-l Muslimin, die von den Berichterstattern erwähnt werden? Es ist noch nicht einmal klar, ob sie sich selbst so nennen oder ob ihnen diese Bezeichnungen von anderen gegeben werden. So entsteht ein unüberschaubarer Wirrwarr von Akteuren.
Diese
Verwirrung ist nicht den Verhältnissen geschuldet sondern hauptsächlich der
Verwirrung derer, die die Ereignisse zu deuten versuchen. Sie selbst haben
keine Orientierung, wie eine Klärung solcher gesellschaftlichen Fragen und
Erscheinungen angegangen werden kann. Man versteht die Besonderheiten in den
islamisch geprägten Gesellschaften nicht und erkennt nicht die Grundlagen, auf
denen diese Gesellschaften ruhen und die sich in ihnen vollziehenden
Entwicklungen. Die meisten westlichen Berichterstatter betrachten und beurteilen
diese Vorgänge mit ihrem westlichen Denken, ihren westlichen Maßstäben, ihren
westlichen Theorien über Politik und Gesellschaft. Weil sie kein anderes
Verständnis von gesellschaftlichen Entwicklungen haben, deuten sie die Vorgänge
dort in erster Linie oberflächlich als religiöse Konflikte zwischen Sunniten
und Schiiten und dann wieder zwischen Christen und Moslems. Man kann die
Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des FC Bayern und Werder Bremen als
Konflikte zwischen Fußball-Fans sehen. Da in Bayern der katholische, in
Norddeutschland aber eher eine evangelische Glaubensrichtung vorliegt, kann man
sie aber auch als religiöse Konflikte darstellen. Das hängt ab von der
Kompetenz des Berichterstatters, seiner Fähigkeit zu sachgerechter Analyse, aber
auch von Interessen.
Von
Islamisten und Dschihaddisten
Verdeutlicht werden soll diese Verwirrung
anhand von Berichten der Frankfurter Allgemeine Zeitung über die Verhältnisse
und Entwicklung in Mali und der Sahel-Zone.
Die
Destabilisierung Nordafrikas nach der Ermordung Gaddafis führte aus der Sicht
des westlichen Berichterstatters in Mali zu einer „Spaltung des Landes durch
Tuareg-Kämpfer und Islamisten“(4). Was Tuareg-Kämpfer sind, ist klar, erfolgt
doch hier eine eindeutige Zuordnung nach Stammeszugehörigkeit. Doch schwieriger
wird es bei den in diesem Zusammenhang ebenso erwähnten Islamisten? Wer soll
das sein?
Zum
ethnischen Merkmal (Tuareg) wird nicht nur ein religiöses sondern
zugleich auch noch ein scheinbar politisches als neues Merkmal (Islamist)
hinzugefügt, das Unterschiede bzw unterschiedliche Interessen zwischen den
Akteuren andeuten soll. Aus Stammeszugehörigkeit und Religionszugehörigkeit
wird ein Gegensatz geschaffen, der zudem noch politisch eingefärbt wird. Diesen
Gegensatz schafft der Berichterstatter. Jedoch die von ihm als Islamisten
bezeichneten Kämpfer können genauso gut die Tuareg selbst sein. Denn diese sind
ja beides: Tuareg und Muslime. Dessen aber scheint sich der Berichterstatter
nicht bewusst zu sein. Wie will er denn vom fernen Deutschland aus beide
unterscheiden? Die Tuareg sind äußerlich vielleicht noch leicht als solche zu
erkennen. Wie aber erkennt man Islamisten? Gibt es für diese eindeutige
äußerliche Erkennungsmerkmale oder haben sie Mitgliedsausweise, die sie wie Identitätskarten
am Revers tragen? Einfache praktische Fragen, die sich die Berichterstatter
nicht zu stellen scheinen. Sie übernehmen das Bild von religiös bedingten
Konflikten und verfestigen es damit. Der „Aufmarsch der Islamisten in Mali, vor
allem aber der „Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqmi)“(5) wurde 2013 von
französischen Elitetruppen blutig niedergeschlagen. Hatte es sich aber in den
Berichten zuvor noch um Tuareg-Kämpfer und Islamisten gehandelt, so hat der
Berichterstatter nun auch Al Qaida unter den Aufständischen entdeckt. Und in
einem Beitrag vom 20.8.20 stellt Thilo Thielke von Kapstadt aus fest:
„Islamisten, die dem Terrornetz Al Qaida nahe stehen, rivalisieren mit jenen
des Islamischen Staates.“(6) Da in den Berichten von 2013 weder von Al Qaida
noch vom Islamischen Staat die Rede war, stellt sich die Frage nach dem
Ursprung dieser Information. Hat der Berichterstatter seine Informationen aus
erster Hand, also von Al Qaida und Islamischem Staat selbst? Wie sollen sich
diese einerseits von den Tuareg und dann auch von Islamisten und Dschihadisten
unterscheiden? Was beim ersten Hinsehen noch unzweifelhaft erscheint, wird bei
genauerer Untersuchung immer unklarer. Nach der Niederschlagung des Aufstands
im Norden Malis durch französische Truppen ist „ein Teil der bewaffneten
Islamisten in Wüstenverstecke geflüchtet, andere verbergen sich zwischen der
Bevölkerung“(7). Dieses Untertauchen in der Bevölkerung ist aber nur möglich,
wenn die Untergetauchten von der Bevölkerung nicht als Fremde angesehen und
behandelt werden im Gegensatz zu den Soldaten. Während der Einfluss der
sogenannten Dschihadisten immer mehr wächst, nährt die Aufstandsbekämpfung
durch Armee und ausländische Truppen den Widerstand. Mitverantwortlich dafür
dürfte die Härte sein, „mit der die französischen Truppen Islamisten im Sahel
verfolgen. Zuweilen fällt dabei das Wort „Skalpjäger“(8). Diese Information
kommt nicht von Islamisten, Dschihadisten oder den Bewohnern der Sahel-Zone als
Betroffene sondern von Bundeswehroffizieren als Zeugen der Ereignisse.
Hinter
den Begriffen
Was
aber sind die Motive und Interessen derjenigen, die sich in immer größerer Zahl
gegen die westlichen Soldaten stellen. Denn es kann nicht übersehen werden und
wird auch in der westlichen Presse nicht verschwiegen, dass in der Sahel-Zone
Aufstände und kriegerische Auseinandersetzungen dramatisch zugenommen haben.
„Ohne die Unterstützung der fremden Truppen … würde Malis Armee vermutlich
innerhalb kürzester Zeit von den Islamisten überrannt werden“.(9)
Aber
diese Unruhe betrifft nicht nur Mali. Sie erstreckt sich mittlerweile in einem
breiten Band von Somalia an der Ostküste Afrikas über den ganzen Kontinent bis
Nigeria im Westen.
Angesichts
der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen dieser Länder, kann nicht
alles mit dem Wirken von Islamisten oder Dschihadisten erklärt werden. Es muss
auch noch andere Umstände geben, die die Menschen in Aufruhr versetzen.
Die
Niederschlagung der Aufstände und die Stabilisierungsversuche in den Staaten
der Sahel-Zone durch westliche und UN-Truppen haben die Lebensumstände der
Menschen nicht verbessert. Der Reichtum an Bodenschätzen kommt der Bevölkerung
nicht zugute. Die Kosten für die Kriegsführung fressen die Budgets der Staaten
auf.
Die Regierungen der Region sind abhängig von Investoren und Geldgebern. Aber diese bestimmen die Bedingungen für ihre Investition oder sie bleiben aus. Als Merkel 2019 die Sahel-Zone besuchte, hatte sie viele gute Absichten im Gepäck, aber nichts Konkretes. „Die Bundesregierung hofft, dass europäische Investoren sich künftig mehr für diese Region interessieren“(10). Aber das Interesse bei Investoren an instabilen Regionen ist gering. „Es ist noch nicht einmal eine Wirtschaftsdelegation mit in die Sahel-Zone gekommen.“(11)
Angesichts
dieser Lage und Aussichten ist ein Erstarken der sogenannten islamistische
Strömungen kein Zufall, nicht weil sie islamistisch sind, sondern weil sie für
die Menschen eine Alternative zur bisher erfolglosen politischen Praxis der
prowestlichen Regierungen zu sein scheinen. Bereits 2013 „stieg der Einfluss
muslimischer Verbände, … die sich als Alternative zum herkömmlichen
Politbetrieb empfahlen“.(12) Und seither ist die Lage nicht besser geworden.
„Derzeit stammt nur etwa die Hälfte der Haushalte der Sahel-Länder aus eigenen
Steuereinnahmen, die andere Hälfte von internationalen Gebern. Einen großen
Teil des Budgets – zwischen 15 und 20 Prozent – geben die Staaten für
Sicherheit aus … Wenn die Länder wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stehen“(13),
wird eine langfristige Stabilisierung der Region kaum gelingen. Aber „niemand
hat ein Konzept zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit oder zur Reform des
darniederliegenden Bildungssystems“(14). Wie sollen da Hoffnung und Zuversicht
aufkommen?
Als
das Militär in Mali die Macht übernahm, jubelten die Menschen auf den Straßen.
Dem waren wochenlange Proteste und gewaltsame Auseinandersetzungen
vorausgegangen.
Sie
richteten sich nicht nur gegen die abgesetzten Politiker sondern auch gegen die
fremden Truppen im Land. „Die Parole „Tod Frankreich und seinen Verbündeten“
war erst vor wenigen Tagen auf den Schildern von Demonstranten in Bamako zu
lesen … [,und sie werden] immer häufiger als Besatzungsmacht beschimpft und
aufgefordert, das Land zu verlassen“(15). „Die Forderung eines Abzugs der
französischen Truppen findet in allen fünf Sahel-Staaten Gehör“(16). Die
französische Armee läuft Gefahr, verjagt zu werden, „weil sie als Stütze der
korrupten und autoritären afrikanischen Führungseliten wahrgenommen“(17) wird.
Veränderte
Wahrnehmung
Offensichtlich
wird auch den westlichen Berichterstattern die Widersprüchlichkeit zwischen den
wirklichen Ereignissen und ihrem westlich bestimmten Blickwinkel auf die
Ereignisse immer deutlicher. Solch massive gesellschaftliche Verwerfungen und
Auseinandersetzungen lassen sich nicht alleine aus einer Islamismus-Theorie
erklären. Die westliche Darstellung religiöser Konflikte als Ursache der Unruhe
in der Sahel-Zone bekommt Risse. So stellt der Berichterstatter fest, dass im
Stamm der Dogon, einem der großen Stämme der SahelZone „die große Mehrheit …
mittlerweile muslimisch ist. Andere hängen dem katholischen Glauben an“.(18)
Die Religion scheint also dem Stamm selbst weniger bedeutend zu sein, als es
bisher den westlichen Berichterstattern war. Jedenfalls scheint dort das
Zusammenleben von Christen und Muslimen unproblematisch zu sein. Immer öfter
kommen in der Berichterstattung nun die grundlegenden Fragen der Lebensumstände
in den Blick westlicher Kommentatoren. „Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen
sind auch ein Kampf um die immer knapper werdenden Ressourcen“(19).
Dementsprechend geht es bei den Konflikten weniger um religiöse Fragen, wie
westliche Berichterstatter es den Medienkonsumenten oft zu erklären versuchen.
Denn „insbesondere der Konflikt zwischen den Ackerbauern … und den Viehzüchtern
… eskaliert zusehends.“(20) Da geht es nicht um Glaubensfragen, sondern um die
für das Überleben wichtigen Fragen von Wasserrechten und Landnutzung. „Als
Reaktion auf die wachsende Unsicherheit im Land bildeten viele der 18 größten
Volksgruppen Malis Milizen zur Selbstverteidigung. Immer häufiger eskalieren
seitdem Kämpfe um Wasser und Weideland.“(21) „Die Lage ist heute schlimmer als
2012 … die Sicherheitslage ist eine einzige Katastrophe, die Wirtschaft
kollabiert. Der Unmut über dieses Chaos habe die Menschen schließlich auf die
Barrikaden getrieben“(22).
Es
scheint den westlichen Berichterstattern schwer zu fallen, sich von dem Bild
des Islamismus als Verantwortlichem für alle Konflikte in der islamischen Welt
zu lösen. Es war und ist immer noch auch ein sehr einfaches und weithin
akzeptiertes Erklärungsmuster, das den unterschiedlichsten Interessen und
Ansichten im Westen gerecht wird. Dennoch widerspricht dieses Bild immer häufiger
den Gegebenheiten in der Realität, was die Berichterstatter zunehmend in
Erklärungsnot bringt. So stellt man überrascht fest, „dass ausgerechnet jene
Dschihadisten, die den Konflikt lange Zeit nach Kräften befeuert haben, jetzt
als Vermittler auftreten und sich das entstandene Machtvakuum zunutze machen. …
Es sind Krieger der Jamaa Nusrat ul Islam wa-l Muslimin, des westafrikanischen
Ablegers des Terronetzwerks Al Qaida“(23). Nach den Worten des
Berichterstatters sind sie die Leute, die dafür gesorgt haben, dass die
verfeindeten Stämme „zusammensitzen und Friedensgespräche führen“(24). Das
vermittelt ein anderes Bild als das bisher bekannte. Vielleicht war gerade das
Machtvakuum, das in weiten Landstrichen Malis schon vor Absetzung der
prowestlichen Regierung entstanden ist, die Voraussetzung dafür, dass die
Stämme Malis sich nun ohne die Einflussnahme durch fremde Interessen um ihre
eigenen Belange kümmern und sie unter sich selbst regeln können.
file:///C:/Users/acer/Desktop/Menetekel%20Mali.pdf
MALI:
Das sagenhafte Reich voller Gold und Bodenschätze
VON CHRISTIAN
VON HILLER
15.01.2013
Mali
ist eines der ärmsten Länder der Erde. Der Boden ist meist karg, trocken bis
dürr und bietet nur in wenigen Regionen im Süden genügend Feuchtigkeit, um dem
Boden Hirse, Zwiebeln, etwas Gemüse oder am Ufer des Niger, wo Bewässerung
möglich ist, auch Reis und Baumwolle für den Export abzuringen. Die Schätze
Malis liegen tief im Boden verborgen. Doch dafür dürfte der Reichtum so groß
sein wie in wenigen anderen Ländern:
So
liegt das Land mitten im „Goldgürtel“, der sich von Senegal über Guinea,
Ghana (die ehemalige britische Kolonie Goldküste), Mali, Burkina Faso, Niger,
Nigeria und Kamerun durch ganz Westafrika zieht.
Daneben
gibt es Erdöl, Erdgas, Phosphat, Kupfer, Bauxit, Diamanten und andere
Edelsteine - diese und einige andere Rohstoffe zählte der damalige
Bergbauminister Mamadou Igor Diarra vor knapp einem Jahr auf.
Rüdiger
Rauls Buchveröffentlichungen:
Krieg
um Syrien:
Kommentare zu einem gescheiterten Regime Change (Deutsch) Taschenbuch –
11. Oktober 2019 https://www.amazon.de/dp/1697260446
Wie
funktioniert Geld
von Rüdiger Rauls (Autor) Format: Kindle
Ausgabe https://www.amazon.de/dp/B013RWL1TQ
Kolonie
Konzern Krieg: Stationen
kapitalistischer Entwicklung Kindle Ausgabe von Rüdiger Rauls (Autor)
https://www.amazon.de/dp/B01MG6AL4K
Zukunft
Sozialismus oder die Grenzen des Kapitalismus Kindle Ausgabe von Rüdiger Rauls
https://www.amazon.de/dp/B01LY0AGOG
Die
Entwicklung der frühen Gesellschaften - Die Geschichte Afghanistans von Rüdiger Rauls Kindle Ausgabe
https://www.amazon.de/dp/B00VAVPMO2
Was
braucht mein Kind? Was geht vor in meinem Kind? (Über die Grundlagen der
Erziehung) Kindle Ausgabe
von Rüdiger Rauls
https://www.amazon.de/dp/B00FEC6X3M
Späte
Wahrheit (Prosa) von Rüdiger Rauls Kindle
Ausgabe
https://www.amazon.de/dp/B00CQLYOS0
Herausgeber
von:
Die
Hintermänner: die stille Macht (ein
politischer Krimi) von Imre Szabo Kindle Ausgabe https://www.amazon.de/dp/B00BAYM1ZM
Die
Unsichtbaren: Wenn du glaubst, dein Leben gehört dir (ein politischer Krimi) Taschenbuch –
24. September 2016 von Imre Szabo https://www.amazon.de/dp/1539064301
(1)
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.8.2020: Unangenehme Fragen nach dem
Putsch.
(2)
FAZ vom 25.8.2020: Schritte nach vorn, aber nicht sofort.
(3)
FAZ vom 14.7.2020: Neue Richter und neue Regierung
(4)
FAZ vom 10.11.2012: Verantwortung für Afrika
(5)
FAZ vom 6.2.2013: Die alten Herren und die Islamisten
(6)
FAZ vom 20.8.20: Die nächste Errettung des malischen Volkes
(7)
https://www.tagesspiegel.de/politik/mali-zentrum-der-tuareg-erobert/7711600.html
(8)
FAZ vom 21.11.2018: Den Frieden schützen, Islamisten töten
(9)
FAZ vom 25.8.2020: Schritte nach vorn, aber nicht sofort
(10)
FAZ vom 2.5.2019: Auf der Suche nach einem besseren Leben
(11)
ebenda
(12)
FAZ vom 6.2.2013: Die alten Herren und die Islamisten
(13)
ebenda
(14)
ebenda
(15)
FAZ vom 31.8.2020: Die Unruhe nach dem Putsch
(16)
FAZ vom 15.1.20: Das Sahel-Trauerspiel
(17)
ebenda
(18)
FAZ vom 12.6.20: Vom Kampf um Ressourcen zum Kampf des Glaubens
(19)
ebenda
(20)
FAZ vom 20.8.20: Die nächste Errettung des malischen Volkes
(21)
ebenda
(22)
FAZ vom 31.7.20: Ein Salafist an der Spitze des Protests
(23)
ebenda
(24)
ebenda